Überraschend klare Mehrheit. CDU: Auch viele Deutsche fürchten Islamisierung.
Hamburg. Es ist eine Entscheidung, die weltweit für Aufsehen sorgt: In der Schweiz dürfen an islamischen Moscheen keine neuen Minarette mehr gebaut werden. Dafür hat sich gestern bei einer Volksabstimmung eine überraschend klare Mehrheit von 57,5 Prozent ausgesprochen. Dieses Ergebnis war selbst von der national-konservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), die das Referendum mitinitiiert hatte, nicht erwartet worden. Noch Mitte November hatte sich in einer Umfrage eine relativ deutliche Mehrheit der Eidgenossen gegen die Initiative ausgesprochen. Nun soll der Satz "Der Bau von Minaretten ist verboten" in die Verfassung aufgenommen werden.
Die Initiatoren hatten mit drastischen Plakaten vor einer "schleichenden Islamisierung" gewarnt und die Türme an Moscheen als Symbol eines bedrohlichen politisch-religiösen Machtanspruchs dargestellt. Die Regierung in Bern bat die Bürger vergebens, den Vorstoß abzulehnen. Ein Minarett-Verbot werde "im Ausland auf Unverständnis stoßen und dem Ansehen der Schweiz schaden". Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf sagte, ein Minarett-Verbot stehe im Widerspruch zu den Menschenrechten und gefährde den religiösen Frieden. Vertreter der 400 000 Muslime unter den acht Millionen Schweizern äußerten sich bestürzt. "Die Moslems fühlen sich als Glaubensgemeinschaft in der Schweiz nicht akzeptiert", sagte Farhad Afshar, Präsident der islamischen Organisationen.
Nach Meinung des Vorsitzenden des Innenausschusses des Bundestags, Wolfgang Bosbach (CDU), wird die Debatte auch Deutschland erreichen. "Das Ergebnis wundert mich nicht", sagte er gestern dem Abendblatt. "Ich stelle schon seit vielen Jahren fest, dass es eine deutliche Diskrepanz zwischen der veröffentlichten Meinung und der öffentlichen Meinung gibt. Während in den allermeisten Kommentaren für Verständnis und Toleranz geworben wird, haben viele Menschen die Sorge vor einer Islamisierung auch in unserem Land."