Potsdam. Der Klimawandel läuft schneller ab, als noch vor zwei Jahren, zum Zeitpunkt des jüngsten Berichts des Weltklimarates (IPCC), erwartet wurde. Ohne eine schnelle Trendumkehr beim Treibhausgasausstoß werden die Folgen der Erderwärmung früher und dramatischer eintreten als bislang prophezeit. Dies zeigt die "Kopenhagen-Diagnose", ein Synthesebericht, mit dem 26 führende Klimaforscher die Weltöffentlichkeit und Entscheidungsträger zum Uno-Gipfel in der dänischen Hauptstadt wachrütteln wollen.
Die Regierungsvertreter von 192 Staaten "müssen die ganze Wahrheit über die globale Erwärmung und die damit verbundenen nie da gewesenen Risiken kennen", betont Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Es veröffentlichte gestern die unbequeme Diagnose. Darin fassen die Forscher, meist Mitautoren früherer Weltklimaberichte, neue Erkenntnisse zusammen, die 2007 noch nicht in den IPCC-Bericht eingeflossen waren.
So schwindet das arktische Meereis deutlich schneller, als damals zu erwarten war: Der Eisverlust in den Sommern 2007, 2008 und 2009 war jeweils rund 40 Prozent größer als der Mittelwert der Simulationsrechnungen des IPCC.
In den vergangenen 15 Jahren stieg der Meeresspiegel um mehr als fünf Zentimeter - im 20. Jahrhundert lag die Rate etwa halb so hoch. Durch den Schmelzwasserzufluss des Festlandeises könnte der Pegel bis zum Jahr 2100 global um bis zu zwei Meter ansteigen, warnen die Experten.
Im Jahr 2008 wurden etwa 40 Prozent mehr Kohlendioxid aus fossilen Energieträgern freigesetzt als im Jahr 1990: "Selbst wenn die Emissionen nicht weiter zunähmen, wäre innerhalb von 20 Jahren das Emissionsbudget aufgebraucht, das der Welt noch zur Verfügung steht, wenn die globale Erwärmung auf höchstens zwei Grad begrenzt werden soll", heißt es in der Pressemitteilung des PIK.
"Unser Spielraum ist so gut wie ausgeschöpft", betont Matthew England, Direktor am Klimaforschungszentrum der Universität of New South Wales (Australien). Die Welt brauche dringend eine verbindliche Einigung, "die sicherstellt, dass die großen Emittenten einmütig handeln".