US-Präsident Obama verliert die Geduld mit dem Mullah-Regime. Israels Premier fordert nun “lähmende Sanktionen“.
Hamburg/Teheran/Washington. Die iranische Millionenstadt Ghom ist eine der heiligsten Städte des schiitischen Islam. Hier lehrte jener Mann, der den Schah stürzte und das Mullah-Regime installierte, in Ghom ist er auch begraben: Ayatollah Ruhollah Chomeini. Die radikalislamisch ausgerichtete Theologieschule von Ghom bildet die meisten Prediger Irans aus. Und nun schließt sich der Kreis: In Ghom existiert eine Nuklearanlage, die vermutlich einer militärischen Nutzung dient - und damit der weiteren Machtexpansion Teherans.
Das Eingeständnis der iranischen Regierung, dass diese bislang geheime Anlage zur Urananreicherung tief in einem Berg in Ghom existiert, kam offenbar einer peinlichen Enthüllung durch den Westen zuvor. Wie Mitarbeiter des US-Instituts für Wissenschaft und Internationale Sicherheit (ISIS) sagten, sei die Anlage durch Agenten und Satelliten längst aufgeklärt worden und westlichen Geheimdiensten bekannt gewesen.
Wie CNN meldete, habe US-Präsident Barack Obama diese Erkenntnis mit China und Russland geteilt, um sie zu neuen Sanktionen gegen den Iran bewegen zu können.
Doch das ertappte Regime in Teheran denkt nicht an eine Büßerrolle. Im Gegenteil: Die Revolutionsgarden - der zweite Teil der iranischen Militärmacht neben der regulären Armee - begannen am Sonntag mit Raketentests. Zunächst wurden Kurzstreckenwaffen getestet, dann Mittelstreckenraketen. Heute soll auch die Langstreckenrakete "Shahab 3" erprobt werden, die mit mindestens 2000 Kilometern Reichweite Israel erreichen kann.
Die Anlage in Ghom dient nach iranischen Bekundungen nur dazu, Brennstoff für Atomkraftwerke zu gewinnen. Doch die Vermutung vor allem der USA und Israels, hier gehe es vielmehr um Material für Atombomben, erhielt neue Nahrung durch eine Äußerung eines engen Gefolgsmanns des geistlichen Führers Ali Chamenei. Mohammad Mohammadi Golpajegani sagte, diese Fabrikation stelle eine Gefahr für alle Feinde der Islamischen Republik dar. Sie werde, "so Gott will, bald betriebsbereit sein und die Augen der Feinde blenden". Nur 3000 Zentrifugen sollen in Ghom geplant sein - nach Expertenmeinung spricht dies eher für eine militärische Nutzung. In der Atomanlage in Natans arbeiten bislang schon 8000 Zentrifugen - 50 000 sind geplant.
Die Enthüllung hat den ganzen Nahen Osten aufgeschreckt - nicht nur Israel, das vom Iran direkt bedroht wird. Auch in Saudi-Arabien, dem sunnitischen Rivalen Teherans, wächst die Sorge vor einer iranischen Atommacht. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu forderte "lähmende Sanktionen" gegen Teheran. Und fragte: "Wenn nicht jetzt, wann dann?" Sein Außenminister Avigdor Lieberman sagte, die Enthüllung beweise zweifelsfrei, dass "dieses Land sich mit Nuklearwaffen ausrüsten will".
Besonders bitter ist die Entdeckung für die amerikanische Regierung. Barack Obama hatte den Iranern die Hand zu Verhandlungen ausgestreckt und den Bau der gegen iranische Raketen gerichteten Abfanganlagen in Osteuropa gestoppt.
Nun will Obama dem Vernehmen nach selbst Militärschläge gegen den Iran nicht ausschließen. Der Iran verletze "Regeln, die alle Nationen befolgen müssen", sagte Obama und forderte eine Inspektion der Anlage und aller sie betreffenden Unterlagen durch internationale Experten "innerhalb von Wochen". US-Verteidigungsminister Gates sprach von einem "Muster der Täuschung und der Lüge auf iranischer Seite".
Der britische Premier Gordon Brown sekundierte, das "Ausmaß der Täuschung seitens der iranischen Regierung" und der Bruch internationaler Verpflichtungen "schockiere und ärgere" die ganze Staatengemeinschaft. Am Donnerstag wird auch die "Sechsergruppe" - USA, Russland, Frankreich, Großbritannien, China und Deutschland - bei einem Treffen mit den Iranern in Genf "uneingeschränkten Zugang" für Inspekteure fordern. Teheran erklärte sich grundsätzlich bereit zu einer Inspektion, nannte aber keinen Zeitpunkt dafür.