Der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi fühlt sich in diesem Sommer wie Hans im Glück. Nach einer Kampagne diskreter Diplomatie, die von Lockrufen an die britische Wirtschaft begleitet wurde, hat er den zu lebenslanger Haft verurteilten Lockerbie-Attentäter Abdel Bassit al-Megrahi aus dem schottischen Gefängnis in die Heimat zurückgeholt.
Tripolis/Istanbul. Mit erpresserischen Methoden hat Gaddafi gleichzeitig die Schweiz dazu gebracht, sich für die vorübergehende Festnahme seines Sohnes Hannibal in Genf zu entschuldigen, der dort 2008 zwei Hausangestellte verprügelt hatte.
Als amtierender Vorsitzender der Afrikanischen Union (AU) sonnt sich der meist in exotische Gewänder gehüllte libysche Staatschef derzeit in der Rolle des "Königs von Afrika". Am 1. September sollen zudem die Feierlichkeiten zum "40. Jahrestag der Revolution" ihren Höhepunkt erreichen. Der Jahrestag markiert gleichzeitig auch das 40-jährige Amtsjubiläum Gaddafis, der seit dem Tod von Gabuns Präsidenten Omar Bongo im vergangenen Juni der dienstälteste Staatschef der Welt ist.
Außerhalb Libyens entwickelt sich die vorzeitige Freilassung des Lockerbie-Attentäters aber immer mehr zu einem Politikum. Gaddafi umarmte Megrahi nach dessen Rückkehr öffentlich und stellte Großbritannien engere Beziehungen in Aussicht: Die Freilassung Megrahis sei im Interesse beider Länder, sagte Gaddafi. Er danke Premierminister Gordon Brown und Königin Elizabeth II. dafür, dass sie die schottische Regierung zu der Freilassung ermutigt hätten. Die britische Regierung wies umgehend Vorwürfe zurück, sie habe Schottland mit Blick auf bessere Beziehungen zu Libyen zu der Freilassung gedrängt.
Megrahi kündigte unterdessen in einem Interview der "Times" an, dass er noch seine Unschuld beweisen wolle. Der schwer kranke 57-Jährige hat nach Angaben seiner Ärzte noch drei Monate zu leben.
Der Chef der US-Bundespolizei FBI, Robert Mueller, übte dagegen heftige Kritik an der schottischen Regierung. "Ihre Handlungen machen die Prinzipien des Rechtsstaats zum Gespött", schrieb Mueller an den schottischen Minister Kenny MacAskill, der die Freilassung Megrahis angeordnet hatte. Die Entscheidung ermuntere Terroristen in aller Welt, beklagte Mueller in dem Brief.
Beim Anschlag auf ein PanAm-Flugzeug, das 1988 über der schottischen Ortschaft Lockerbie abstürzte, waren 270 Menschen getötet worden - 189 davon Amerikaner.