Ein glücklicher Politiker wäre jener, der an einer Weggabelung beide Wege einschlagen kann. Dass dies eine Unmöglichkeit bleiben wird, stellt...
Ein glücklicher Politiker wäre jener, der an einer Weggabelung beide Wege einschlagen kann. Dass dies eine Unmöglichkeit bleiben wird, stellt US-Präsident Barack Obama gerade zu seinem Kummer fest. Der Mann im Weißen Haus, beladen mit höchsten Erwartungen, steht vor dem Dilemma, dass er politisch Schaden nehmen dürfte - ganz egal, welchen Weg er einschlägt.
Bereits der Umstand, dass Obama die Folterpraktiken der CIA publik gemacht hat, trägt ihm seitens der Republikaner den Vorwurf des Verrats und der Schwächung Amerikas ein. Andere, wie die Uno, aber auch US-Bürger- und Menschenrechtsorganisationen, äußerten sich entsetzt darüber, dass der Präsident Folterern zunächst juristische Amnestie gewährte - eine Entscheidung, zu deren Relativierung er sich nun offenbar gezwungen sah.
Sich aufdrängende Vergleiche mit DDR-Mauerschützen oder gar NS-Tätern, die sich ebenfalls auf zur Tatzeit geltendes Recht beriefen, hinken übrigens auf beiden Beinen, denn die USA waren auch in der Bush-Ära ein demokratischer Rechtsstaat.
Dennoch beschleicht einen der Verdacht, Obama könne zum ersten Mal seinem hohen moralischen Anspruch nicht gerecht werden. Seine hastig anberaumte Visite in der Zentrale der eben noch scharf kritisierten CIA wirkt wie ein Canossa-Gang. Das Hauptproblem einer juristischen Aufarbeitung der Folterskandale ist ihre Grenze. Wenn die Schergen zur Rechenschaft gezogen würden, müsste dies nicht erst recht für jene Regierung gelten, die ihnen den rechtlichen Rahmen geliefert hat? Doch ein juristischer Frontalangriff auf Bush, Cheney und Rumsfeld würde die USA innenpolitisch spalten und ihre Handlungsfähigkeit in unsicherer Weltlage lähmen. Barack Obama ist endgültig im Minenfeld der großen Politik angekommen. Ohne Blessuren wird er es kaum durchqueren können.