Die Strategen von John McCain wollen die Reputation Obamas beschädigen - ihnen wird sein Vorsprung in den Umfragen zu groß.
Hamburg/Washington. Barack Obama ist ein Marxist mit dunklen Flecken in seiner Vergangenheit, er hat Affären, schmäht unpatriotisch die US-Truppen, steckt mit Terroristen unter einer Decke, denen er die USA ausliefern will und ist überhaupt kein echter Amerikaner. Egal, ob schlichte Lüge oder holzschnittartige Überzeichnung - das Lager des republikanischen Kandidaten John McCain scheint in den letzten Tagen vor dem Urnengang mit seinen Äußerungen blindwütig um sich zu schlagen. Der "Spiegel" sprach von einer "Strategie der Verzweiflung" angesichts des Rückstands auf den Demokraten. Die Republikaner sehen ihre einzige Chance offenbar nur noch darin, Obama in Sachen Charakter zu diskreditieren. Rechte Blogger schrieben im Internet über eine Affäre Obamas mit seiner Mitarbeiterin Vera Brown im Jahre 2004 - was die Dame wütend dementierte.
Der demokratische Bürgerrechtler und Kongressabgeordnete John Lewis hat McCain vorgeworfen, eine "Saat des Hasses" zu säen. "Es wird jetzt hässlich da draußen", hatte Jake Tapper, einer der Chefkorrespondenten des US-Senders ABC, kürzlich beklagt. In der Tat: Als John McCain in einer Wahlkampfrede in New Mexico die Frage aufwarf, wer Obama eigentlich sei, und andeutete, der Demokrat habe etwas zu verbergen, brüllte einer im Saal"Terrorist", und ein anderer schrie gar: "Tötet ihn!" McCain stutzte nur kurz und sprach dann weiter, ohne den Mann zur Ordnung zu rufen. Und als McCains "Vize"-Kandidatin Sarah Palin in einer Rede in Florida behauptete, Obama bezichtige die US-Truppen in Afghanistan der Ermordung von Zivilisten, keifte ein Mann im Publikum: "Verräter!" Mehrfach haben republikanische Redner den Mittelnamen Obamas - Hussein - derart instrumentiert, dass sich McCain dies verbat. Er trat auch in Minnesota Behauptungen einer Anhängerin entgegen, Obama sei in Wahrheit Araber.
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In den letzten Tagen konzentrierte das Team um McCains aggressiven Wahlkampfstrategen Steve Schmidt seine Attacken auf zwei Punkte: die Steuerpläne Obamas und die Bekanntschaft des demokratischen Senators mit dem früheren Anti-Vietnamkriegs-Aktivisten William Ayers. "Barack Obama will für einige die Steuern erhöhen, um Schecks an andere verteilen zu können", erklärte McCain in Ohio. Viele Konservative in den USA betrachten Steuern als eine Art Folterinstrumentarium des Molochs Staat. Als Obama einen Imbiss in North Carolina betrat, zischte eine Angestellte: "Sozialist! Raus hier!" Auch lancierten die Republikaner das Gerücht, Obama sei für die hohen Spritpreise verantwortlich.
Barack Obama ging noch in kurzen Hosen zur Schule, als William Ayers die Anti-Vietnamkriegs-Gruppe "Weather Underground" gründete, die einige Bombenattentate verübte. Da Ayers, der heute honoriger Professor in Chicago ist, Obama unterstützt hat, behauptete Sarah Palin, der Demokrat "hänge mit Terroristen herum, die ihr eigenes Land angreifen". Der republikanische Abgeordnete aus Illinois, Ray La Hood, kritisierte Palins Ausfälle mit den Worten: "Das passt nicht zu dem Amt, um das sie sich bewirbt." Auch andere gemäßigte Republikaner warnen, die Vergiftung des Wahlkampfes könne auf McCain und sein Team zurückfallen. Dessen früherer Wahlkampfstratege John Weaver meinte, McCain begehe "einen moralischen und auch taktischen Fehler", wenn er mit seinen Äußerungen einen "wütenden Mob" schaffe. Vor seiner letzten Fernsehdebatte hatte John McCain jedoch alle Warnungen außer Acht gelassen und angekündigt, er werde "Obama den Ihr-wisst-schon-was auspeitschen". Angesichts des afroamerikanischen Hintergrunds von Obama wurde dies als rassistisch gewertet.
Nachdem Greg Strimple, ein anderer McCain-Strategen, "sehr aggressive" letzte Wahlkampftage angekündigt hatte, in denen Obama als "Risiko für Amerika" dargestellt werden würde, meinte die demokratische Senatorin Dianne Feinstein, man müsse sich nun wohl auf "Mordanschläge auf den Charakter" einstellen.