TRIPOLIS/BERLIN. Hoffen auf eine politische Lösung: Im jahrelangen Rechtsstreit um Aids-infizierte Kinder hat das Oberste Gericht in Libyen gestern das Todesurteil gegen fünf bulgarische Krankenschwestern und einen palästinensischen Arzt bestätigt. Kurz darauf deutete der libysche Außenminister Abdul Rahman Schalkam jedoch die Möglichkeit einer politischen Lösung an, bei der auch "humanitäre Fragen" berücksichtigt würden. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich "mit großer Sorge" über das Urteil.

Den Schwestern und dem Arzt wird vorgeworfen, sie hätten mehr als 400 libysche Kinder vorsätzlich mit dem Aids-Virus angesteckt. Experten hatten den Aids-Ausbruch in dem libyschen Kinderkrankenhaus in Bengasi dagegen auf die schlechte Hygiene zurückgeführt.

"Das Recht wurde eliminiert", kritisierte der Anwalt der Bulgarinnen, Hari Haralampiew. Nur der Oberste Richterrat Libyens könne die Beschuldigten nun noch begnadigen, sagte Haralampiew in Tripolis. Dabei setze die Verteidigung auf die Unterstützung der USA und der Europäischen Union. Die Verhandlungen mit den Familien der libyschen Kinder über eine finanzielle Entschädigung gingen weiter, berichtete der bulgarische Staatsrundfunk.

Libyens Außenminister Schalkam verwies auf eine "von der Gaddafi-Stiftung erzielte Einigung", die bei der Entscheidung des Richterrats am kommenden Montag eine Rolle spielen könnte. Nach unbestätigten Berichten berücksichtigt die Vereinbarung die finanziellen Interessen der Familien der infizierten Kinder. Der libysche Außenminister sagte dazu, es gebe einen Fonds, in den westliche Staaten und Libyen einzahlten und aus dem "Entschädigungen" für die betroffenen Familien finanziert werden sollten. Er deutete zudem an, dass die Jahre der Untersuchungshaft angerechnet werden könnten, falls der Richterrat die Todesurteile in Gefängnisstrafen umwandeln sollte. Dann wäre eine baldige Freilassung möglich.

Da über die "Einigung", die der Sohn von Staatschef Muammar al- Gaddafi, Seif al-Islam, mit eingefädelt haben soll, bisher nicht viel an die Öffentlichkeit gedrungen ist, reagierten die Anghörigen in Bulgarien mit Empörung auf die Urteilsverkündung. Bulgariens Ministerpräsident Sergej Stanischew erklärte, er hoffe auf eine "politische Lösung".

Bundesaußenminister Steinmeier, der die Verurteilten vor einem Monat in Libyen besucht hatte, sagte, er sei "betroffen", dass der Leidensweg der Inhaftierten noch kein Ende finde.

Die angeklagten Frauen und der Arzt sind seit 1999 im Gefängnis und haben den Vorwurf, Kinder absichtlich infiziert zu haben, entschieden zurückgewiesen. 50 Kinder sind inzwischen gestorben.