Briefwechsel: Ein Historiker hat notiert, was US-Präsidenten ihren Frauen (und Freundinnen) so alles schrieben. Mal rührend, mal schmachtend-romantisch: Wie George Bush gaben sich die Herren im Weißen Haus oft erfindungsreich, wenn es um die Liebe ging.

Washington. Der junge Theodore Roosevelt muß arge Seelenqualen gelitten haben, als er im Jahre 1880 an seine Verlobte Alice Lee diese Zeilen verfaßte: "Meine teuerste Liebe, ich bete so sehr, daß ich Dich in jeder Weise befriedigen werde. Ich verehre Dich so sehr, daß es mir fast als Entweihung erscheint, Dich zu berühren. Du reinste aller Königinnen, kein Mann ist Deiner Liebe wert." Wenig später heiratete er sie, und niemand ahnte, daß Roosevelt 21 Jahre später einmal Präsident der Vereinigten Staaten werden sollte.

Bei aller Macht, Bedeutung und Unbeugsamkeit, die sie nach außen zeigen müssen, sind und waren die Herren im Weißen Haus nicht selten rührend romantisch, schmachtend verliebt. Davon erzählen Briefe, die amtierende oder künftige Präsidenten an ihre Frauen, Verlobten oder Freundinnen schickten oder solche, die sie von diesen erhielten. Eine Auswahl davon ist jetzt in dem Buch "My Dear President: Letters between Presidents and their Wives" (Mein lieber Präsident: Briefe zwischen Präsidenten und ihren Ehefrauen) erschienen. Gerard W. Gawalt, seit über 30 Jahren Historiker in der Library of Congress, der umfangreichsten Bibliothek der Erde, hat aus knapp 5000 Briefen, die dort im Archiv liegen, die 184 rührendsten, ergreifendsten und politisch interessantesten zusammengestellt. So erfährt die Öffentlichkeit, daß auch die mächtigsten Männer der Welt ihre bessere Hälfte "Schnucki", "mein kleiner Kürbis" oder "meine süße Seelenverwandte" nennen und von tiefem Verlangen getrieben werden.

Der Schauspieler, Cowboy und Präsident Ronald Reagan gehörte dazu. Im Gegensatz zu Theodore Roosevelt redete beziehungsweise schrieb er jedoch nicht lange um den heißen Brei herum. Er ließ seine große Liebe Nancy in einem intimen Brief klipp und klar wissen: "Ich muß dich berühren, sonst platze ich." Man erfährt auch, daß der Politiker, der die Geschicke der USA von 1981 bis 1989 lenkte, oft stundenlang wach lag und seine Frau im Schlaf betrachtete. Lyndon B. Johnson, ein anderer "Cowboy-Präsident", strotzte vor Lebenslust, als er seine Freundin und zukünftige Frau Lady Bird per Post wissen ließ: "Mein Vögelchen, heute morgen bin ich voller Tatendrang, Stolz und Energie und wahnsinnig verliebt in dich."

Harry S. Truman (Präsident von 1945 bis 1953) war als junger Soldat in einer Kaserne in Fort Leavenworth stationiert. Nachdem seine Freundin, die spätere First Lady Bess, ihn dort einmal besucht hatte, notierte er traurig: "Ich wollte heute so schrecklich gerne mit dir nach Hause gehen. Ich konnte den Drang kaum aushalten. Du sahst so aus, als ob du dringend eine Schulter brauchen würdest, um dich anzulehnen."

Bei der Lektüre des 350 Seiten starken Buches wird aber auch deutlich, daß die meisten späteren Präsidentengattinnen keine Heimchen am Herd oder Mauerblümchen waren, sondern starke, eigenständige Frauen, die nicht selten bei den politischen Entscheidungen, die das Schicksal des Landes und manchmal der Welt bestimmten, ein gewichtiges Wort mitredeten. Autor Gerard Gawalt: "Was mir am meisten aufgefallen ist, ist der frühe Zeitpunkt, zu dem die Frauen bereits eine Schlüsselrolle für die Karriere ihrer Männer einnahmen."

So hielt Abraham Lincolns Frau Mary im November 1862 nicht hinter dem Berg, als sie ihrem im Bürgerkrieg kämpfenden Mann und Präsidenten per Post dringend riet, General McClellan, den sie für einen Weichling hielt, zu ersetzen. Mary Lincoln: "McClellan und seine Behäbigkeit werden hier zu Hause heftig diskutiert. Viele sagen, daß sie dich quasi vergöttern würden, wenn du ihn durch einen kampfesfreudigen General ersetzen würdest."

Abigail Adams, die Frau des zweiten US-Präsidenten John Adams (1797-1801), machte angeblich Druck, daß ihr Mann in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, an der er arbeitete, die Gleichheit aller Menschen festschrieb. In einem Brief schrieb die First Lady ihrem Gemahl: "Die Wahrheit ist, daß Dein Geschlecht von Natur aus tyrannisch ist. Kluge Männer haben es allerdings stets verabscheut, Frauen nur als Sklavinnen zu behandeln. Vergiß also die Frauen nicht."

200 Jahre später mischte sich First Lady Hillary Clinton kräftig in die Politik ein und hielt das auch schriftlich fest. Als die von ihr geplante Gesundheitsreform auf mächtigen Widerstand im Kongreß stieß, schrieb sie an ihren Mann Bill: "Viele Leute sagen, daß sie uns fertigmachen werden." Der 41. US-Präsident antwortete ihr: "Das höre ich auch. Aber wir müssen es auch weiter versuchen. Es muß einfach klappen." Die politischen Ambitionen der First Lady endeten mit einem Schiffbruch.

Nur die wenigsten Politikerfrauen waren begeistert, als ihnen ihr Mann eröffnete, daß er sich um das höchste Amt im Staate bewerben möchte. Manche, wie Lady Bird Johnson, dachten sogar an Trennung. Letzten Endes halfen sie jedoch fast alle beim Wahlkampf und bekamen nicht nur Freundlichkeiten zu hören, nicht einmal von den Präsidenten in spe. So schrieb George Bush senior (Präsident 1989-1993) seiner Frau Barbara nach einem nicht so gelungenen Auftritt von ihr: "Schnuckelchen, schau doch bitte mal wie Mike und Kitty (Anm.: Dukakis, seine demokratischen Herausforderer) auftreten. Versuche mir näher zu sein vor der Kamera, romantischer. Ich übe schon den verliebten Blick und die schleimige Hand. Du müßtest deine Liebe TV-wirksam demonstrativer zeigen. Dein Schnuckel-Puckel-Coo-Coo. Lieb' Dich GB."

Lady Bird Johnson war alles andere als begeistert von der drohenden politischen Karriere ihres Auserwählten und machte daraus in einem Schreiben 1934 auch kein Geheimnis: "Lyndon, bitte sage mir, so bald Du kannst, was nun Sache ist. Ich fürchte, es ist die Politik. Oh! Ich weiß, es geht mich nichts an, aber ich würde es hassen, wenn Du in die Politik gehst." Genau 30 Jahre später, als Lyndon B. Johnson nach der Ermordung von John F. Kennedy von Zweifeln geplagt überlegte, ob er sich zur Wiederwahl stellen sollte, war es Lady Bird, die ihn in einem Brief ermutigte: "Mein Liebster, Du bist so tapfer wie Harry Truman, FDR (Anm.: Franklin D. Roosevelt) oder Lincoln. Dafür verehre ich Dich. Auch das Land tut es. Jetzt aufzuhören wäre falsch für das Land. Deine Freunde würden in Peinlichkeit erstarren und Deine Feinde jubeln. Ich weiß, es ist einzig und allein Deine Entscheidung, aber ich weiß auch, daß Du so gut und tapfer bist wie jeder Deiner 35 Vorgänger."

Auch US-Präsidenten haben ihre Allerweltsprobleme, bei denen ihnen weder Berater noch Secret Service helfen können. So antwortete Franklin D. Roosevelt seiner Eleonore, als diese sich beklagte, daß das Haushaltsgeld im Weißen Haus nicht reicht: "Es ist mir klar, daß die Lebensmittelpreise stark gestiegen sind. Deshalb müssen wir eine drastische Maßnahme treffen und die Größe der Portionen reduzieren." In der Erziehung seiner Kinder hatte Präsident Ulysses S. Grant sehr genaue Vorstellungen und wollte sich da von seiner Frau Julia auch nicht hineinreden lassen. So machte der General 1864 in einem Brief klar, daß Jungen und schöne Künste seiner Meinung nach nicht zusammenpassen: "Liebe Julia, die Kinder müssen Fremdsprachen lernen. Ich habe nichts dagegen, wenn Nellie auch Musik zu ihren Studien hinzunimmt, aber bei den Jungen kommt das nicht auch nur einen Tag in Frage, völlig undenkbar."

Und auch Präsidenten haben wie Normalbürger das Problem, ihrer Frau das richtige Geschenk zum Geburts- oder Hochzeitstag auszusuchen. FDR ließ das seine Holde anläßlich ihres 28. Hochzeitstages in einem sichtlich genervten Brief wissen: "Liebster Schatz! Nach einer Woche fruchtlosen Nachdenkens und schlafloser Nächte, wo ich darüber sinnierte, ob Du Unterwäsche, Kleider, Hüte, Schuhe, Handtücher, Make-up, Suppenteller, Süßigkeiten. Blumen, Lampen, Abführmittel, Whisky, Bier oder Kaviar brauchst oder willst, GEBE ICH AUF. Trotzdem weiß ich, daß du einige Lebensnotwendigkeiten vermißt. Kaufe Sie Dir mit meiner Liebe und vielen Grüßen zum Hochzeitstag. F.D.R."

Und wie steht's mit dem amtierenden Präsidenten George W. Bush? Sein Vater George immerhin war, was die vier Söhne angeht, zuversichtlich, wie ein Brief von 1994 an seine Barbara belegt: "Du hast unsere Jungs zu Männern gemacht, indem Du sie angebrüllt und zusammengestaucht und kurz danach wieder geherzt hast."

Wie dies das Leben und die Entscheidungsfähigkeit von George W. Bush beeinflußt hat, ist noch nicht abschließend bekannt. Briefwechsel zwischen ihm und First Lady Laura werden frühestens nach dem Ende der Amtszeit 2009 veröffentlicht. Dann wird die Welt vielleicht manches besser verstehen . . .