Zwei Städte, zwei Staaten, zwei Welten bei der Visite des US- Präsidenten - die Kanzlerin bleibt kühl, aber freundlich gegenüber Barack Obama, Nicolas Sarkozy versprüht gallischen Charme.
Straßburg/Baden-Baden. Ursprünglich hatten die Amerikaner den 60.Geburtstag der Nato in Berlin feiern wollen - als Symbol für den Erfolg der Atlantischen Allianz und das Ende des Kalten Krieges. Aber dann setzten sich die Regierungen in Berlin und Paris mit der Idee einer deutsch-französischen Gastgeberschaft durch - ebenso aussagekräftig als Symbol einer überwundenen "Erbfeindschaft".
Doch die Begegnungen der deutschen Regierungschefin Angela Merkel in Baden-Baden und des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy in Straßburg mit dem Superstar des Gipfels, dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama, mutierten dann zu einem deutsch-französischen Wettbewerb.
Hatten Merkel und Sarkozy beim G20-Gipfel in London noch eine harte Front gegenüber Obama aufgezogen, so buhlte nun Sarkozy sichtlich um Obama.
Anders Merkel: Musste schon der badische Kurort mit dem malerischen Straßburg konkurrieren, so stand die vergleichsweise spröde Kanzlerin sichtlich widerstrebend im medialen Wettbewerb mit dem hyperaktiven, emotional aufgeladenen Franzosen.
Dem wie ein souveräner Showstar agierenden Obama muss der quirlige Sarkozy bestens gelegen haben. Wie sich herausstellte, kennen sich beide seit vielen Jahren. Folgerichtig nannte man sich vertraut "Nicolas" und "Barack", während Angela Merkel dröge, aber zutreffend als "Frau Kanzlerin" angeredet wurde und sich mit "Mr. President" revanchierte.
Doch in der Sache, fern der Kameras, liegen die politischen Positionen Merkels dichter an denen Obamas als die Sarkozys.
Knapp eineinhalb Stunden unterhielten sich Obama und Sarkozy im Chateau des Rohan gegenüber dem Straßburger Münster. Über Afghanistan, das Verhältnis zu Russland, den Iran und manches mehr. "Wir haben eine perfekte Übereinstimmung unserer Ansichten", sagte Sarkozy anschließend vor amerikanischen und französischen Journalisten. "Wir sind Freunde und Alliierte."
Obama revanchierte sich bei "Nicolas": "Ich bin persönlich sehr dankbar für unsere Freundschaft, die schon begonnen hatte, bevor wir beide in unsere jetzigen Ämter gewählt wurden", sagte der US-Präsident. "Und diese Freundschaft ist sogar noch stärker geworden."
Frankreich sei "unser ältester und erster Verbündeter, auch dank der Führungsstärke von Nicolas Sarkozy. Ich bin dankbar für diese Partnerschaft, in die Präsident Sarkozy auch immer seine Vorstellungskraft und Kreativität einbringt."
Straßburg selber bekam am Freitagmittag noch eine Portion Historie vom US-Präsidenten verabreicht. "Viele Könige hat diese Stadt gesehen", doziert er, "sie hat Kriege durchgemacht. Sie hat zwei Sprachen, zwei Religionen." Heute, als Sitz von EU-Parlament und Europarat, stehe sie für den vereinten Kontinent. Vereint sollen nun auch Europäer und Amerikaner wieder stehen - "together" ist das häufigste Wort, das Obama in seiner 25-minütigen Ansprache braucht.
Der Präsident hat in Straßburg zum "Town Hall Meeting" mit gut 4000 Jugendlichen aus Frankreich und Deutschland eingeladen. Das Rathaus ist eine dunkle Mehrzweckhalle auf dem Messegelände mit wackeligen gelben Plastiksitzen, und das Podest, auf dem Obama spricht, erinnert entfernt an einen Boxring. Doch der Präsident bewegt sich souverän, überspielt kleine Pannen, wenn das Mikrofon seiner Gesprächspartner versagt, und bittet die zahlreich erschienenen Amerikaner, sich nicht zu Wort zu melden - "mit euch kann ich zu Hause noch reden".
Auf der anderen Seite, in Baden-Baden, warten dann neben Merkel und Tausenden Polizisten auch zahlreiche Bürger mit US-Fähnchen in den Händen auf den Megastar. Das Protokoll nennt sie despektierlich "Winker".
Nachdem sich Barack Obama ins Goldene Buch der Stadt eingetragen und mit diversen Mädels in Schwarzwälder Trachten geplaudert hat, verhaspelt sich Angela Merkel prompt und begrüßt den amerikanischen Gast herzlich in den Vereinigten Staaten. Der US-Präsident nimmt es leicht, ist überhaupt gewohnt locker. Man geht freundlich miteinander um im Kurpark, durchaus herzlich, aber ein Feuerwerk an Emotionen wird nicht gerade abgebrannt.
Die Kanzlerin bleibt nüchtern, weist auf die gute Zusammenarbeit beider Länder hin. Brav lobt Obama Merkels "Weisheit, Führungskraft und Fleiß". Die Kanzlerin nimmt selten Blickkontakt zu ihm auf und verströmt einen herben märkischen Charme, als sie bemerkt, dass Obama den Deutschen willkommen sei. Das hatte der bereits am Jubel auf den Straßen Baden-Badens bemerkt, die er mit seiner "The Beast" genannten neuen Panzerlimousine passierte.
Das mit Spannung erwartete Treffen wirkt eher wie ein Arbeitsbesuch unter guten Bekannten. Immerhin legt die Kanzlerin zum Schluss dem Präsidenten die Hand auf den Arm. Die gemeinsame Pressekonferenz klingt hoffnungsvoll aus. Der Präsident sagt auf Deutsch "Danke" und schiebt auf Englisch den Scherz nach: "Mein Deutsch ist nicht so gut wie das von Kanzlerin Merkel." Das ermutigt diese zu der auf Englisch gehaltenen Replik: "Und mein Englisch ist nicht so gut wie Ihres."