Der neue US-Präsident Barack Obama erwägt bei der Überprüfung seiner Afghanistanpolitik auch eine Annäherung an moderate Taliban-Kämpfer. In einem...

Washington/Kabul. Der neue US-Präsident Barack Obama erwägt bei der Überprüfung seiner Afghanistanpolitik auch eine Annäherung an moderate Taliban-Kämpfer. In einem Interview mit der "New York Times" meinte Obama, ein "Teil des Erfolges im Irak schließt die Annäherung an Leute ein, die wir als islamische Fundamentalisten ansehen würden". Zwar sei die Lage in Afghanistan komplizierter als im Irak. Dennoch "könnte es vergleichbare Chancen in Afghanistan und in der Region Pakistan geben." Die Taliban würden derzeit immer stärker. Um sich über die Lage zu informieren, wird Verteidigungsminister Franz Josef Jung heute für drei Tage nach Afghanistan reisen.

Der afghanische Staatschef Hamid Karsai, der gestern dem 20. August als Termin zur Präsidentenwahl zustimmte, begrüßte Obamas Vorstoß. Dies seien gute Nachrichten. "Die Taliban, die keine Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida haben und die unser Land nicht zerstören wollen, sind willkommen", erklärte er in Kabul. Seine Regierung ziehe seit Längerem Aussöhnung und Friedensgespräche mit moderaten Taliban in Betracht, um so Frieden und Stabilität zu erreichen. Erst im September habe er sich erneut mit einem Friedensappell an die Taliban gewandt, meinte Karsai. Im Herbst 2008 soll es schon Geheimverhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und Taliban-Führern in Saudi-Arabien gegeben haben.

Obama hatte bereits im Wahlkampf für eine Annäherung an moderate Taliban plädierte, auch Verteidigungsminister Robert Gates hatte sich ähnlich geäußert. Obama betonte, er wolle der gegenwärtigen Überprüfung der Afghanistan-Strategie durch die Militärs nicht vorgreifen. "Aber die Lage in Afghanistan ist komplexer" als im Irak. Auf die Frage, ob die USA derzeit den Krieg gewinnen, antwortete Obama klar mit "Nein". Er fügte hinzu: "Unsere Truppen machen in einer sehr schwierigen Situation einen außerordentlichen Job. Aber wir haben in den vergangenen Jahren eine Verschlechterung der Lage erlebt. Die Taliban sind dreister, als sie waren." Zugleich übte Obama deutlich Kritik an Karsai: "Die nationale Regierung hat noch nicht das Vertrauen des afghanischen Volkes gewonnen."

Weiter betonte Obama, es müsse verhindert werden, dass Terroristen und al-Qaida-Kämpfer die afghanisch-pakistanische Grenzregion als Rückzugsgebiet nutzen. "Eine neue Afghanistanpolitik wird im Kern eine klügere Pakistanpolitik bedeuten."