Angeblich tötet der Mossad Schlüsselfiguren des iranischen Nuklearprogramms, um dessen Entwicklung zu verzögern.
Hamburg/London. Israel führt einen verdeckten Krieg gegen den Iran, um die Weiterentwicklung des iranischen Atomprogramms mit allen Mitteln zu verzögern.
Wie der Londoner "Daily Telegraph" unter Berufung auf amerikanische Geheimdienstquellen berichtet, hat der israelische Geheimdienst Mossad offenbar damit begonnen, Schlüsselfiguren des Teheraner Nuklearprogramms zu ermorden. Ferner gehörten zu diesem "Enthauptungsprogramm" auch Sabotage, der Einsatz von Agenten und Scheinfirmen zur Infiltration der mit dem Atomprogramm verbundenen iranischen Unternehmen.
Nach Angaben des Londoner Blatts wird der Mossad auch als Auftraggeber des mutmaßlichen Mordes an dem iranischen Top-Atomphysiker Ardeshir Hassanpour angesehen. Hassanpour, der an der Uran-Konversionsanlage in Isfahan arbeitete, starb im Januar 2007 unter rätselhaften Umständen mit 44 Jahren an Gasvergiftung. Der preisgekrönte Wissenschaftler war dafür zuständig, das hochgiftige Uran-Hexafluoridgas herzustellen, das für die Urananreicherung benötigt wird. Wie ein früherer CIA-Agent der englischen Zeitung sagte, gingen auch in jüngster Zeit mehrere andere Todesfälle bedeutender Personen des iranischen Atomprogramms auf das Konto des Mossad.
Der US-Geheimdienstexperte James Risen, ein Pulitzer-Preisträger und Autor der "New York Times", hatte kürzlich geschrieben, dass CIA und Mossad gemeinsame Sabotageoperationen gegen den Iran geplant hätten, darunter Anschläge auf Stromleitungen und Computersysteme, die mit dem Atomprogramm in Verbindung stünden.
Israel versucht schon seit Jahren, die Entwicklung einer iranischen Atombombe zu verhindern. Doch der Wechsel im Weißen Haus hat es für die Regierung in Jerusalem nun dringend nötig gemacht, den geheimen Krieg zu intensivieren. Denn es gilt als sicher, dass der neue Präsident Barack Obama - anders als wohl sein Vorgänger - niemals Luftschläge gegen iranische Atomeinrichtungen erlauben würde. Im Gegenteil: Obama hat dem Mullah-Regime in Teheran gerade Gesprächsbereitschaft signalisiert.
Das Ziel der Attentate und Sabotageakte ist nach Ansicht des früheren CIA-Agenten "Verzögerung, Verzögerung und nochmals Verzögerung - so lange, bis eine andere Lösung in Sicht ist". Es sei eine gute Politik, Irans Waffenprogramm ohne einen Militäreinsatz auszuschalten, der "unakzeptable Risiken mit sich bringen würde". Dabei liefern israelische Tarnfirmen den Iranern zunächst brauchbare Ausrüstung für ihre Nuklearanlagen, um dann fehlerhaftes Material unter die Lieferung zu schmuggeln.
In einem Fall, so wird berichtet, habe die Spionagetätigkeit israelischer Agenten im Iran bereits einen spektakulären Erfolg gezeitigt: Nachdem Uno-Inspektoren Hinweise auf eine geheime Atomanlage bei Teheran zugespielt worden seien, hätten die Iraner die Bauten hastig abgerissen und an ihrer Stelle ein Fußballfeld angelegt.
Die amerikanische Expertin Reva Bhalla von der Firma Strategic Forecasting Inc., kurz Stratfor, sagte, das Ziel der israelischen Strategie sei es, mithilfe der USA "Schlüsselfiguren im iranischen Atomprogramm zu eliminieren und die nukleare Versorgungskette zu sabotieren". Stratfor, eine Art privater Geheimdienst, wird auch "Schatten-CIA" genannt und hat enge Verbindungen zu den offiziellen Geheimdiensten der USA.
Bhalla, Direktorin der politischen Analyse-Abteilung bei Stratfor, hatte im Februar 2007 von "starken Geheimdiensterkenntnissen" gesprochen, dass der Physiker Hassanpour vom Mossad ermordet worden sei.
Das umfangreiche iranische Atomprogramm, dessen teilweise tief verbunkerte und durch Luftabwehrraketen geschützte Anlagen über das ganze Land verstreut sind, dient nach Darstellung Teherans ausschließlich dazu, Energie zu gewinnen. Vor allem die USA und Israel gehen jedoch davon aus, dass Iran an einem nuklearen Waffenprogramm arbeitet. Hinzu kommt, dass Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad Israel in Reden die Vernichtung androht.
Israel will eine iranische Atombombe unter keinen Umständen hinnehmen. Nach einem Bericht der "New York Times" hatten mehr als 100 F-15- und F-16-Kampfflugzeuge der israelischen Luftwaffe Anfang Juni 2008 über dem Mittelmeer einen massiven Luftangriff auf iranische Atomanlagen simuliert.