Donald Rumsfelds Gesicht war erstarrt. Eben hatte der grüne Außenminister Joschka Fischer dem US-Verteidigungsminister mehrfach sein “I am not...
Hamburg. Donald Rumsfelds Gesicht war erstarrt. Eben hatte der grüne Außenminister Joschka Fischer dem US-Verteidigungsminister mehrfach sein "I am not convinced" ("Ich bin nicht überzeugt") entgegengekrächzt. Nie zuvor waren beim Irak-Kurs die Spannungen zwischen deutscher und amerikanischer Regierung sichtbarer gewesen. Das war 2005, und es blieb nicht der einzige bemerkenswerte Moment in der Geschichte der Münchner Sicherheitskonferenz. Vor zwei Jahren entfachte Russlands Präsident Wladimir Putin eine Debatte um einen neuen Kalten Krieg. Scharf attackierte er die USA: "Es ist die Welt eines Herrschers, eines Systems." Das habe "nichts mit Demokratie zu tun".
Die Münchner Sicherheitskonferenz im feinen Hotel Bayerischer Hof steht für klare Worte und den offenen Austausch echter, tief greifender Meinungsverschiedenheiten. Dass ausgerechnet mit Wolfgang Ischinger erstmals ein Diplomat, ein Mann mit stets beherrschter Wortwahl, die Leitung der kommenden Konferenz am Wochenende übernimmt, wird den Charakter des Treffens kaum verändern. Das will Botschafter Ischinger auch gar nicht: "Die Konferenz ist eine private Veranstaltung, von der keine Beschlüsse ausgehen", sagte er dem Abendblatt. Soll heißen: Jeder Gast ist aufgefordert, so laut zu denken, wie er mag.
Die Erwartungen an die Konferenz sind in diesem Jahr so hoch wie nie zuvor. Denn dass der neue US-Vizepräsident Joe Biden reden wird, ist in mehrfacher Hinsicht eine kleine Sensation. Ischinger, der fünf Jahre lang Botschafter in den USA war und sich für das neue Amt beurlauben ließ ("Ich wollte unabhängig sein"), konnte im Fall Biden auf sein weitreichendes Netzwerk zurückgreifen. Zum neuen Sicherheitsberater im Weißen Haus, General James Jones, verbinde ihn "ein sehr persönliches Freundschaftsverhältnis". Das zahlt sich nun aus. In den Jahren zuvor galt es als Gepflogenheit, dass der Verteidigungsminister die US-Delegation anführte. Die neue Administration schickt nun ihren zweiten Mann - es wird der erste außenpolitische Auftritt der neuen US-Regierung überhaupt.
Wolfgang Ischinger knüpft große Hoffnungen an Bidens Anwesenheit: "Im Verhältnis zwischen den USA und dem Iran eröffnet sich jetzt die Gelegenheit zu einem Neuanfang. Die USA haben 30 Jahre lang keine direkten Gespräche mit Teheran geführt." Auch aus Teheran komme eine hochrangige Delegation nach München. "Die Tür für erste Sondierungen steht in München also weit offen", so Ischinger.
Auch bei den russisch-amerikanischen Beziehungen sieht Ischinger die Zeit für einen Neuanfang gekommen: "Die Chancen für kreative und konstruktivere Beziehungen zwischen Moskau und Washington und zwischen Moskau und der Nato sind gut. Hier können in München erste Nägel eingeschlagen werden."
An der Konferenz nehmen 13 Staats- und Regierungschefs sowie 46 Außen- und Verteidigungsminister teil - darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Nicolas Sarkozy, der stellvertretende russische Ministerpräsident Sergej Iwanow und der afghanische Präsident Hamid Karsai. Außenminister Frank-Walter Steinmeier eröffnet die Konferenz am Freitag mit dem Schwerpunkt Atomwaffen und Rüstungskontrolle. Biden, Merkel, Sarkozy und der polnische Ministerpräsident Donald Tusk sollen am Sonnabend über die Nato, Russland, das Öl und Nahost sprechen. Über Afghanistan wird am Sonntag diskutiert. Es sind vor allem die Themen, die die Konferenz auch in den vergangenen Jahren beschäftigt haben.
Doch manches soll diesmal anders werden: Ischinger hat hohe Wirtschaftsvertreter hinzugebeten, auch aus der Energiebranche: "Nichts ist so wichtig für unsere Sicherheit wie die langfristige Klärung der Energiefragen."