Die neue US-Administration unter Präsident Barack Obama definiert neue Ziele in der Afghanistan-Politik Amerikas. Für manchen politischen Beobachter...
Hamburg/Washington. Die neue US-Administration unter Präsident Barack Obama definiert neue Ziele in der Afghanistan-Politik Amerikas. Für manchen politischen Beobachter dürften sie eine Überraschung darstellen. Nach Angaben führender Berater des Präsidenten wird Obama den Schwerpunkt auf die Kriegsführung gegen Taliban und al-Qaida legen - und weniger auf den Wiederaufbau.
Verteidigungsminister Robert Gates verwendete vor dem Kongress ungewöhnlich deutliche Formulierungen zur neuen Ausrichtung der US-Politik. "Wenn wir uns zum Ziel setzen, da drüben eine Art von zentralasiatischem Walhalla zu schaffen, dann werden wir verlieren", sagte Gates, der schon unter George W. Bush Pentagonchef war. "Wir haben weder genug Zeit noch genug Geduld oder Geld, um überaus ehrgeizige Ziele in Afghanistan verfolgen zu können." Der Krieg am Hindukusch sei "unsere größte militärische Herausforderung". Gates fügte hinzu: "Meine persönliche Sicht der Dinge ist, dass es unser oberstes Ziel ist zu verhindern, dass Afghanistan als Basis für Terroristen und Extremisten genutzt wird, die die USA und unsere Verbündeten angreifen. Und alles, was wir sonst noch tun müssen, ist diesem Ziel untergeordnet." Die bisherigen Ziele der US-Regierung in Afghanistan seien "zu breit angelegt und viel zu sehr auf die Zukunft ausgerichtet gewesen". Bei der neuen Strategie gehe es darum, konkretere Ziele in drei bis fünf Jahren zu erreichen. So sollte die Kontrolle über bestimmten Regionen Afghanistans erlangt werden.
Aus den Beraterkreisen des neuen US-Präsidenten hieß es, Barack Obama und sein Team wollten eine härtere Linie gegenüber dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai fahren, dessen Regierung als korrupt gilt. Karsai, so hieß es in Washington, werde nur noch als Hindernis betrachtet. Auch dies ist ein Bruch mit der Politik von Bush, der alle zwei Wochen mit Karsai eine Videokonferenz abgehalten hatte. Künftig will sich die US-Regierung offenbar direkt an die örtlichen Führer in den Provinzen wenden.
Anfang Januar war US-Vizepräsident Joe Biden - damals noch als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im US-Senat - in Kabul mit Karsai zusammengetroffen. Biden, ein Kritiker des afghanischen Präsidenten, hatte Karsai gewarnt, dass die neue US-Regierung weit mehr von ihm erwarten würde als die Bush-Administration. Bei seiner Rückkehr hatte Biden die Lage in Afghanistan als "ziemlichen Schlamassel" bezeichnet.
Karsai wird sich vermutlich im Herbst einer Wahl stellen - und seine Rivalen reisen bereits nach Washington, um sich die mögliche Unterstützung Barack Obamas zu sichern. Zu ihnen zählen der frühere Außenminister Abdullah Abdullah sowie auch der frühere US-Botschafter in Kabul, Zalmay Khalilzad, ein gebürtiger Paschtune, der gleich eine Residenz in Washington bezogen hat.
Obama, der Anfang April zum Nato-Gipfel nach Deutschland kommt, dürfte die europäischen Alliierten um mehr Truppen für Afghanistan angehen. Zudem wird er wohl mehr Anstrengungen der Europäer beim zivilen Aufbau fordern - um die amerikanische Armee von derartigen Aufgaben zu entlasten. "Es geht nicht darum, den Wiederaufbau auf den Müll zu werfen", sagte ein US-Regierungsvertreter der "New York Times", "es geht vielmehr darum, uns auf unsere erste Priorität zu konzentrieren: das Problem al-Qaida."
Ein von Gates genehmigter Plan sieht die Verdoppelung der afghanischen Armee vor, die zurzeit 60 000 Soldaten hat.
Die US-Truppen, die mit rund 34 000 Mann vor Ort sind, sollen auf mehr als 62 000 Soldaten aufgestockt werden. Nach Angaben von Gates könnten bereits bis Mitte Sommer bis zu 12 000 Mann nach Afghanistan verlegt werden, mindestens aber zwei Brigaden mit je rund 3000 Mann. Im Gegenzug bauen die USA ihre Truppen im Irak weiter ab.