Mit strategischen Schachzügen der Parteien geht der Wahlkampf in Griechenland weiter. Die Konservativen vereinen ihre Kräfte. Tsipras in Berlin.
Athen/Brüssel. Knapp vier Wochen vor den Neuwahlen in Griechenland schließen die Konservativen die Reihen, um klar stärkste Kraft im Parlament zu werden. Die Chefin der kleinen bürgerlichen Partei Demokratische Allianz, Dora Bakogianni, und ihrer Mitstreiter sind am Montag in die konservative Partei Nea Dimokratia (ND) zurückgekehrt. Auch die zweitstärkste Kraft im Parlament, die Linksradikalen, werden aktiv - und zwar im Ausland. Der Chef des Syriza-Bündnisses, Alexis Tsipras, reist nach Paris und Berlin.
Tsipras will sich an diesem Dienstag in Berlin mit der Führung der Linkspartei treffen. Wie die Nachrichtenagentur dpa aus Kreisen seines Linksbündnisses erfuhr, will der 37-Jährige den Schwesterparteien in Deutschland und Frankreich seine Position zum griechischen Sparprogramm erläutern.
Bei den Wahlen am 6. Mai hatten die Konservativen 18, 85 Prozent bekommen. Zweitstärkste Kraft war Syriza mit 16,8 Prozent. Wegen der Zersplitterung der Parteienlandschaft war keine regierungsfähige Mehrheit zustande gekommen. Nun müssen die Griechen am 17. Juni neu wählen.
Bakogianni sagte, das Land müsse jetzt seine Kräfte vereinen, damit die pro-europäischen Kräfte Griechenland auf Kurs halten. Andernfalls könnte das Land alles verlieren, was es in den vergangenen Jahrzehnten erreicht habe. „Uns steht ein harter Kampf bevor“, sagte Bakogianni im Fernsehen.
Der Chef der Konservativen, Antonis Samaras, hieß die Rückkehrer willkommen. „In Momenten, wo das Land vor gewaltigen Gefahren steht, bildet die Nea Dimokratia eine große patriotische Front“, sagte Samaras in Athen. Das Linksbündnis Syriza wolle das Land aus der Eurozone führen. Das würden die europäischen Kräfte in Griechenland nicht erlauben.
Auch ehemalige Abgeordnete der rechtsorientierten Völkischen Orthodoxen Gesamtbewegung (Laos) sollen in den kommenden Tagen in die Mutterpartei Nea Dimokratia zurückkehren.
Nach Umfragen zeichnet sich bei der Neuwahl am 17. Juni ein dramatisches Rennen um den ersten Platz zwischen den Konservativen, die am Reformkurs festhalten wollen, und den radikalen Linken der Syriza ab, die das Sparprogramm auf Eis legen wollen. Die Sozialisten der Pasok könnten als dritte Kraft den Konservativen zur Mehrheit verhelfen.
Die kleine Partei der ehemaligen Außenministerin und Athener Bürgermeisterin Bakogianni, die als eine der wichtigsten pro-europäischen Persönlichkeiten im konservativen Lager gilt, war bei den jüngsten Wahlen mit 2,55 Prozent an der Drei-Prozent-Hürde gescheitert. 2010 war sie aus der Nea Dimokratia ausgeschlossen worden, weil sie sich für das erste Spar- und Reformpaket ausgesprochen hatte. Die ND war damals noch dagegen, heute befürwortet sie das Sparprogramm, fordert aber dringend Maßnahmen für mehr Arbeitsplätze.
Deutschland und Frankreich wollen Griechenland in der Euro-Zone halten. Das unterstrichen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und der neue französische Finanzminister Pierre Moscovici am Montag bei ihrem ersten Treffen in Berlin. An den Vereinbarungen mit Athen könne jedoch nicht gerüttelt werden, sagte Schäuble. Moscovici betonte, Reformen in Athen seien notwendig. Allerdings müssten die Anstrengungen der Griechen auch anerkannt werden. Europa sollte den Griechen in der Rezession starke Signale senden und sie ermutigen.
Nach einer aktuellen Studie verdienen die Griechen derzeit nahezu ein Viertel weniger als noch vor einem Jahr. Der durchschnittliche Nettoverdienst liege inzwischen bei jährlich 13.167 Euro, geht aus der Untersuchung hervor, die die Brüsseler Denkfabrik New Foundation am Montag vorstellte. Damit liegen die Griechen immer noch weit vor den europäischen Schlusslichtern Bulgarien und Rumänien mit durchschnittlichen Nettolöhnen von derzeit 2772 beziehungsweise 3594 Euro pro Jahr. Topverdiener sind die Luxemburger (34.066), gefolgt von den Dänen (28.997), Iren (28 164) und Niederländern (28.004).