Hamburg/Moskau. Der schwarze Schleier liegt eng auf ihrer blassen Haut. Es ist das Gesicht eines Kindes, das in die Kamera blickt. Doch mit der Pistole in ihrer rechten Hand verliert das Foto von Dschennet Abdurachmanowa seine Unschuld.
Polizisten fanden ihren zerfetzten Körper auf dem U-Bahnsteig in der Moskauer Metrostation Lubjanka. Allein dort starben am Montag 20 Menschen. Russische Ermittler sind sich sicher: Die 17 Jahre alte Abdurachmanowa ist eine der beiden Selbstmordattentäterinnen. Die Zeitung "Kommersant" veröffentlichte das Foto von Abdurachmanowa - und gibt den Menschen in Russland ein Gesicht der "Schwarzen Witwen", die seit etwa zehn Jahren eine Reihe von schweren Anschlägen verübt haben.
Doch außer dem Bild ist wenig von der jungen Frau bekannt. Sie soll in Kostek aufgewachsen sein - einem kleinen Dorf im Westen der nordkaukasischen Republik Dagestan. Über den Mann an ihrer Seite weiß man mehr: Umalat Magomedow, der selbst ernannte "Emir von Dagestan" und angeblich einer der engen Vertrauten des islamistischen Rebellenführers Doku Umarow, der sich auf einer Internetseite zu den Anschlägen in der Moskauer Metro bekannt hatte. Die junge Muslimin lernt Magomedow im Internet kennen, als sie gerade 16 Jahre alt ist. Gleich nach dem ersten Treffen soll Abdurachmanowa bei ihm bleiben und mit ihm zusammenleben. Wenige Monate später ist Magomedow tot. Nach Angaben der Ermittler wurde er am 31. Dezember bei Gefechten mit kremltreuen Milizen im Westen Dagestans erschossen. Nach dem Mord an Magomedow sollen radikale Islamisten die 17-Jährige zur "Rache" für ihren Mann gedrängt haben. Bei ihrer Leiche in der U-Bahnstation fanden die Polizisten einen Liebesbrief. "Wir treffen uns im Himmel", stand dort. Auf Arabisch - ein Hinweis, dass Abdurachmanowa im Nahen Osten zur Selbstmordattentäterin ausgebildet wurde. Denn im Nordkaukasus wird selten arabisch gesprochen.
Dort könnte sie auch die zweite Attentäterin getroffen haben. Über ihre Identität besteht noch Unklarheit. Laut "Kommersant" soll es sich um die 20 Jahre alte Marcha Ustarchanowa handeln. Sie war die Ehefrau von Said-Emin Chisrijew. Der Untergrundkämpfer war im vergangenen Oktober während einer Sonderoperation getötet worden. Beide Attentäterinnen waren laut den Ermittlern mit einem Linienbus aus der 1600 Kilometer entfernten dagestanischen Stadt Kisljar unbemerkt nach Moskau gereist.
Fünf Tage nach den Anschlägen spinnt sich das Netz der Ermittler enger. Sie kennen die Gesichter der Attentäterinnen. Doch noch immer suchen die Behörden fieberhaft nach den Hintermännern. Präsident Dmitri Medwedew zeigte sich am Freitag bei einem Treffen mit den Vorsitzenden der Duma-Fraktionen im Kreml überzeugt, "dass die Geheimdienste und das Ermittlungskomitee alles Erforderliche für eine schnelle und gute Ermittlung und die Entlarvung der Täter unternehmen werden". In den "Banditennestern" würde auch weiterhin gegen Terroristen vorgegangen, "um sie dort zu vernichten, wo sie sich befinden, ohne Schwankungen", sagte Medwedew.
Medwedew hatte am Donnerstag überraschend die russische Teilrepublik Dagestan besucht, wo nach den Moskauer Anschlägen vom Montag in der Stadt Kisljar am Mittwoch weitere Attentate zwölf Menschenleben gefordert hatten. Erstaunlicherweise bezeichnete der Kremlchef die Situation in Dagestan, wo seit Jahren ein verdeckter Krieg tobt, dennoch als "hinreichend stabil und ruhig".