Berlin.. Wie wollen die Parteien Deutschland nach der Bundestagswahl verändern? Die Grünen setzen in ihrem Wahlprogramm einen überraschenden Fokus.
Die Grünen wollen nach der Bundestagswahl den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität (OK) massiv verstärken und zu einem Schwerpunkt-Thema machen. „Kriminelle Gruppen bedrohen Menschen mit Gewalt und verursachen wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe“, heißt es im Entwurf des Wahlprogramms der Partei, der unserer Redaktion in Auszügen vorliegt.
Die Auswirkungen der OK seien weltweit zu spüren, sie zersetzten durch Gewalt und Korruption ganze Staaten. Zu den Plänen gehört, die Organisierte Kriminalität härter zu bestrafen, indem der Straftatbestand der kriminellen Vereinigung zu einem „scharfen und zielgenauen Instrument“ weiterentwickelt werde. Die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern sollten ein „Gemeinsames Zentrum Organisierte Kriminalität“ auf gesetzlicher Grundlage einrichten.
Kampf gegen Organisierte Kriminalität: Grüne wollen Polizei stärken
Die zuständigen kriminalpolizeilichen Bereiche des Bundeskriminalamtes, der Bundespolizei und des Zolls wollen die Grünen stärken. Damit solle auch der Gefahr begegnet werden, dass kriminelle Gruppierungen legale Wirtschaftsbereiche wie die Bauwirtschaft oder den Immobilienhandel unterwanderten und so Preise in die Höhe trieben. Doch betont das Wahlprogramm auch, dass nachhaltiges Vorgehen gegen diese kriminellen Aktivitäten nur in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft gelinge und auf Prävention und Aufklärung setzen müsse.
Die Grünen wollen zudem die bestehenden Behörden zu einer schlagkräftigen Finanzpolizei ausbauen, um die Geldwäsche zu bekämpfen. Die wird im Programm als großes Problem beschrieben: „Deutschland wird häufig als Geldwäsche-Paradies bezeichnet. Rund 100 Milliarden Euro aus schweren Straftaten werden jährlich in Deutschland gewaschen.“ Es müsse einfacher werden, Vermögen von Kriminellen einzuziehen. „Wir müssen Kriminelle dort treffen, wo es ihnen weh tut – beim Geld“, heißt es in dem Entwurf. Eine bundesweite Servicestelle solle die Expertise über den Missbrauch von Kryptowährungen bündeln. In ihrem Wahlprogramm kündigen die Grünen ferner an, die Verfolgung schwerer Finanzkriminalität deutlich auszubauen. Steuerschlupflöcher wollen sie schließen, um Betrugsfälle wie Cum-Ex zu verhindern.
Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz sollen besser ausgestattet werden, zugleich soll die europäische Polizeibehörde Europol zu einem Europäischen Kriminalamt mit eigenen operativen Möglichkeiten weiterentwickelt werden. Mit Blick auf terroristische Bedrohungen fordern die Grünen: „Top-Gefährder müssen stets im Blick der Sicherheitsbehörden sein, lückenlos überwacht und wo immer möglich aus dem Verkehr gezogen werden.“ Extremistische Netzwerke müssten von Sicherheitsbehörden intensiv beobachtet und Vereinsverbote konsequent ausgesprochen werden.
Grüne wollen Verfassungsfeinde „konsequent entwaffnen“
Extremisten dürften keine öffentlichen Ämter bekleiden oder in Sicherheitsbehörden tätig seien, Verfassungsfeinde müssten „konsequent entwaffnet werden“. Doch soll frühzeitige Prävention verhindern, dass Menschen überhaupt erst in den Extremismus abrutschen – eine starke Finanzierung entsprechender Programme, aber auch Angebote für Aussteiger müssten dauerhaft über ein Demokratiefördergesetz gesichert werden.
Die Grünen erneuern in dem Wahlprogramm auch ihre Pläne für ein Klimageld. „Alle Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen bekommen zum Ausgleich einen Großteil der Einnahmen der CO2-Bepreisung von Gebäudewärme und Transport als Klimageld zurück.“ Das Klimageld solle in der nächsten Legislatur „so schnell wie möglich“ kommen. Auf die Einführung eines Klimageldes hatte sich eigentlich schon die Ampel-Koalition verständigt, die schnelle Umsetzung scheiterte nach offizieller Darstellung bisher an technischen Hindernissen für die Auszahlung an alle Bürger.
Grünen-Wahlprogramm: Neue Anreize für Kauf von E-Autos
Im Wahlprogramm enthalten ist zudem ein Subventionspaket zur staatlichen Unterstützung beim Kauf eines E-Autos: Vorgesehen sind eine steuerliche Förderung, ein Social-Leasing-Programm für E-Autos und eine Ladekarte für das Tanken an öffentlichen Ladesäule. Mit den neuen Maßnahmen soll der Umstieg auf E-Mobilität vor allem für Menschen mit mittleren und kleinen Einkommen gefördert werden, besonders im ländlichen Raum. Nach einem Konzept des von Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck geführten Bundeswirtschaftsministeriums könnte es als Anreiz zum Kauf von neuen oder gebrachten E-Autos ein staatlich finanziertes Ladestromguthaben von 1000 Euro für das Aufladen an öffentlich zugänglichen Ladesäulen geben.
Der Programmentwurf enthält auch das Ziel dauerhaft günstiger Energieversorgung und die Ankündigung von höheren privaten und öffentlichen Investitionen in Innovation und Infrastruktur. Grünen-Spitzenkandidat Habeck nannte am Sonntag bereits Details zur Finanzierung. Er plädierte in der „Bild am Sonntag“ für eine „Milliardärs-Steuer“. Es gebe in Deutschland „nicht so viele, aber einige Milliardäre, also wirklich Superreiche“, sagte Habeck. Wenn man ihnen einen kleinen Anteil ihres Vermögens besteuern würde, „dann hätte man ungefähr fünf bis sechs Milliarden Euro.“
Mit diesen Einnahmen könne man Schulen sanieren und Ausstattung und Personal der Schulen finanzieren. Der Vizekanzler erklärte, es „wäre super“, die Schulen und Kitas „in den nächsten vier, fünf Jahren gut zu sanieren“. Dafür habe er vorgeschlagen, „in die öffentlichen Einrichtungen durch einen großen Fonds zu investieren“, sagte Habeck.
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