Berlin. Nicht nur die Ampel hat dem Vertrauen in die Politik geschadet. Auch Ängste und Populisten sind eine Gefahr. Nach der Wahl wird es ernst.
Olaf Scholz hat heute die Vertrauensfrage im Bundestag beantragt. Da lohnt es sich, einen Moment darüber nachzudenken, wie es zu diesem Punkt gekommen ist. Seine Ampel-Koalition ist nicht allein daran zerbrochen, dass die FDP eine andere Politik wollte als SPD und Grüne. Die Koalition hat es auch zerrissen, weil das Vertrauen in der Bevölkerung zu den drei Parteien im Verlauf der Legislaturperiode immer geringer geworden ist – und die Akteure damit immer nervöser und misstrauischer.
Dass die FDP schon seit geraumer Zeit den Bruch der Koalition plante, passt in das schlechte Bild, das die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger von dem Ampel-Bündnis hatte. Vertrauen ist ein Vorschuss, den die Wähler Parteien und Politikern gewähren, weil sie sich in guten Händen wähnen. Weil die Bürger daran glauben, dass „die Politik“ erfolgreich für das Wohl des Landes und seiner Menschen handelt – anstatt für den eigenen Vorteil oder aus machttaktischen Erwägungen.
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Am Ende der Ampel ist das Vertrauen in die Politik erschüttert
Am Ende der Ampel-Regierungszeit ist das Vertrauen vieler Menschen in Deutschland in Parteien und Politiker sowie in manche Institutionen des Staates tief erschüttert. Das belegen die Ergebnisse vergangener Landtagswahlen. Zahlreiche Umfragen und Studien kommen ebenfalls zu diesem Fazit. Dazu haben die streitenden Ampel-Parteien, die Querschüsse der FDP, das vermurkste Heizungsgesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck und die vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärte Haushaltsplanung des Kanzlers ihren gewichtigen Teil beigetragen.
Es ist allerdings nicht so, dass die Ampel-Akteure allein für den Vertrauensverlust verantwortlich wären. Die Opposition hat das Recht und die Pflicht, die Regierenden zu kritisieren. Dass aber auch Vertreter der demokratischen Mitte dabei zuletzt der Versuchung erlagen, rhetorisch und argumentativ den ganz groben Hammer zu nutzen, schadet dem Ansehen der Politik ebenfalls. Ganz zu schweigen von den ganz Lauten an den Rändern, die bewusst spalten, weil sie sich Gewinn davon versprechen.
Wir sind eine Gesellschaft unter Stress
Hinzu kommen Entwicklungen, die uns ein Gefühl der Machtlosigkeit vermitteln: Russlands Krieg gegen die Ukraine, der auch unseren Frieden bedroht. Kriege und Krisen am östlichen Ufer des Mittelmeers. Der rasante Aufstieg neuer Mächte wie China, die unseren Einfluss in der Welt schwinden lassen. Der Klimawandel, der unsere Lebensgrundlagen auf diesem Planeten in kaum abzuschätzender Weise zu verändern droht.
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Wir sind eine Gesellschaft unter Stress. Zwar ist Deutschland noch immer eines der wohlhabendsten und sichersten Länder der Erde. Aber wir erleben, dass Züge nicht fahren oder Schwimmbäder schließen und Briefkästen immer seltener geleert werden.
Manche versprechen, dass alles so bleibt, wie es angeblich mal war
Angesichts all dieser Umbrüche haben viele Menschen nicht mehr das Gefühl, dass Politiker Wohlstand, Frieden und Stabilität sichern können. Das Vertrauen fehlt. Nicht wenige wenden sich deswegen Parteien zu, die entgegen aller Rationalität versprechen, dass mit ihnen alles so bleibt, wie es angeblich mal war. Diese Entwicklung ist nicht neu – und in manchen Staaten schon viel weiter fortgeschritten.
Die Wahlgewinner haben deswegen die große Aufgabe, das Vertrauen in die Politik, den Staat und seine Institutionen zurückzugewinnen. Das geht nicht schnell und wird nicht einfach. Wir sollten der künftigen Regierung einen Vertrauensvorschuss gewähren. Den muss sie dann aber nutzen. Es könnte die letzte Chance sein.
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