San Francisco. Die Ukraine lässt sich auf Trumps Friedensplan ein. Jetzt ist Wladimir Putin am Zug: Will er verhandeln oder die Waffen sprechen lassen?
Die faktische Teilung der Ukraine steht im Raum. Präsident Wolodymyr Selenskyj wäre bereit, die Forderung nach Rückgabe der von Russland besetzten Gebiete erst einmal zurückzustellen. Das machte er in einem Interview mit „Sky News“ klar. Damit geht er in einer Kernfrage auf den Friedensplan des designierten US-Präsidenten Donald Trump ein.
Nun ist Kremlchef Wladimir Putin am Zuge. Nach einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte er erklärt, ein mögliches Abkommen zur Beendigung des Ukraine-Krieges müsse die „neuen territorialen Realitäten“ widerspiegeln. Macht er also Halt oder hält er daran fest, die Ukraine zu erobern? Noch steht eine Antwort aus.
Trumps Wahl führte zu einer Klärung. Priorität hat, das Blutvergießen zu beenden. Ihre Souveränität soll die Ukraine aber behalten. Das ist der Handlungsauftrag für den Sondergesandten für die Ukraine und Russland, Keith Kellogg.
Die Gebiete sind weg, aber der Anspruch darauf bleibt
In dem Interview hat Selenskyj zwei Bedingungen genannt, die Russland nicht gefallen. Zum einen will er formalrechtlich keine Gebiete abtreten. Ein solcher Schritt sei nach der ukrainischen Verfassung nicht zulässig. Zum anderen wünscht er sich ein Angebot der Nato: Faktisch nur für den ukrainisch kontrollierten Teil, formal für den gesamten Staat. Selenskyj: „Man kann nicht nur einem Teil eines Landes eine Einladung aussprechen.“
Putin hat die Ukraine auch deswegen überfallen, um eine Westbindung zu verhindern. Es wäre überraschend, wenn er sich jetzt damit abfinden würde. Kellogg stellt die Frage eher zurück – und der Ukraine lediglich Sicherheitsgarantien in Aussicht.
Lesen Sie dazu: Trumps General für den Ukraine-Krieg: So will er ihn beenden
Eine Garantie, dass „Putin nicht zurückkommt“
Alle Beteiligten wissen, worauf Selenskyj hinaus will: Eine Sicherheit, dass „Putin nicht zurückkommt“, wie er sich bei „Sky News“ ausdrückte. Die dürfte er von Putin nicht bekommen; und wenn doch, wäre sie nicht viel Wert, wie die Geschichte zeigt.
Lesen Sie außerdem: Putin, Trump und der Kampf um den Billionen-Schatz
Zum Ende des „Kalten Krieges“ war die Ukraine eine große Atommacht. 1994 hat sie im so genannten „Budapester Memorandum“ auf diese Waffen verzichtet und im Gegenzug die vermeintliche Garantie bekommen, dass Russland ihre Souveränität achtet. Das hat Putin 20 Jahre später nicht daran gehindert, die Krim zu annektieren und 2022 dann die Ukraine zu überfallen.
Heute würde man sich nicht mehr auf eine papierne Zusage verlassen. Unter Sicherheit meint Kellogg eher eine demilitarisierte Zone, eine Friedenstruppe und Waffen, um Russland abzuschrecken.
Selenskyj muss die Nato-Mitgliedschaft anstreben. Zu Beginn von Verhandlungen sind Maximalpositionen legitim. In Wahrheit ist er flexibel. Erst Mitte Oktober sagte er vor dem Parlament, „die Mitgliedschaft in der NATO sei eine Frage der Zukunft, keine der Gegenwart.“ Für die besetzten Gebiete gilt die gleiche Logik.
Nur ein Waffenstillstand, ein eingefrorener Konflikt?
Das Selenskyj-Interview ist lesenswert. Streng genommen ist von einem Frieden gar nicht die Rede. Er spricht davon, die „heiße Phase“ des Krieges zu beenden. Wo es eine heiße Phase gibt, da muss es auch eine kalte Phase geben.
Der Konflikt wird eingefroren. Die Ukraine behält sich vor, auf diplomatischem Wege auf die Rückgabe der russisch besetzen Gebiete zu pochen. Das gestehen ihr die Amerikaner auch zu. Kellogg schrieb im US-Magazin „The National Interest“, „Kiew würde seinen international anerkannten Anspruch auf Souveränität über die gesamte Ukraine aufrechterhalten.“
Auch interessant: „Koalition der Willigen“: Pläne für Konfrontation mit Putin
Für ein Ende der „heißen Phase“ braucht man einen Waffenstillstand, der ein Zeitfenster für Gespräche schafft. Man braucht nicht zwingend einen Friedensvertrag. Im Korea gibt es bis heute keinen Friedensvertrag, der Waffenstillstand hält seit 1953. So ähnlich, so heiß, so brisant muss man sich eine künftige Nahtstelle zwischen der Ukraine und Russland vorstellen – nach über 1.000 Tagen und wohl Hunderttausenden Toten.
Worin man ein Wetterleuchten sehen kann
Die Dinge geraten allmählich in Bewegung. Ein Wetterleuchten macht man fest an
- Kelloggs Ernennung;
- Putins Signale (Trump werde sicher „eine Lösung finden“);
- seine Taten: massive Angriffe, um vor Verhandlungen die Front zu begradigen;
- der Ankündigung des amtierenden US-Präsidenten Joe Biden, die Ukraine mit dem erklärten Ziel zu unterstützen, sie „in eine gute Verhandlungsposition zu bringen“;
- Selenskyjs jüngstes Interview.
Die weiteste Strecke legt der Mann aus Kiew zurück. Seine Beweggründe hat er im Interview erläutert: „Wir müssen mit dem neuen Präsidenten zusammenarbeiten“, um „den größten Unterstützer zu haben“. Er wolle mit Trump zusammenarbeiten, „weil die Menschen in seinem Umfeld unterschiedliche Ansichten haben.“
Selenskyj weiß, dass aus den USA kein besseres Angebot als Trumps sogenannter Friedensplan kommen wird. Putin wird sich wiederum fragen, wie er am ehesten seine Ziele erreichen kann, an der Front oder am Verhandlungstisch mit den USA? Die Antwort hängt davon ab, in wie weit Trump bereit, die Ukraine militärisch maximal zu unterstützt, wenn Putin ernsthafte Gespräche ablehnt.
Das könnte Sie auch interessieren: Trump trägt Waffenhilfe mit: Plötzlich an Selenskyjs Seite?
- Schaurige Zahlen: Für jeden Quadratkilometer fallen 53 Russen
- Gefallene: Hat sich Putins Vize-Verteidigungsministerin verplappert?
- Kinder verschleppt: Spur führt zu Putin – Bericht schockiert
- Friedensmission: Bundeswehr-Einsatz in der Ukraine? Baerbock befeuert Debatte