Berlin. Nancy Faeser mahnt kurz vor dem Advent zu „Wachsamkeit“, aber verunsichert damit mehr, als dass sie konkrete Sicherheit schafft

Deutschland erlebt mehr Gewaltkriminalität, das ist eine traurige Wahrheit, die Bürgerinnen und Bürger schon lange verstanden haben. Berlin, Solingen, Mannheim, – die Liste blutiger Verbrechen mit islamistischem Hintergrund ist über die Jahre lang geworden. Das Land lebt mit dieser neuen Form von Gewalt und muss auf den Staat vertrauen, dass er diese Gefahr bekämpft und größtmöglichen Schutz bietet.

Jetzt meldet sich die Bundesinnenministerin kurz vor dem 1. Advent zu Wort und mahnt öffentlich zu „großer Wachsamkeit“ auf den Weihnachtsmärkten. Damit kann sie nicht ihre Polizisten gemeint haben, denn hier sichern die Landespolizeien. Es geht offenbar allgemein um Behörden und Mitmenschen. Zwar gebe es keine konkreten Hinweise, aber die Weihnachtsmärkte seien ein „ideologisch geeignetes Ziel für islamistisch motivierte Personen“, so Faeser.

Was heißt das jetzt für Eltern, die ihre Kinder am Wochenende ins Karussell setzen, Bratäpfel kaufen und den Weihnachtsmarkt gemütlich am Glühweinstand ausklingen lassen? Sollen sie jeden Dreitagebart mit verdächtigem Rucksack besser im Auge behalten? Oder dem Weihnachtsmann misstrauen, weil unterm roten Mantel der Taliban lauern könnte?

Wir leben in Zeiten, in denen wir alle grundsätzlich wachsam sein müssen

Solche Warnungen ohne konkreten Verdacht oder Handlungsanweisungen sind nur geeignet, die Menschen zu verunsichern. Das hat schon Ex-Innenminister de Maizière geschafft, der ein Fußballstadion räumen ließ und auf Fragen dazu öffentlich schwurbelte, „ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern“. Die war am Ende auch verunsichert, aber nur weil der Minister ihr einen Schreck eingejagt hatte.

Jörg Quoos, Chef der FUNKE Zentralredaktion.
Jörg Quoos, Chef der FUNKE Zentralredaktion. © Privat | Privat

Klar ist: Wir leben in Zeiten, in denen wir alle grundsätzlich wachsam sein müssen. Aber Angst darf nicht pauschal geschürt werden oder gar unseren Alltag bestimmen. Wenn das so wäre, hätten die Feinde unserer Gesellschaft schon gewonnen.