Brüssel. Die EU-Kommission macht Druck für Rauchverbote im Schwimmbad, Biergarten, an Bushaltestellen. Doch in Brüssel und Berlin gibt es Widerstand.
Seit dem Spätsommer drohten Rauchern in Deutschland und der EU härtere Zeiten: Ein Rauchverbot auch im Freien, etwa verpflichtend im Schwimmbad, an Bushaltestellen oder im Biergarten, schien immer mehr Befürworter zu haben.
Doch am Donnerstag stoppte das EU-Parlament überraschend die Pläne, der Vorstoß bekam keine Mehrheit. Eine schmerzliche Niederlage für die Kommissionspräsidentin und ausgebildete Ärztin Ursula von der Leyen, die mit ihrem Team den brisanten Vorstoß auf den Weg gebracht hatte. „Europa ist hier gar nicht zuständig“, schimpfte der CDU-Abgeordnete Daniel Caspary, der die Gruppe der deutschen Unions-Abgeordneten leitet.
Rauchverbot: Eine Klatsche für die Kommission
Wäre es nach der Kommission gegangen, sollte Rauchen „an fast allen Orten des öffentlichen Lebens nicht mehr erlaubt sein – also auch in Parks, auf Weihnachtsmärkten, Außenflächen von Restaurants oder Bars oder an Stränden“, beschwerte sich Caspary. Das, so empörte sich der Parteifreund von der Leyens, „hat nur noch wenig mit Gesundheitsschutz zu tun, aber viel mit Bevormundung“.
Eine Klatsche für die Kommission, deren Vorhaben verspätet für einige Aufregung auch hierzulande gesorgt hatte. Nach den im September vorgestellten Plänen sollten vor allem Kinder und Jugendliche in wichtigen Außenbereichen vor den Gefahren des Passivrauchens geschützt werden. Rauchverbote sollen deshalb Freizeitzonen im Freien umfassen, in denen sich oft Kinder aufhalten – etwa Spielplätze oder Vergnügungsparks.
Zugleich sollten Außenbereiche von Krankenhäusern, Bildungseinrichtungen und anderen öffentlichen Gebäuden sowie Bahnhöfe und Bushaltestellen zu rauchfreien Zonen erklärt werden, ebenso Terrassen und andere Freiluftbereiche von Bars, Restaurants und Cafés. „In Außen- und Halbaußenräumen besteht häufig eine sehr erhebliche Belastung durch Passivrauch und Aerosole“, hieß es zur Begründung.
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Mit dem Vorstoß auf EU-Ebene wollte die Kommission eine Debatte eröffnen – ein neues Rauchverbot hätte in Brüssel aber gar nicht beschlossen werden können. Denn für den Gesundheitsschutz ist die Europäische Union überhaupt nicht zuständig, das ist allein Sache der Mitgliedstaaten. Nur sie können Rauchverbote verhängen. Das Plädoyer für eine Ausweitung wäre deshalb lediglich eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten, ihre Gesetze zu überarbeiten und zu verschärfen – nach eigenem Ermessen.
Rauchverbote: Diese Regeln gelten schon in Deutschland
In Deutschland gibt es die Verbote zum Teil schon heute: Für Spielplätze hierzulande zum Beispiel haben viele Bundesländer und eine Reihe von Städten schon ein Rauchverbot erlassen. Auch in vielen Freibädern ist Rauchen längst nur noch in bestimmten Bereichen erlaubt. Und auf Bahnhöfen sind die Glimmstängel sowieso schon seit langer Zeit tabu.
Weitere Verbote in Deutschland sind bislang nicht in Sicht: Noch vor dem EU-Parlament haben hierzulande die Bundesländer bereits Bedenken angemeldet. Die geplante massive Einschränkung von Plätzen im Freien, an denen das Rauchen erlaubt bliebe, gehe zu weit, die wissenschaftliche Grundlage sei nicht klar, erklärte vergangene Woche der Bundesrat in einer Stellungnahme an die Brüsseler Kommission. Es werde zwischen so unterschiedlichen Freiflächen wie Kinderspielplätzen, zeitweilig stark frequentierten Außenterrassen von Bars und Restaurants oder auch Schuleingängen nicht differenziert.
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Mit dem Votum des EU-Parlaments haben die Brüsseler Überlegungen nun einen schweren Dämpfer erhalten, was nicht heißt, dass einzelne Mitgliedstaaten sie nicht doch noch umsetzen. Gleichzeitig gibt es im Parlament nun aber neuen Krach zwischen den Fraktionen der Mitte: Denn eigentlich hatte ein gemeinsamer Antrag von Christ- und Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen vorgesehen, die Kommissionspläne im Grundsatz zu unterstützen. Erst ganz kurzfristig zog die christdemokratische EVP-Fraktion als stärkste Kraft im Parlament ihre Zusage zurück und stand damit zusammen mit Rechtsaußen-Parteien gegen den Vorschlag.
Der Gesundheitsexperte der Sozialdemokraten, Timo Wölken, sagte: „Es ist zynisch und skandalös, dass die EVP die Krebsursache Nummer eins nicht bekämpfen will und stattdessen auf die Rhetorik der Tabaklobby hereinfällt. Sie loben den EU-Plan zur Krebsbekämpfung, stimmen aber gegen jede Maßnahme, die zu seiner Umsetzung beitragen würde.“
Das Ziel: eine „tabakfreie Generation“
Die scheidende EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides hatten die Ausweitung der Rauchverbote so begründet: „Jedes Jahr verlieren in der EU 700.000 Menschen ihr Leben durch Tabakkonsum, darunter Zehntausende durch Passivrauchen. In einer Europäischen Gesundheitsunion haben wir die Pflicht, unsere Bürger, insbesondere Kinder und Jugendliche, vor der Belastung durch schädlichen Rauch und Emissionen zu schützen.“
Ginge es nach der EU-Kommission, sollten deshalb auch neue Produkte wie erhitzte Tabakprodukte (HTPs) und E-Zigaretten, die zunehmend junge Konsumenten erreichten, überall in Europa in bestehende Verbote aufgenommen werden. Doch auch dagegen wendet sich eine Mehrheit des EU-Parlaments. „Die Kommission sollte den Vorschlag zu rauch- und aerosolfreien Umgebungen zurückziehen und gründlich überarbeiten“, forderte der gesundheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Peter Liese (CDU).
Die EU-Kommission hat sich indes selbst unter großen Druck gesetzt: Von der Leyen und ihr Team haben bereits das Ziel ausgegeben, zur Krebsbekämpfung bis 2040 eine „tabakfreie Generation“ zu fördern. In anderthalb Jahrzehnten sollten nur noch fünf Prozent der Europäer rauchen – heute sind es nach Kommissionsangaben allerdings noch immer etwa 25 Prozent.
Die Zigarettenlobby war ohnehin auf den Barrikaden: Der Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse (BVTE) erklärte, Tabakrauch werde außerhalb geschlossener Räume in der Umgebungsluft sehr schnell verdünnt. Als Nächstes müssen sich jetzt die EU-Mitgliedstaaten zu der Empfehlung positionieren. Eine Abstimmung ist für den 3. Dezember geplant, aber ohne Unterstützung des EU-Parlaments ist der Vorstoß nicht mehr viel wert.