Berlin. Lange war Deutschland der Ansicht, keine Schutzräume mehr zu brauchen. Mit Russlands Angriff auf die Ukraine hat sich das geändert.
Im Angesicht des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine trifft der deutsche Staat verstärkt Vorkehrungen, um die Bürger hierzulande gegen mögliche Angriffe mit Bomben oder Raketen zu schützen. Wie das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) am Montag auf Anfrage bestätigte, arbeitet es derzeit an einem neuen Bunker-Schutzplan für die Bundesrepublik.
Es geht nach Angaben einer Sprecherin unter anderem um eine möglichst systematische Erfassung von öffentlichen Gebäuden und privaten Immobilien, die als öffentliche Zufluchtsorte infrage kommen. Das können beispielsweise Liegenschaften von Behörden, U-Bahnhöfe oder Tiefgaragen sein. Das BBK will auch „Handlungsempfehlungen für die kurzfristige bauliche Ertüchtigung von Selbstschutzräumen, insbesondere in Kellern“ erstellen.
Schutzräume: Lokalisierung per Handy-App denkbar
Untersucht wird, wie möglichst flächendeckend Selbstschutzräume geschaffen werden können. Die gewonnenen Daten sollen gegebenenfalls in ein elektronisches Verzeichnis einfließen, das es den Bürgern im Ernstfall ermöglichen würde, nahegelegene Räume über ihre Mobiltelefone zu ermitteln. Das könne beispielsweise über eine App geschehen, teilte die Bonner Behörde mit. Zunächst hatte die „Bild“-Zeitung berichtet. Die genannten Aktivitäten der Behörde gehen auf einen Beschluss der Innenminister von Bund und Ländern aus dem vergangenen Juni zurück. Diese hatten sich ehedem auf die Grundzüge eines „nationalen Schutzraumkonzeptes“ verständigt. Die konkrete Ausgestaltung obliegt jetzt einer Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Länder.
All das gehört zur Neuausrichtung der deutschen Sicherheitspolitik – also jenem grundlegenden Kurswechsel, den Kanzler Olaf Scholz (SPD) seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 als „Zeitenwende“ bezeichnet. Unter dem Eindruck der Ereignisse stoppte der Bund ehedem auch die Entwidmung von öffentlichen Schutzräumen für den Verteidigungsfall.
Fünfzehn Jahre zuvor hatten Bund und Länder beschlossen, dass derartige Einrichtungen nicht mehr dauerhaft vorgehalten werden sollen. In der Folge nahm ihre Zahl stetig ab. „Von ursprünglich 2.000 öffentlichen Schutzräumen in Deutschland sind derzeit noch 579 öffentliche Schutzräume mit rund 480.000 Schutzplätzen formal zu Zwecken des Zivilschutzes gewidmet“, teilte ein Sprecher von Bundesinnenminister Nancy Faeser (SPD) am Montag auf Anfrage mit. Der Bund selbst ist in der Regel nicht Eigentümer von Schutzräumen. Sie gehören üblicherweise Privateigentümern oder den Kommunen. Das spezielle Nutzungsrecht wird über einen Grundbucheintrag abgesichert.
Bunker-Plan: Flächendeckender Neubau von Großanlagen nicht in Sicht
Nach dem Willen von Bund und Ländern soll die Zahl der Schutzräume und -plätze in absehbarer Zeit wieder deutlich steigen. Vorrang haben dabei Maßnahmen, die im Gebäudebestand schnell umgesetzt werden können. Eine flächendeckende Bereitstellung von öffentlichen Schutzräumen für mehrere Hundert oder gar Tausend Menschen, vergleichbar mit den markanten Hochbunkern aus dem Zweiten Weltkrieg, sei dabei nicht das Mittel der Wahl, heißt es in Berlin. Planung und Bau würden zu lange dauern, auch das Aufsuchen derartiger Schutzräume sei zu aufwändig. Außerdem könnten sie selbst zum Ziel von Angriffen werden.
- Schaurige Zahlen: Für jeden Quadratkilometer fallen 53 Russen
- Gefallene: Hat sich Putins Vize-Verteidigungsministerin verplappert?
- Kinder verschleppt: Spur führt zu Putin – Bericht schockiert
- Friedensmission: Bundeswehr-Einsatz in der Ukraine? Baerbock befeuert Debatte