Berlin. Ex-Gesundheitsminister Spahn erzählt im Podcast, wie die Bedrohungen während Corona sein Leben und das seiner Familie verändert haben.
„Es gab so Tage“, sagt der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), „da habe ich morgens beim Verlassen des Hauses gesagt: ‚Ich weiß nicht, ob ich heute Abend noch im Amt bin.‘“ Spahn war der zuständige Minister während der größten Gesundheitskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Er habe während der Corona-Pandemie Entscheidungen verantwortet, bei denen es „um Leben und Tod“ ging, sagt er im Podcast „Meine schwerste Entscheidung“ der FUNKE MEDIENGRUPPE.
Seine schwerwiegendste Entscheidung sei gewesen, bei der Organisation von Maskenkäufen oder der Beschaffung von Beatmungsgeräten selbst zum Telefonhörer zu greifen. An manchen Tagen, sagt Spahn, habe er mit seinem Mann, Daniel Funke, durchgespielt, was sie machen würden, wenn er von jetzt auf gleich sein Amt verlieren würde: „Und dann haben wir einfach überlegt und ein bisschen rumgesponnen, ob reisen oder sonst was.“ Das habe ihm geholfen, den Kopf freizubekommen und ihm innere Ruhe gegeben.
Jens Spahn im Podcast: „Er ist ein guter Ratgeber“
Im Podcast spricht Jens Spahn darüber, wie er die Krisenzeit persönlich erlebt hat und wie wichtig sein Mann für ihn in dieser Zeit war: „Natürlich ist der Partner wichtig, mein Mann, weil natürlich wir auch über die Dinge reden“, sagt der CDU-Politiker. „Es gibt ja den Begriff der Pillow-Influence, abends im Bettchen liegend auf dem Kissen sozusagen, wenn man mal über Themen spricht, hat das natürlich auch einen Einfluss. Und ich muss sagen, er ist in vielerlei Hinsicht auch ein guter Ratgeber für mich.“
Auf die Frage, ob sein Amt für seinen Mann und seine Familie zeitweise belastend war, antwortet Spahn: „Für meinen Mann sicher.“ In der Pandemie sei die Bedrohungslage „sehr real“ gewesen. Sein Mann habe die Bedrohung auch selbst erlebt, sagt Spahn. Während der Pandemie hätten sie gemeinsam zum Ausgleich am Wochenende häufig lange Spaziergänge im Berliner Umland gemacht. „Und da haben wir auch erlebt, dass Leute auf einmal aggressiv mich angegangen sind – und ihn.“ Sein Mann sei durchaus auch „blöd angesprochen“ worden, wenn er alleine unterwegs war: „Ich habe manchmal zu meinem Mann gesagt, stell dir mal vor, wir hätten gerade Kinder auf der Schule mit meinem Nachnamen. Weißt du, was die wahrscheinlich erleben würden?“ Sogar Spahns Eltern bekamen zeitweise Unterstützung von der Polizei, nachdem deren Adresse öffentlich geworden war.
Der frühere Minister berichtet im Podcast auch über den Hass, der ihm bis heute entgegenschlägt. „Ich habe gar kein Twitter mehr auf dem Handy, weil jedes Mal, wenn irgendwas ist, da ja gleich die Shitstorms und Beschimpfungen, Hass, Hetze losgehen“, sagt er.
Bedrohliche Situationen: „Was machst du eigentlich, wenn jetzt hier einer durchdreht?“
Noch heute erlebe Jens Spahn bedrohliche Situationen. Im Gespräch schilderte er eine Zugfahrt. Ein großgewachsener, kräftiger Mann habe sich zu ihm umgedreht und gesagt: „Dass Sie es überhaupt wagen, hier zu laufen.“ Der CDU-Politiker weiter: „Ich hatte dann, als ich dann im Zug saß, manchmal so gedacht: Was machst du eigentlich, wenn der jetzt von hinten irgendwie in seiner Aggressivität irgendwas macht? Also, es gibt schon so Momente, wo ich mich jetzt nicht beklemmt fühle oder unsicher, aber wo ich manchmal darüber nachdenke, was machst du eigentlich, wenn jetzt hier einer gewaltsam durchdreht?“
„Wenn du den ganzen Tag darüber nachdenkst, wirst du auch irgendwie bekloppt.“
Er müsse in solchen Situationen immer an die Ermordung des Sohnes von Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker denken. Der Chefarzt Fritz von Weizsäcker war 2019 von einem psychisch kranken Attentäter niedergestochen worden, der offenbar Rache für Entscheidungen seines Vaters nehmen wollte. Bei Themen wie Impfen oder dem Lockdown habe es eine sehr große Emotionalität gegeben, so Spahn. Der Fall Weizsäcker beschäftige ihn, weil er zeige, dass eine Bedrohung auch lange nach Amtsende noch bestehen kann. Aber vor solchen Attentaten könnte man sich nicht schützen, so Spahn. „Und wenn du den ganzen Tag darüber nachdenkst, wirst du auch irgendwie bekloppt.“
Im Podcast „Meine schwerste Entscheidung“ spricht Spahn außerdem darüber:
- Was seine schwersten Entscheidungen während der Corona-Krise waren und welche er heute anders fällen würde.
- Was die größte Enttäuschung seines politischen Lebens war und wem er nur schwer deshalb verzeihen kann.
- Wie er die Corona-Pandemie politisch aufarbeiten möchte.
- Warum er nicht glaubt, dass Ärzte die besseren Gesundheitsminister sind.
Den Podcast „Meine schwerste Entscheidung“ können Sie hier hören und auf allen gängigen Streaming-Plattformen wie Spotify oder Apple Podcast. Neue Folgen erscheinen jeden zweiten Donnerstag. Bisher veröffentlicht: