Berlin. In der ARD-Sendung „Caren Miosga“ verrät Scholz eine Neuigkeit. Über Kontrahent Merz sagt er: „Ich finde mich etwas cooler“.
Olaf Scholz steht vor einem Scherbenhaufen: Seine Ampel-Regierung liegt in Trümmern und bisher ist unklar, wie es im Land weitergeht. Am Sonntagabend bekommt der Noch-Kanzler die Gelegenheit, direkt nach dem „Tatort“ in der ARD-Sendung „Caren Miosga“ den Bürgerinnen und Bürgern zu erklären, was in den kommenden Tagen und Wochen passieren wird. Doch Antworten liefert der SPD-Politiker nur bedingt. Immerhin zeigte sich Scholz offen für einen neuen Zeitplan.
Seit dem Rauswurf von Finanzminister Christian Lindner und dem Bruch seines Ampel-Bündnisses am Mittwochabend ist die Talksendung in der ARD das erste Mal, dass Scholz länger Rede und Antwort steht. Miosga befragte ihren alleinigen Gast zunächst noch einmal ausführlich, wie es zum finalen Bruch der Ampel kam. Scholz nimmt die Vorlage gerne an und erläutert erneut, bei wem er die Schuld sieht: bei dem FDP-Vorsitzenden.
Scholz über Frust mit Lindner: „Das hat sich lange aufgebaut“
Scholz‘ Sicht der Dinge ist bekannt: Er habe sich unermüdlich um einen Kompromiss bemüht, damit seine Regierung sich auf einen Haushalt für das kommende Jahr einigt. Dafür wollte Scholz die Schuldenbremse aussetzen, um rund 15 Milliarden Euro Kredite zur Unterstützung der Ukraine aufzunehmen. Lindner habe aber blockiert und wollte stattdessen Renten kürzen, kritisiert der Sozialdemokrat. Das habe er dem Land und den Bürgerinnen und Bürgern nicht zumuten können.
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Der Kanzler lässt zudem erstmals etwas tiefer in seine Seele blicken: Scholz berichtet, dass er schon in früheren Momenten an Lindner gezweifelt und an ein Ende der Koalition gedacht habe. „Das hat sich lange aufgebaut“, gesteht Scholz. „Ich habe es ertragen, dass ich für den Kompromiss immer wieder gute Miene zu einem ziemlich bösen Spiel gemacht habe.“ Der Kanzler fügt hinzu: „Aber wenn es zu Ende ist, dann muss es auch zu Ende sein.“
Kanzler erinnert daran, wie Lindner ihn im Urlaub verärgerte
Scholz macht damit erneut deutlich, dass er dem FDP-Politiker einen schlechten Stil vorwirft. Als Beispiel nennt Scholz den vergangenen Sommer, als Lindner inmitten des Urlaubs des Kanzlers einen vorher geschlossenen Haushaltsplan – aus der Sicht von Scholz fälschlicherweise – öffentlich als rechtlich nicht machbar abkanzelte. Das habe ihn „damals schon sehr aufgeregt“, erzählt Scholz.
Seine eigene Wutrede am Mittwochabend zum Ampel-Aus rechtfertigt der Kanzler: „Es war anständig, klar und deutlich und für alle Bürgerinnen und Bürger sehr verstehbar.“ Kritiker hatten Scholz vorgeworfen, seine öffentliche Abrechnung mit Lindner sei stillos und einem Kanzler nicht würdig gewesen.
Miosga fragt nach Scholz‘ Anteil am Ampel-Aus: Seine Antwort lässt tief blicken
Was denn sein Anteil am Scheitern der Regierung sei, will Miosga von ihrem Gast wissen. Nun ist Scholz nicht unbedingt für Selbstkritik bekannt – daran ändert sich auch nach dieser Sendung nichts. „Ich bin überzeugt, dass ich alles dafür getan habe, dass es geht“, beteuert der SPD-Politiker. Es sei aber nicht möglich gewesen, den öffentlichen Streit in der Regierung zu beenden. Scholz gleicht in dem Moment einem Bewerber, der im Vorstellungsgespräch auf die Frage nach seiner größten Schwäche antwortet: Ich bin zu ehrgeizig.
Miosga hakt nach und fragt nach persönlichen Fehlern. „Niemand macht immer alles richtig“, beginnt Scholz. Er habe sich immer wieder um Konsens und Kompromisse bemüht. „Das kann man mir vorwerfen, das akzeptiere ich auch.“ Selbstkritik von Scholz? Nicht an diesem Abend.
Ob der vorzeitige Bruch der Regierung für ihn eine persönliche Niederlage sei, will Miosga wissen. „Das gefällt mir nicht, ich hätte das gerne anders gehabt“, sagt der Noch-Kanzler, der nach den aktuellen Umfragen nicht mit einer Wiederwahl rechnen kann.
Die Grünen sind Scholz‘ letzte Verbündete
Eine Neuigkeit kitzelt Miosga dem Kanzler immerhin noch in der Frage heraus, wann er im Parlament die Vertrauensfrage stellt. Da Scholz nur noch über eine Restregierung verfügt, wird er diese absehbar verlieren. Damit wird der Weg für vorgezogene Neuwahlen frei.
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Scholz hatte am Mittwochabend angekündigt, die Vertrauensfrage im Bundestag am 15. Januar zu stellen, sodass im März gewählt werden könne. Somit vergingen mindestens noch vier Monate bis zu einer vorgezogenen Bundestagswahl. Der SPD-Politiker begründete den Zeitplan damit, dass vorher noch wichtige Gesetzesvorhaben im Bundestag beschlossen werden sollten.
Scholz zu Vertrauensfrage vor Weihnachten bereit
Da Scholz keine Mehrheit im Bundestag mehr hinter sich hat, ist er dafür auf die Mithilfe der FDP oder der oppositionellen Union angewiesen. Doch der Plan geht nicht auf: Sowohl CDU/CSU als auch Lindner und die FDP haben dem Kanzler eine Absage erteilt und fordern ihn auf, erst einmal die Vertrauensfrage zu stellen – und zwar schnell – bevor über verbleibende Gesetzesvorhaben geredet werde. Auch die Grünen, Scholz‘ letzte Verbündete, wünschen sich einen schnelleren Zeitplan.
CDU-Chef Friedrich Merz verlangt von Scholz sogar, die Vertrauensfrage bereits am Mittwoch zu stellen, wenn der Kanzler ohnehin eine Regierungserklärung im Bundestag hält. Der Frage nach dem konkreten Datum weicht Scholz aus, er zeigt sich jedoch erstmals dazu bereit, die noch vor Weihnachten die Vertrauensfrage zu stellen.
Scholz warnt aber auch mit Erinnerung an Berliner Pannenwahl
„Dass ich noch vor Weihnachten die Vertrauensfrage stelle, wenn das alle gemeinsam so sehen, ist für mich überhaupt kein Problem“, sagt Scholz und verweist auf Gespräche zwischen dem Oppositionsführer, Unionsfraktionschef Merz, und dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich.
„Ich sage ausdrücklich, darauf, wo sich das Parlament verständigt, die Abgeordneten von Regierung und Opposition, insbesondere die demokratischen Parteien: Davon werde ich ausgehen und das möglich machen.“ Wann damit konkret Wahlen stattfinden könnten, lässt Scholz jedoch offen.
Scholz warnt allerdings, dass ein Urnengang ausreichend Zeit zur Vorbereitung benötige: „Niemand von uns, Sie nicht, ich nicht, sonst auch niemand, möchte, dass irgendwas passiert, wie in Berlin, dass wir Wahlen wiederholen müssen“, spielt der Kanzler auf die Pannenwahl in der Hauptstadt 2021 an, als in Berliner Wahllokalen vieles drunter und drüber ging. Zudem müssten die Bürgerinnen und Bürger Zeit bekommen, sich zu überlegen, wen sie wählen wollen.
Scholz über Merz: „Ich finde mich cooler“
Die SPD und der Kanzler stehen im Verdacht, einen späteren Wahltermin auch deshalb zu bevorzugen, weil sie damit mehr Zeit für Wahlkampf und zur Verbesserung ihrer Zustimmungswerte haben. Ob er denn sicher sei, dass er wieder der Kanzlerkandidat der SPD werde, fragt Miosga: „Ja“, antwortet Scholz hanseatisch knapp. Ob er jemals daran Zweifel gehabt habe? Antwort Scholz: „Nein.“
Scholz macht abschließend deutlich, dass er CDU-Chef Merz weiterhin als guten Gegner für sich halte: In Charakter und Temperamt seien die Unterschiede groß. „Ich finde mich etwas cooler, wenn es um Staatsangelegenheiten geht.“
Die Taktik der SPD für den Wahlkampf ist damit beschrieben: besonnener Scholz gegen hitzköpfigen Merz. Bliebt nun abzuwarten, wer sich in der Frage des Wahltermins durchsetzt.
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