Berlin. Sozialdemokrat und Investmentbanker: Olaf Scholz betraut einen seiner engsten Mitarbeiter damit, das Geld der Deutschen zu verwalten.
Der Finanzminister Christian Lindner ist Geschichte, am Nachmittag hat der FDP-Chef vom Bundespräsidenten seine Entlassungsurkunde erhalten. Eines war Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag besonders wichtig: Die Finanzmärkte und die Partner in Europa sowie dem Rest der Welt sollten rechtzeitig erfahren, dass das Bundesfinanzministerium in den bevorstehenden Monaten des Übergangs unter kundiger Leitung stehen wird. Es geht, wenn man so will, um die Sicherung der Kreditwürdigkeit – an den Märkten und in der internationalen Finanzpolitik.
Also ließ Scholz gleich am Morgen die wichtigste Personalie ventilieren – noch bevor feststand, wer die anderen ausgeschiedenen FDP-Minister ersetzt: Jörg Kukies, beamteter Staatssekretär im Bundeskanzleramt, wird von dort ins Finanzministerium an der Berliner Wilhelmstraße wechseln und zumindest für eine Übergangszeit Deutschlands oberster Hüter des Geldes sein.
Jörg Kukies: Im Finanzministerium kennt er sich bestens aus
Kukies gehört zum engsten Kreis um Olaf Scholz, der breiten Öffentlichkeit ist er kaum bekannt. Er diente dem Kanzler bislang als Berater für Wirtschafts- und Europapolitik. Außerdem war er dessen Sherpa, also Chef-Unterhändler für die G7- und G20-Gipfel. Scholz‘ Staatssekretär war Kukies bereits, als der heutige Kanzler unter Angela Merkel (CDU) selbst Finanzminister war. Kukies kennt sich im Haus also bestens aus.
Der 56-Jährige ist eine schillernde Figur, Leute wie ihn gibt es selten im deutschen Regierungsbetrieb. Er gehört nämlich zu denen, die es eigentlich gar nicht nötig haben, Politik zu machen, und wirtschaftlich vollkommen unabhängig sind. Kukies ist ein reicher Mann und könnte locker auf sein Staatssekretärsgehalt von rund 16.000 Euro pro Monat plus Zulagen verzichten. Denn bevor Scholz ihn 2018 nach Berlin holte, war der promovierte Ökonom Deutschland-Chef und Partner der Investmentbank Goldman Sachs mit Sitz in Frankfurt am Main. Er dürfte dort etliche Millionen Euro verdient haben.
Für Linke sind Investmentbanker die Inkarnation des Bösen: Die Finanz-Profis befassen sich bekanntlich unter anderem damit, Fusionen und Übernahmen von Unternehmen einzufädeln und Firmen an die Börse zu bringen. Oft geht es um Transaktionen, bei denen Milliarden fließen – und natürlich entsprechende Provisionen. Als Kukies 2018 in die Politik wechselte, war die Erinnerung an die Finanz- und Eurokrise noch frisch. Sie hatte ihren Ursprung in gierigen Banken. Damals war zu hören, da werde ja wohl der Bock zum Gärtner gemacht.
Aber obwohl Jörg Kukies ein Mann des Großkapitals ist, ist er auch immer Sozialdemokrat gewesen. Der Kontakt brach nie ab. Anfang der 1990er Jahre saß Kukies den linken Jusos in Rheinland-Pfalz vor. In diesem Amt war er Vorgänger einer gewissen Andrea Nahles, die später Bundesarbeitsministerin und SPD-Chefin wurde und heute die Bundesagentur für Arbeit leitet. Kukies hat in Mainz, Paris und Harvard studiert und in Chicago in Finanzwissenschaften promoviert. Er ist ein Weltbürger durch und durch.
Vor Neuwahlen: Es geht vor allem um die Verwaltung des laufenden Geschäfts
Große Dinge wird Kukies im Finanzministerium bis zu Neuwahlen freilich nicht mehr bewegen können. Es geht eher darum, das laufende Geschäft zu verwalten. Und Scholz will auch noch einige Projekte durchsetzen, etwa steuerliche Entlastungen für Arbeitnehmer und die Stabilisierung der Renten. Bei beidem wird Kukies gefordert sein.
Der Kanzler will zudem gemeinsam mit der Union Klarheit schaffen, wie Sicherheit und Verteidigung in den kommenden Jahren finanziert werden. Es geht auch um die weitere Unterstützung der Ukraine. Sollte sich die Union bereit erklären, jenseits der Schuldenbremse dafür noch einmal zusätzliche Kredite aufzunehmen, müsste Kukies ebenfalls ran.
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