Washington. Donald Trump behauptete, dass Einwanderer in Springfield Haustiere verspeisen. Jetzt müssen haitianische Bürger um ihr Leben fürchten.
Bombendrohungen in Schulen und Kindergärten. Droh-Aufzüge rechtsradikaler „Proud Boys” und Einwanderer, die um ihr Leben fürchten – Springfield kommt nicht zur Ruhe. Seit Donald Trump und sein Vize-Präsidentschaftskandidat J.D. Vance in der Arbeiter-Stadt im Bundesstaat Ohio aus wahlkampf-taktischen Gründen Haustiere essende Einwanderer aus Haiti erfunden haben, ist der Ort im Ausnahmezustand.
Am Sonntag wurde der Campus der Wittenberg-Universität gesperrt. Anonyme Anrufer hatten mit einer Schießerei gedroht. Haitianer, die über Anfeindungen und Beleidigungen klagen, gehen kaum mehr auf die Straße. Bürgermeister Rob Rue legt Extra-Schichten ein, um nationalen wie auswärtigen Medienvertretern zu versichern: „Wir brauchen Hilfe, keinen Hass. Hunde und Katzen in Springfield sind sicher.”
Alle Versuche von Polizei und Kommunalpolitik, der als rassistisch empfundenen Attacke Trumps durch eindeutige Dementis den Sauerstoff zu entziehen, sind bisher gescheitert. Auch dass Ohios Gouverneur Mike DeWine, ein Republikaner wie Trump, vor die Kamera des Senders CBS trat und dem Anführer seiner Partei offen die Unwahrheit vorwarf, verhallte.
Schnelle Verbreitung über X: 70 Prozent der Trump-Anhänger glauben die Mär von den Katzenfressern
Ein Grund laut „Washington Post”: Auf reichweitenstarken Portalen wie X (früher Twitter) lässt Besitzer Elon Musk Verschwörungserzähler ungestraft weiter an der Geschichte stricken. Was Trump und Vance dazu anstachelt, ihren migrantenfeindlichen Äußerungen noch eins draufzusetzen. Umfragen haben ergeben, dass 70 Prozent der Trump-Anhänger die Mär von den Katzenfressern glauben.
Der Kern geht dabei verloren: Das lange Jahre darbende Springfield, schlechte Ökonomie, viele Wegzüge, erlebte zuletzt einen Boom. Maßgeblich ausgelöst durch rund 15.000 in kurzer Zeit zugezogene Haitianer, die in den Fabriken als „sehr, sehr hart arbeitende Menschen” (Gouverneur DeWine) gern gesehen sind, die Geschäfte und Restaurants eröffnet haben.
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Allein, die Infrastruktur des Städtchens, das bei Trumps Ausscheiden aus dem Amt 2021 weniger als 60.000 Einwohner besaß, kommt da nicht mit. Ergebnis: Wohnungsmangel, Engpässe beim Arzt-Besuch, fehlende Plätze in Kitas und Schulen. Konsequenz: Unmut in der Stammbevölkerung, die für einwanderungskritische Töne, wie Trump sie seit Monaten kultiviert, empfänglich ist.
Erika Lee verbreitete die Lüge über Haitianer in den sozialen Medien – heute tue es ihr Leid
Als dann plötzlich im August durch einen von einem Haitianer verursachten Auto-Unfall ein Kind in einem Schulbus starb, lief das Fass über. Vize-Präsidentschaftskandidat J.D. Vance erklärte, der Junge sei „ermordet” worden. Dass die Eltern des 11-jährigen Aidan sich verbitten, ihren Sohn als „politisches Werkzeug” zu benutzen, ging beinahe unter.
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Ebenso, dass Bürgerin Erika Lee öffentlich zurückruderte. Sie war es, die zuerst in sozialen Medien kundtat, dass Haitianer Haustiere verspeisten. Jetzt stellte sich heraus: Eine Nachbarin hatte es ihr erzählt. Aus eigener Anschauung wusste sie gar nichts. Den von ihr ausgelösten Tsunami falscher Nachrichten bereut sie heute zutiefst.
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Das Weiße Haus warnt. Desinformation, sagt Regierungssprecherin Karine Jean- Pierre, die selbst haitianische Wurzeln hat, „kann gefährliche Konsequenzen haben”. Alle Appelle an Trump und Vance, nicht noch weiter Öl ins Feuer zu gießen, waren bisher fruchtlos. Trump kündigte an, im Falle eines Wahlsieges bei den Haitianern in Springfield mit den versprochenen Massen-Deportationen illegaler Einwanderer zu beginnen. „Wir werden sie rausschaffen, nach Venezuela,” sagte der Ex-Präsident.
Abgesehen von dem schweren geografischen Fauxpas: Die meisten Haitianer in Springfield haben temporäre Aufenthaltserlaubnisse. Sie sind vollkommen legal in Amerika.
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