Hamburg. Bundestagsabgeordnete spricht von „Stasi-Manier“ und zeigt Parteispitze an. Ihr Büro sei illegal betreten, womöglich durchsucht worden.

Was sich derzeit unter Linken in Hamburg abspielt, könnte mit etwas Fantasie an den berühmten Watergate-Skandal in den 1970er-Jahren erinnern. Damals brachen in den USA bekanntlich mehrere Männer in die Zentrale der demokratischen Partei ein, um Wanzen zu installieren und Dokumente zu fotografieren. Später stellte sich heraus, dass Mitstreiter des republikanischen Präsidenten Richard Nixon dahintersteckten.

Nun geht es bei Hamburgs Linken natürlich ein paar Nummern kleiner zu als in Washington – und ein weiterer Unterschied kommt hinzu: In Hamburg sollen dubiose Methoden nicht etwa beim Kampf mit dem politischen Gegner eingesetzt worden sein, sondern womöglich im Kleinkrieg zwischen den Flügeln. Der Vorwurf, den die Hamburger Linken-Bundestagsabgeordnete und frühere Parteisprecherin Żaklin Nastić gegen ihre eigenen Parteifreunde erhebt, ist jedenfalls nicht von Pappe.

Eklat bei Linken: Büro der eigenen Abgeordneten widerrechtlich durchstöbert?

So sollen Mitglieder der Parteiführung (womöglich wiederholt) widerrechtlich ihr Hamburger Büro betreten haben. Sie müsse „leider davon ausgehen“, dass dabei auch ihre Unterlagen durchgesehen worden seien, sagte Nastić dem Abendblatt. „Meine Vermieterin, die Bürgerschaftsfraktion, hat nach Stasi-Manier ohne mein Wissen Schlüssel zu meinem Büro weitergegeben und Dritten, mindestens dem Landesgeschäftsführer, Zugang zu meinem Büro verschafft“, so Nastić.

„Bereits vor Monaten habe ich den Landesvorstand und die Spitze der Bürgerschaftsfraktion um Aufklärung strafrechtlich relevanten Verhaltens gegenüber mir und meinem Büro in der Landesgeschäftsstelle gebeten – ohne bis heute eine Reaktion von ihnen als politisch Verantwortliche erhalten zu haben.“

Fraktion und Landesparteispitze weigerten sich bis heute, „für diese unfassbaren und strafrechtlich relevanten Vorgänge Verantwortung zu übernehmen“, so Nastić. Daher habe sie bereits im April Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs erstattet – gegen Linken-Landesgeschäftsführer Christoph Timann, gegen Ko-Geschäftsführerin Margret Geitner und gegen unbekannt.

Sahra Wagenknecht: Debatte über ihre Rolle sorgt für Riss in der Partei

Hintergrund des neuerlichen Eklats bei den Hamburger Linken ist der Streit über die Zukunft der ebenso prominenten wie umstrittenen Linken-Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht. Der Bundesvorstand hatte Wagenknecht am Wochenende nahegelegt, ihr Mandat niederzulegen, auch weil sie immer wieder öffentlich mit der Gründung einer konkurrierenden Partei liebäugle. Die Hamburger Bundestagsabgeordnete Nastić gilt als eine Anhängerin Wagenknechts – der Hamburger Landesvorstand dagegen ganz und gar nicht.

Am vergangenen Sonntag hatte der geschäftsführende Hamburger Linkenvorstand um Sabine Ritter und Thomas Iwan nun auch der eigenen Bundestagsabgeordneten Nastić nahegelegt, ihr Mandat zurückzugeben. Die Bundespartei habe „alle Bundestagsabgeordneten“ aufgefordert, „die an konkurrierenden Parteiprojekten arbeiten, ihr Mandat niederzulegen“, heißt es in einer Erklärung.

„Dieser Beschluss geht auch an unsere Hamburger Bundestagsabgeordnete Żaklin Nastić, um ihr die Gelegenheit zu geben, sich zur Frage einer Mandatsniederlegung vor dem Hintergrund der auch ihr geltenden Aufforderung des Parteivorstands zu verhalten.“

Bundestag: Hamburger Abgeordnete soll Mandat niederlegen – und attackiert Vorstand

Nastić reagierte verärgert. „Von dem Beschluss des geschäftsführenden Landesvorstandes habe ich über Twitter erfahren“, sagte sie dem Abendblatt. „Er wurde zuerst auf Social Media verbreitet und mir erst danach via Mail vom Landesgeschäftsführer zur Kenntnis geschickt.“ Dieser Vorgang reihe sich „nahtlos in den allgemeinen Umgang des Landesvorstands mit mir ein“, so Nastić weiter.

„Dieser und vor allem seine Sprecher, deren Job es eigentlich wäre, die gesamte Partei zu vertreten, haben nie mit mir Kontakt aufgenommen, mich stattdessen aber über Hamburger Medien wiederholt unter anderem als ,rechtsoffen’ diffamiert.“

Es mute „paradox“ an, dass „ausgerechnet der geschäftsführende Landesvorstand Hamburg den Beschluss des Bundesvorstands zu Sahra Wagenknecht begrüßt und behauptet, dieser fördere ,Geschlossenheit, Solidarität und ein klares Profil’. Denn derselbe geschäftsführende Landesvorstand grenzt seit seiner Wahl nicht unwesentliche Teile der Partei in Hamburg systematisch aus.“

Eklat bei Linken in Hamburg: Vorstand weist Vorwürfe von Zaklin Nastić zurück

Der Hamburger Landesgeschäftsführer Christoph Timann hat die Vorwürfe von Nastić im Gespräch mit dem Abendblatt zurückgewiesen. Es habe „seit vielen Jahren die Absprache gegeben, dass die Fraktion als Vermieterin der Räume einen Schlüssel hat“, so Timann. Diesen habe er für Notfälle verwahrt und auch Post in Nastić’ Büro gebracht.

Einmal habe er zusammen mit seinem Mitarbeiter ein sehr großes Paket in das Büro getragen. Daraus wolle Nastić nun einen Skandal konstruieren. Im Übrigen sei es Nastić selbst, die jeden Kontakt zur neu gewählten Parteiführung verweigere. Sie sei auf Gesprächsbitten des neuen Vorstands nicht eingegangen und bisher auch zu keiner Sitzung des Landesvorstands erschienen – obwohl sie immer eingeladen werde.

Hamburger Bündnis „Konkret LinX“ gegen Zaklin Nastić

Mit dem Eklat ist der die gesamte Linke gefährdende Flügelstreit nun erneut auch in Hamburg eskaliert. Im Laufe des vergangenen Jahres hatte sich die Lage innerhalb der Hamburger Linkspartei zunächst ein wenig beruhigt – nachdem sich ein starkes Bündnis aus den großen Strömungen der Bewegungslinken und der Reformer unter dem Namen „Konkret LinX“ zusammengefunden und beim entscheidenden Parteitag klar durchgesetzt hatte.

Seither bestimmt dieser eher pragmatisch orientierte Teil der Partei die Richtung, dem auch die meisten Mitglieder der Bürgerschaftsfraktion angehören – die Bundestagsabgeordnete Nastić aber nicht.