Hamburg. Nato-Oberbefehlshaber und OSZE-Generalsekretärin kamen mit klarer Botschaft ins Rathaus. Welche Rolle Hamburg im Krieg spielt.
Eines jedenfalls wird sich am edlen Matthiae-Mahl niemals ändern, solange es im Rathaus kredenzt wird: Es wird immer das „älteste, heute noch begangene Festmahl der Welt“ bleiben. So jedenfalls präsentiert der Hamburger Senat Jahr für Jahr das festliche Ereignis, das mit gut 200 Jahren Pause bereits seit 1365 rund um den 24. Februar gefeiert wird – den Matthias-Tag, der im Mittelalter als Frühlingsbeginn galt.
Zu diesem Anlass lädt der Senat seither traditionell „Vertreter der Hamburg freundlich gesonnenen Mächte“ zu einem Festmahl ein.Auch in diesem Jahr wurde für die rund 400 Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur sowie das gesamte Konsularische Korps dabei ordentlich aufgetischt: Die 20 Köche und 80 Kellner servierten laut vorab verbreiteter Menükarte im ersten Gang „Variation aus Fluss und Meer“, danach gab es „geschmortes Kalbs-Bäckchen mit Perigord-Trüffel“, zum Nachtisch „Lübecker Marzipan-Küchlein mit kandierten Walnüssen“.
Matthiae-Mahl: Tschentscher versichert fortdauernde Unterstützung der Ukraine
So richtig festlich war aber trotz aller Köstlichkeiten wohl kaum einem der Gäste zumute. Denn diesmal stand das Matthiae-Mahl nach zwei Jahren Corona-Pause ganz im Zeichen einer anderen Weltkrise: dem Krieg in der Ukraine. Als Ehrengäste in den Großen Festsaal des Rathauses geladen waren passend dazu die Generalsekretärin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Helga Schmid, und Nato-Oberbefehlshaber Christopher Cavoli.
„Das Matthiae-Mahl steht für Hamburgs Tradition als weltoffene Hafen- und Handelsstadt, die in ihrer Verfassung den Anspruch formuliert, im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt zu sein“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zur Begrüßung. „Doch seit einem Jahr herrscht Krieg in Europa. Der Angriff Russlands auf die Ukraine ist ein schwerer Bruch des Völkerrechts, den wir als einen Rückfall in Zeiten des Imperialismus sehen müssen.“
Der russische Präsident habe kürzlich deutlich gemacht, „dass die Angriffe Russlands weitergehen“, so Tschentscher. „Solange dies der Fall ist, werden auch Deutschland, werden unsere Partner in Europa und der Nato die Ukraine dabei unterstützen, ihr durch Artikel 51 der UN-Charta legitimiertes Recht auf Selbstverteidigung auszuüben.“
Putin sorgte vor knapp 30 Jahren für den einzigen Skandal in der Geschichte des Matthiae-Mahls
Einige ältere Teilnehmer des Mahls mögen sich bei dieser Gelegenheit an den Eklat erinnert haben, den der heutige russische Präsident Putin einmal bei einem früheren Matthiae-Mahl auslöste. Als im Jahr 1994 der damalige estnische Ministerpräsident Lennart Meri in seiner Rede davor warnte, dass die Russen die Vorherrschaft im Osten anstrebten, soll Putin seine Serviette entrüstet auf den Tisch geworfen haben. Hernach sei er, so berichteten es Augenzeugen, „mit durchgedrückten Knien, einen verächtlichen Blick auf den Gastgeber werfend, aus dem Saal marschiert – jeder Schritt begleitet vom Knarzen des Parketts“.
Bis heute gilt dieser Ausfall Putins, der seinerzeit als Vertreter der Partnerstadt Sankt Petersburg in Hamburg weilte, als einziger echter Eklat in der Geschichte des Matthiae-Mahls.
OSZE-Generalsekretärin erinnert an Traditionen der Hanse
Bürgermeister Tschentscher ging in seiner Rede auf diesen Vorfall nicht ein. Er betonte jedoch, Hamburg übernehme auch in diesen schweren Zeiten wichtige Funktionen. So seien hier wichtige Einrichtungen der Bundeswehr angesiedelt – und der Hafen sei „als Logistikknotenpunkt für die Sicherheit Deutschlands und unsere Krisenresilienz von nationaler Bedeutung“, sagte der Bürgermeister. Zudem habe man „Erfahrung aus der Zeit der Hanse“, in der man sich auch „gemeinsam gegen Angriffe auf See geschützt hat“.
Auch OSZE-Generalsekretärin Schmid sprach in ihrer Rede nach der Vorspeise die Hanse an – als Bündnis, in dem Vertrauen geschaffen wurde, ähnlich wie in der 1995 gegründeten OSZE. Es hätten fast 30 Jahre lang „relative Stabilität und Frieden“ im OSZE-Raum geherrscht, so Schmid. Zwar habe es auch Konflikte und Kriege gegeben, aber „nie einen Angriffskrieg von diesem Ausmaß“ wie nun in der Ukraine. Russland habe „Übereinkommen mutwillig und einseitig verletzt“, was „viele nicht für möglich gehalten“ hätten.
Matthiae-Mahl: Oberbefehlshaber versichert Abschreckungswirkung der Nato
Nato-Oberbefehlshaber Cavoli sprach nach dem Hauptgang. Deutschland liege ihm sehr am Herzen, er sei in Würzburg geboren, so Cavoli. „Unsere Welt aber hat sich am 24. Februar letzen Jahres verändert. Russland hat einen brutalen Einmarsch in die Ukraine gestartet und so viele unserer Annahmen über die Welt auf den Kopf gestellt.“
Der sichere Glaube an das friedliche Zusammenleben sei erschüttert worden, die Welt und Europa seien „entsetzt“ gewesen. Die Nato aber habe sofort reagiert und ihre Truppen aufgestockt. Ihre schnell entwickelte neue Haltung sei „sehr effektiv“ gewesen – und habe Russland abgeschreckt, den Krieg über die Ukraine hinaus auszudehnen.
Später gab es noch einen Mokka.