Hamburg. Die Hamburger Linken-Fraktionschefin fordert die Überwindung des Kapitalismus und warnt vor einer Spaltung ihrer Partei.
Weil Co-Bürgerschafts-Fraktionschefin Cansu Özdemir nach der Geburt ihres Sohnes noch nicht wieder in das politische Tagesgeschäft eingestiegen ist, stand Sabine Boeddinghaus im Abendblatt-Sommerinterview allein Rede und Antwort.
„Fünf vor zwölf“ sei es für ihre von internen Konflikten erschütterte Partei, sagt die Bildungspolitikerin, die für Hamburg einen Härtefallfonds zum Ausgleich von Inflation und hohen Energiepreisen fordert und ihren Rückzug aus der Politik zur Wahl 2025 ankündigt.
Hamburger Linken-Fraktionschefin zu Seximus-Vorwürfen
Hamburger Abendblatt: Frau Boeddinghaus, die Linke wurde von Sexismus-Vorwürfen erschüttert, es gibt nicht endende Flügelkämpfe, und nun hat der Hamburger Parteichef Taheri seinen eigenen Genossen Rassismus vorgeworfen. Ist die Linke bei dieser intensiven Selbstbeschäftigung überhaupt noch politikfähig?
Sabine Boeddinghaus: Natürlich sind wir politikfähig. Aber wir sind jetzt auch in der Verpflichtung, das unter Beweis zu stellen. Wir sehen ja, dass wir kein gutes Ansehen haben, dass wir als zerstritten wahrgenommen werden, dass unsere Pluralität eher als eine Vielstimmigkeit wahrgenommen wird. Auf Hamburg bezogen kann ich versichern, dass allen Vorwürfen von Sexismus oder Rassismus immer nachgegangen wird - und zwar mit großer Ernsthaftigkeit. Aber die Vorwürfe müssen konkret sein, sonst können wir nicht handeln.
Herr Taheri hat ja von Vorfällen im geschäftsführenden Vorstand gesprochen und auch gesagt, er habe schon länger auf Missstände hingewiesen, es sei aber nichts geschehen. Wie kommt er zu dieser Aussage?
Boeddinghaus: Das müssen Sie ihn fragen. Wir werden das auch intern noch besprechen. Für die nächste Landesvorstandssitzung gibt es einen entsprechenden Antrag. Für die Klärung solcher Vorwürfe sind die Parteigremien ja auch da. Ich werde dazu weiter öffentlich nicht Stellung nehmen. Wir haben im Bund und in Hamburg dafür gesorgt, dass es neutrale Ansprechpersonen für Vorwürfe von sexuellen Übergriffen oder Rassismus gibt. Umso bedauerlicher finde ich es, wenn unkonkrete Vorwürfe öffentlich erhoben werden, auf die man ja dann in Wahrheit gar nicht reagieren kann.
Boeddinghaus: Uneinigkeit zur Impfdebatte in der Partei
Die Fraktion ist ja auch betroffen. Im Februar ist der langjährige Abgeordnete Mehmet Yildiz aus der Fraktion ausgetreten und hat massive Vorwürfe gegen Sie und den Fraktionsvorstand erhoben. Er sprach von Mobbing und Rassismus. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Boeddinghaus: Ich kann mit Fug und Recht sagen, dass wir mit Mehmet Yildiz unzählige Gespräche geführt haben, immer wenn er mit solchen Problemstellungen an uns herangetreten ist. Ich kann aber auch sagen, dass er sich in dieser Wahlperiode nicht mehr an Fraktionssitzungen beteiligt hat und dazu noch ganz schwer für uns erreichbar war. Ich habe mit Herrn Yildiz lange sehr gut zusammengearbeitet, aber es gab Ereignisse, die uns auseinander getrieben haben. Auch Corona hat dabei eine wichtige Rolle gespielt.
Wobei ging es da genau?
Boeddinghaus: Es ist ja bekannt, dass wir eine unterschiedliche Haltung zum Impfen hatten. Wir haben ja als Hamburger Linke eigene Impftermine für die Menschen organisiert und das ist kritisiert worden.
Im Abendblatt hat vor Kurzem Ex-Handelskammer-Vizepräses Torsten Teichert nach knapp 100 Tagen Mitgliedschaft mit Ihrer Partei abgerechnet. “In keiner anderen Organisation habe ich ein solches Ausmaß an verlogener Selbstgerechtigkeit und erbarmungsloser Diffamierung erlebt”, schrieb Teichert. Hat er völlig Unrecht?
Boeddinghaus: Er hat jedes Recht, die Dinge so zu bewerten,. Ich persönlich hatte überhaupt keinen Kontakt mit ihm. Er hat sich niemals an den Fraktionsvorstand gewandt, um möglicherweise klärende Gespräche zu führen. Ich kann nur sagen: Aus meiner Perspektive kann ich nicht nachvollziehen, was er sagt. Das spielt wohl auch in Bereiche rein, die nicht politisch zu bewerten sind. Er ist zur Delegiertenwahl angetreten und nicht gewählt worden. Ich würde mich in so einer Situation erstmal selber fragen: Warum bin ich nicht gewählt worden?
Boeddinghaus fordert Ende interner Konflikte
Wie viel Ihrer Arbeitszeit müssen Sie auf die Beschäftigung mit parteiinternen Konflikten verwenden und wie viel bleibt für die eigentliche politische Arbeit zum Beispiel in der Bürgerschaft?
Boeddinghaus: Es bleibt uns genug Zeit für die politische Arbeit. Daraus ziehe ich überhaupt meine Motivation und meine Kraft. Ich sehe mich als Fraktionsvorsitzende auch in der Pflicht, Mitverantwortung für die ganze Partei zu übernehmen. Wir sind gerade an einem Punkt, wo wir als Linke verstehen müssen, dass wir gebraucht werden. Die Menschen erwarten von uns, dass wir uns zusammenraufen und unseren internen Streit beenden.
Die Linksfraktion in der Bürgerschaft macht im Wesentlichen eine pragmatische, reformerische Politik, die auch der linke SPD-Flügel und zum Teil die Grünen unterstützen könnten. Ist das für Sie eine halbwegs korrekte Beschreibung?
Boeddinghaus: Das Wort Reform ist ja missverständlich. Wenn das so ausgelegt wird, dass wir uns eher anpassen, dass wir die Vision aus dem Auge verlieren, also das Ziel eines demokratischen Sozialismus und einer anderen Gesellschaft, dann ist es falsch. Aber natürlich arbeiten wir im Parlament ganz real mit den Themen, die da sind, die Rot-Grün uns präsentiert und die wir selber setzen.
Ein Beispiel: Wir haben in der letzten Wahlperiode ein inklusives Schulgesetz gemacht. Das zeigt, dass man sich eine großen Vision, nämlich inklusiver Politik für alle, in kleinen, konkreten Schritten annähern kann. Eine Vision widerspricht sich also nicht mit kleinen realpolitischen Verbesserungen im Konkreten. Denn wir machen das alles ja für Menschen, die darauf angewiesen sind, dass sich ihr Leben verbessert.
Boeddinghaus will Kapitalimus überwinden
Bleibt die Überwindung des Kapitalismus denn das Ziel der Linken in all ihren Flügeln?
Boeddinghaus: Absolut. Der Kapitalismus ist ja nirgends festgeschrieben, auch das Grundgesetz fordert, dass man mit Eigentum verantwortungsvoll umgeht. Was wir gerade erleben sind ja schreckliche Auswüchse des Kapitalismus.
Streit gibt es bei Linken darüber, ob man zur Überwindung des Kapitalismus eine Revolution braucht - oder ob man mit den von Ihnen beschriebenen kleinen Schritten das Ziel einer anderen Gesellschaft erreicht. Was glauben Sie?
Boeddinghaus: Wir müssen Mehrheiten dafür bekommen. Daran müssen wir arbeiten, daran muss die gesamte gesellschaftliche Linke arbeiten. Das scheint derzeit gerade eher schwierig zu sein.
Wenn man sich die Arbeit im Parlament ansieht, wirkt die Linke wie eine „Ein-bisschen-mehr“-SPD. Mindestlohn wollen SPD und Linke, die Linke will ein bisschen mehr. Gute Sozialpolitik wollen beide, die Linke ein bisschen mehr. Wo ist denn dann im Kern der Unterschied zur SPD?
Boeddinghaus: Gerade im Punkt Sozialpolitik und Bekämpfung der Armut sind wir komplett mit der SPD im Dissens. Die SPD macht im Grunde karitative Sozialpolitik wie ein Wohlfahrtsverband, der Arme unterstützt – und das noch unzulänglich. Aber ein Senat muss in der Lage sein, Armut so zu bekämpfen, dass sie nicht mehr stattfindet. Ich bin überzeugt, dass Armut gewollt ist.
Linken-Chefin will gegen Kinderarmut vorgehen
Ist das schon die Systemfrage?
Boeddinghaus: Ja. Unser kapitalistisches System lebt von oben und unten. Wenn man nicht an die Reichen ran will, muss man die Armut quasi in Kauf nehmen. Hier stehen wir absolut im Gegensatz zur SPD. Wir wollen, dass alle Menschen in Würde leben. Derzeit aber haben wir Kinderarmut auf einem hohen Niveau in einer reichen Stadt wie Hamburg.
Wir haben mittlerweile bundesweite 13,8 Prozent Menschen, die armutsgefährdet sind, bzw. in Armut leben. Und dann wird zwar an kleinen Stellschrauben gedreht, aber es wird nichts Wesentliches so verändert, dass alle Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Das wäre eine absolute Systemveränderung.
Was müssten die ersten Schritte in diese Richtung sein?
Boeddinghaus: Auf jeden Fall eine gute Bezahlung. Und da sind 12 Euro Mindestlohn nicht ausreichend. Es muss eine gute Betreuung und Bildung für alle geben. Kinder dürfen nicht darunter leiden, wenn ihre Eltern arbeitslos sind. Die Kindergrundsicherung hätte schon vor 100 Jahren kommen müssen, jetzt ist sie wieder verschoben worden, möglicherweise auf 2025. Das ist ein Skandal. Alle diese Mittel, die jetzt in Aufrüstung gehen, müssen aus unserer Sicht u.a. in Armutsbekämpfung gehen, in gute Bildung, in gute Gesundheit usw.
Boeddinghaus kritisiert SPD und Grüne
Sind der weitgehend kostenlose Kitabesuch und die Organisation des schulischen Ganztags in Hamburg nichts?
Boeddinghaus: Das ist sehr viel, im Bundesvergleich allemal. Aber die Ganztägige Bildung und Betreuung an Schulen (GBS) ist letztlich ein Sparmodell, das System ist nicht durchdacht. Und fünf Stunden Kita kostenlos sind zwar super. Aber ich verfolge keine Politik, in der ich sage: Die Schuldenbremse definiert, was möglich ist oder welche Bedarfe es gibt. In Wirklichkeit gehen die Bedarfe weit über das Maß hinaus, was bisher angeboten wird. Es reicht also nicht. Das sagen wir nicht, weil das irgendwie in der Genetik der Linken liegt, immer „Reicht aber nicht“ zu sagen, sondern weil wir uns die echten Bedarfe genau ansehen. Und das erwarten die Menschen auch von uns.
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Da liegt natürlich die Frage nahe, warum Sie nicht massenhaft gewählt werden.
Boeddinghaus: Da haben Sie vollkommen recht, daran arbeiten wir.
Sie haben eben gesagt, Armut sei gewollt, also letztlich auch von der im Bund und in Hamburg regierenden SPD. Über so eine Aussage könnten SPD-Mitglieder ziemlich wütend sein.
Boeddinghaus: Ich meine nicht, dass einzelne Abgeordnete Armut gutheißen. Aber Armut ist eine Seite der Medaille in diesem System. Wenn Sie nicht an die Reichen herangehen, etwa mit einer Vermögensabgabe oder einer gerechten Steuerpolitik, dann akzeptieren Sie damit auch die Armut. Aber statt hier etwas zu ändern, lassen sich SPD und Grüne im Bund von FDP-Chef Lindner am Nasenring durch die Manege führen.
Die Kindergrundsicherung wird verschoben und beim Bürgergeld als Hartz IV-Ersatz ist unklar, was dabei herauskommt. Tempo 120 auf Autobahnen als super Beitrag zum Energiesparen und für den Klimaschutz kommt nicht. Wird alles nicht gemacht, weil Lindner das nicht will.
Eine Regierungsbeteiligung der Linken wurde in Hamburg, anders als in anderen Ländern, niemals in Erwägung gezogen. Von keiner Seite. Woran liegt das? Und könnte sich das aus Ihrer Sicht irgendwann ändern?
Boeddinghaus: Regierungsbeteiligung oder Opposition ist kein Selbstzweck, sondern muss sich ableiten von Machtoptionen und von realen Rahmenbedingungen. Als Olaf Scholz Bürgermeister war, haben wir einen Beschluss gefasst, der eine Regierungsbeteiligung ausschloss. Ich habe aber einen Prozess durchgemacht und kann anerkennen, dass wir zum Beispiel mit einem linken Ministerpräsidenten wie in Thüringen eine fortschrittliche Politik für die Verbesserung der Lebensverhältnisse machen können. Die Frage ist immer, inwieweit man dafür bereit ist, Kompromisse einzugehen.
Linke-Partei sieht sich in Oppositionspflicht
In Hamburg war eine Regierungsbeteiligung der Linken nie in Sicht, es gab nie Sondierungen. Warum?
Boeddinghaus: Hier waren die Verhältnisse lange klar mit einer sehr starken und dominanten SPD. Wir haben nie von irgendjemandem aus der SPD ein Zeichen bekommen, sich einmal zu treffen. Da gibt es überhaupt keine Ambition. Warum sollen wir uns da anbiedern? Wir sind wichtig als linke Opposition in der Bürgerschaft. Wer soll das denn sonst machen?
Was sind gerade jetzt die größten Schwächen des rot-grünen Senats, wo Sie als Opposition einhaken wollen?
Boeddinghaus: Was jetzt konkret ansteht, sind die Inflation und die hohen Energiepreise und Mieten, die auf viele, viele Menschen zukommen. Das betrifft nicht nur Menschen im Sozialleistungsbezug, sondern auch kleine und mittlere Einkommen. Da erwarten wir vom rot-grünen Senat, dass es jetzt einen Härtefallfonds gibt, ähnlich wie in München, Berlin oder anderen Bundesländern.
Gespeist werden sollte der Fonds aus einem Sondervermögen, wie es der Senat in der Corona-Pandemie aufgelegt hat. Und die Schuldenbremse sollte weiter ausgesetzt werden. Viele Menschen haben Angst vor dem Winter, ihre Wohnungen zu verlieren oder in ungeheizten Wohnungen zu sitzen. Da muss jetzt schnell etwas geschehen, sonst verstärkt sich die Armutsspirale ins Unermessliche. Ich fürchte, dass es dann zu großen sozialen Auseinandersetzungen kommt.
Linke tragen Uneinigkeiten nach außen
Die Wahlergebnisse der Linken sind insgesamt nicht gut. Vielleicht liegt das auch daran, dass Wählerinnen und Wähler nicht genau wissen, was sie bekommen, wenn sie Ihre Partei wählen.
Boeddinghaus: Stimmt. Auch das haben wir erkannt. Aber wenn man eine sozialere Republik will, braucht man uns.
Kann es sein, dass dieses bei der Gründung breite Bündnis, das von Kommunisten bis zu ursozialdemokratischen und grünen Reformern reichte, heute nicht mehr trägt, dass es unehrlich ist, das noch zusammenhalten zu wollen?
Boeddinghaus: Erst einmal bin ich sehr froh darüber, dass es uns gelungen ist, auf unserem Bundesparteitag klare Beschlüsse mit großer Mehrheit zu fassen. Das braucht eine Partei als Orientierungsrahmen. Dass es darüber hinaus ganz unterschiedliche Anschauungen und Einschätzungen gibt, ist kein Alleinstellungsmerkmal der Linken.
Aber die Positionen bei den Linken liegen schon sehr weit auseinander.
Boeddinghaus: Wir schaffen es im Moment, dass alles sehr gut nach außen zu tragen. Das ist ein Unding. Aber die Beschlüsse auf Bundesebene haben schon etwas Ruhe hineingebracht. In Hamburg werden wir im September unseren neuen Landesvorstand wählen. Auch bei uns gibt es einen sehr konstruktiven Prozess. Ich bin sehr guter Hoffnung, dass wir das schaffen.
Problem der Linken: Debattenkultur
Ist das, was wir gerade bei Ihrer Partei erleben, so etwas wie eine Häutung wie früher bei den Grünen, als sich die Fundis verabschiedeten oder herausgedrängt wurden und die Realpolitiker blieben?
Boeddinghaus: Ich mag diese Zuschreibung als Realpolitikerin gar nicht. Es kann sein, dass sich Genossinnen und Genossen nach den Erfurter Beschlüssen noch einmal überlegen, ob das noch ihre Partei ist. Das ist völlig legitim. Ich hoffe, dass das intern läuft und nicht bei Facebook veranstaltet wird.
Wenn es im Herbst dazu kommt, dass eine neue Partei oder eine neue Bewegung gegründet wird oder es heißt, wir treten aus, dann nehme ich das zur Kenntnis. Dann müssen wir sehen, welche Auswirkungen das für uns in Hamburg hat. In der Zivilgesellschaft kann es uns nur voranbringen, wenn wir wieder klarer, geeinter und fokussierter auftreten.
Auch in Hamburg gibt es ja viele Gruppen und Grüppchen innerhalb der Linken – Bewegungslinke, Reformer, Quo Vadis, Sozialistische Linke, Liste Links, die kommunistische Plattform und auch noch sogenannte “Anti-Deutsche”. Haben Sie noch einen Überblick, wie viele Strömungen es gibt?
Boeddinghaus: Mein Eindruck ist, dass unser Landesverband nicht so stark von den unterschiedlichen Strömungen dominiert wird. Aber unser Problem ist unsere Debattenkultur, daran müssen wir arbeiten. Wir müssen Räume schaffen für kontroverse Diskussionen, die trotzdem mit Respekt geführt werden. Das hört sich jetzt so wohlerzogen an, aber das ist wirklich ein großes Problem. Viele Kräfte in der Partei wollen nicht überzeugen oder sich austauschen, sondern einfach nur belehren. Das funktioniert nicht.
Welcher Strömung gehören Sie denn an?
Boeddinghaus: Keiner. Ich bin eine Seiteneinsteigerin.
Sie gehören der Strömung der Wohlerzogenen an...
Boeddinghaus: (lacht) Ich bin Mutter von fünf Söhnen, und ich kann auch mal ganz gut Klartext reden. Aber ich habe eine Funktion, ich bin Fraktionsvorsitzende. Ich muss mir die Dinge fünfmal überlegen und kann eben nicht einfach draufhauen. Ich habe Verantwortung und muss versuchen zu integrieren. Ganz ehrlich, ich würde auch mal ganz gern unerwachsen etwas posten oder schreiben.
Glauben Sie, dass es die Linke in der jetzigen Form zur Bürgerschaftswahl 2025 noch geben wird?
Boeddinghaus: Wir arbeiten hart daran. Die allermeisten bei uns haben verstanden, dass es Fünf vor Zwölf ist und wir uns besinnen müssen. Gerhard Trabert, 2021 unser Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, hat auf dem Bundesparteitag sehr eindringlich gesagt, es wäre fatal, wenn sich die Partei zerlegt und nicht mehr wählbar ist für die Menschen, die unsere Unterstützung brauchen. Das hat mich sehr beeindruckt und motiviert. Aber dazu gehört Disziplin und dazu gehört auch, dass man Beschlüsse auch akzeptiert.
Treten Sie bei der Bürgerschaftswahl 2025 erneut an?
Boeddinghaus: Nein, ich beende dann meine politische Karriere. Ich habe fünf Kinder und vier Enkelkinder und bin bei der nächsten Wahl 68 Jahre alt. Ich möchte gesund bleiben und mich auch mehr um meine Familie kümmern.