Hamburg. Unternehmensberaterin mit große Mehrheit zur Spitzenkandidatin gewählt. Anja Hajduk verabschiedet sich unter Tränen.

Die Hamburger Grünen ziehen mit Katharina Beck als Spitzenkandidatin in die Bundestagswahl. Die 38 Jahre alte Betriebswirtin und Unternehmensberaterin wurde auf einem digitalen Parteitag mit 89 Prozent der Stimmen gewählt. Sie erhielt 483 der 541 abgegebenen Stimmen.

. Ihre etwas überraschend angetretene Gegenkandidatin Frederice Klinge kam auf neun Stimmen. 29 Mitglieder lehnten beide Bewerberinnen ab, 20 enthielten sich. Das Ergebnis muss noch im Nachgang per Briefwahl bestätigt werden – dies soll bis Mitte Juni erfolgen.

Katharina Beck tritt die Nachfolge von Anja Hajduk an

„Diese Wahl ist entscheidender als jede andere – wir müssen sie gewinnen“, sagte Beck in einer emotionalen Bewerbungsrede mit Blick auf die Bundestagswahl im September. Sie habe zusammen mit Annalena Baerbock am Klimaschutzprogramm der Grünen gearbeitet: „Diese wunderbare Frau muss unsere Kanzlerin werden.“

Es mache sie „wirklich wütend“, dass Union und SPD erst nichts für den Klimaschutz getan hätten, sich dann aber darüber gefreut hätten, dass das Bundesverfassungsgericht das in einem Urteil eingefordert habe.

Schwerpunkt von Becks Rede: Ihre Wirtschaftskompetenz

Ein Schwerpunkt ihrer Rede war ihre Wirtschaftskompetenz: Sie habe zwar auch Dax-Konzerne beraten, verwies aber darauf, dass in Hamburg jeder achte Erwerbstätige soloselbständig sei – diesen Kleinunternehmen müsse mehr Beachtung geschenkt werden. Soziale und ökologische Kriterien müssten gegenüber wirtschaftlichen Faktoren mehr Gewicht bekommen.

Beck tritt die Nachfolge von Anja Hajduk an, die nicht wieder antritt und sich nach 20 Jahren in Bundestag, Senat und an der Parteispitze emotional aus der ersten Reihe verabschiedete.

Hajduk unter Tränen: "Es ist kein Abschied von den Grünen"

„Du hast in Hamburg Spuren hinterlassen“, bescheinigte Umweltsenator Jens Kerstan seiner Vorgängerin und langjährigen Weggefährtin. „Du wirst uns fehlen.“

Hajduk gab ihren Parteifreunden mit Blick auf die Bundestagswahl mit auf den Weg, dass sie nicht nur inhaltlich kämpfen müssten, sondern dass es auch sehr stark darum gehe, „Verantwortung zu gewinnen für die große Rolle, die wir spielen wollen“. Unter Tränen betonte sie, dass sie nur ihr Mandat aufgebe, aber dies „kein Abschied von den Grünen“ bedeute.

Ex-Justizsenator Steffen auf Platz zwei der Landesliste

Um den Platz zwei der Landesliste bewarben sich sechs Parteimitglieder. Dabei setzte sich der frühere Justizsenator Till Steffen mit 320 der 566 abgegebenen Stimmen gleich im ersten Wahlgang vor Manuel Muja, Fraktionschef in Hamburg-Mitte, mit 216 Stimmen durch. Die anderen vier Kandidaten erhielten nur einstellige Stimmenanteile.

Platz drei sicherte sich Emilia „Milla“ Fester: Die Kandidatin der Grünen Jugend setzte sich im zweiten Wahlgang mit 276 zu 256 Stimmen gegen Linda Heitmann durch. Die frühere Bürgerschaftsabgeordnete hat dennoch gute Chancen, als Spitzenkandidatin im Wahlkreis Altona über ein Direktmandat in den Bundestag einzuziehen. Da auch Katharina Beck (Hamburg-Nord) und Till Steffen (in Eimsbüttel) aussichtsreich im Wahlkreis kandidieren, kann es sein, dass die Landesliste erst ab Platz drei zieht.

Landesparteitag der Grünen: Etliche Kandidaten live im Studio

Auch Platz vier war daher höchst umkämpft: Unter sechs Bewerbern und Bewerberinnen setzte sich dort der langjährige Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin aus Harburg durch. Er kam bereits im ersten Wahlgang mit 258 von 509 abgegebenen Stimmen auf eine hauchdünne absolute Mehrheit und distanzierte damit Manuel Muja (138 Stimmen), Adrian Hektor (61), Yusuf Uzundag (41) und Frederice Kling (2).

Während etliche Kandidatinnen und Kandidaten live im Studio im Bürgerhaus Wilhelmsburg erschienen, ließen sich andere von außen zuschalten. Sarrazin gelang dabei ein Coup: Er sendete seine Bewerbung live von dem früheren Flüchtlings-Rettungsschiff „Sea Eye I“ im Harburger Binnenhafen und warf so anschaulich seine außenpolitische Erfahrung in die Waagschale. Diese würden die Grünen nach der Wahl brauchen – denn nur sie könnten die EU zusammenhalten. Das kam bei den Mitgliedern offenbar an.

Hamburgs Grüne: Aufstellung der Bundestagsliste dauert an

Ob auch Platz fünf noch Chancen hat, gilt als unsicher. Unter insgesamt vier Bewerberinnen setzte sich in drei Wahlgängen schließlich Linda Heitmann in einer Stichwahl mit 250 zu 203 Stimmen gegen Katja Husen durch.

Die Aufstellung der Bundestagsliste dauert noch an. Spannend wird es auch am Sonntag: Dann wählt die Partei eine neue Landesvorsitzende als Nachfolgerin von Anna Gallina, die als Justizsenatorin das Amt aufgeben muss. Dabei treten die beiden Bürgerschaftsabgeordneten Maryam Blumenthal und Sina Demirhan gegeneinander an.