Berlin. Finanzminister Lindner arbeitet an einem Nachtragshaushalt für das laufende Jahr. Das könnte den Streit ums Budget 2025 etwas entschärfen.
Die schwache Konjunktur in Deutschland schlägt voll auf die Steuereinnahmen des Staates durch: Noch während die Berliner Ampel-Koalition um den Bundeshaushalt für das kommende Jahr ringt, muss sie weitere Mittel in Milliardenhöhe auftreiben, um Lücken im laufenden Etat zu stopfen.
Wie das Bundesfinanzministerium von Ressortchef Christian Lindner (FDP) am Donnerstag indirekt bestätigte, arbeitet es an einem Nachtragshaushalt für 2024: „Wir beobachten die Entwicklung der Steuereinnahmen und den Haushaltsvollzug und sind jederzeit bereit zu handeln“, sagte eine Sprecherin. Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung berichtet, die Ampel plane einen Nachtragshaushalt, die Haushälter der Koalition seien bereits informiert.
Entschieden ist dem Vernehmen nach aber noch nichts. Denkbar ist auch, dass die Ampel neue Finanzierungslücken durch Einsparungen schließt. Weil die Wirtschaft so schlecht läuft, darf der Bund mehr neue Kredite aufnehmen als ursprünglich geplant. Die Rede ist davon, dass er sich womöglich bis zu elf Milliarden Euro zusätzlich borgen könnte, ohne gegen die Vorgaben der Schuldenbremse zu verstoßen. Bislang ist für das laufende Jahr eine Neuverschuldung im Umfang von 39 Milliarden Euro geplant. Der Haushalt 2024 sieht Ausgaben in Höhe von knapp 480 Milliarden Euro vor.
In Koalitionskreisen hieß es am Donnerstag zwar, die Aufstellung des Etats 2025 und die Diskussion über einen Nachtragshaushalt für 2024 hätten nichts miteinander zu tun. Gleichwohl könnte sich die Ampel jetzt etwas mehr Geld leihen, um den Spardruck für das kommende Jahr zu mindern.
Haushalt: Pistorius will mehr Geld für die Ukraine
Bekannt ist, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) noch im laufenden Jahr fast vier Milliarden Euro mehr für die militärische Unterstützung der Ukraine haben will. Finanzminister Lindner signalisierte bereits Zustimmung. Weil die Großhandelspreise für Strom an der Börse gesunken sind, muss der Bund voraussichtlich auch deutlich mehr Geld als geplant für die gesetzlich garantierte Vergütung von Ökostrom-Produzenten aufwenden. Diese Vergütung wird seit 2023 komplett aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert, den das Haus von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verwaltet. Davon, dass inzwischen der Staat die Ökostrom-Förderung zahlt, profitieren grundsätzlich alle Stromverbraucher.
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) kritisierte die Pläne für einen Nachtragshaushalt. „Es ist erstaunlich, dass ausgerechnet Christian Lindner und sein Ministerium an einem Nachtragshaushalt arbeiten sollen, der de facto mehr Schulden bedeutet“, sagte die SoVD-Vorstandsvorsitzender Michaela Engelmeier dieser Redaktion.
Sozialpolitische Projekte wie die Kindergrundsicherung und das Rentenpaket II habe Lindner hingegen bereits mehrfach aus finanziellen Beweggründen deutlich beschnitten oder verschoben, kritisierte Engelmeier. Im Gesundheitswesen würden darüber hinaus Beitragsmittel der Versicherten zweckentfremdet, der Eigenanteil in der Pflege sei ohnehin „unbezahlbar“.
„Die Politik muss das Einnahmeproblem lösen. Der SoVD fordert deshalb eine angemessene Besteuerung von Reichtum und eine Reform der Schuldenbremse“, sagte Engelmeier weiter. Haushaltsposten für Soziales und Zukunftsinvestitionen dürften nicht gekürzt werden. Auch die Opposition kritisierte die Überlegungen der Koalition.
Ampel: Lindner pocht auf Einhaltung der Schuldenbremse
Dessen ungeachtet geht innerhalb des Ampel-Bündnisses die Auseinandersetzung über den Bundeshaushalt für das kommende Jahr weiter. Finanzminister Lindner will auch 2025 unbedingt die Regeln der Schuldenbremse einhalten. Forderungen aus der Koalition, angesichts der vielen Herausforderungen wie des Ukraine-Kriegs und der Klimakrise abermals eine Notlage zu erklären und im großen Stil neue Kredite aufzunehmen, lässt er an sich abperlen. Lindner verlangt unter anderem Einsparungen im Sozialetat, bei Entwicklungshilfe und Auswärtigem.
Erst am Mittwoch hatte der Industrieverband BDI die Einrichtung von neuen schuldenfinanzierten Sondervermögen angeregt, um den Investitionsstau in Infrastruktur, Bildung, Klimaschutz und Wohnungsbau aufzulösen. Der BDI beziffert den zusätzlichen Finanzierungsbedarf in Deutschland auf 400 Milliarden Euro.
Für den Haushalt 2025 muss die Koalition rund 25 Milliarden Euro einsparen. Einige Ministerien haben darüber hinaus einen zusätzlichen Finanzbedarf angemeldet. Sollte es der Ampel nicht gelingen, das Budget für das kommende Jahr auf den Weg zu bringen, wäre sie faktisch am Ende.
Die Gespräche über den Haushalt werden in einem sehr kleinen Rahmen geführt, im Wesentlichen verhandeln Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Habeck und Finanzminister Lindner miteinander. Ziel ist es, den Entwurf Anfang Juli – und damit vor der parlamentarischen Sommerpause – im Kabinett zu beschließen. Dabei haben die Koalitionäre auch ein anderes Datum im Blick: Vom 9. bis zum 11. Juli findet in Washington der Nato-Gipfel statt. Dort muss Deutschland sprechfähig sein in Bezug auf seine künftigen Verteidigungsausgaben und finanzielle Möglichkeiten zur weiteren Unterstützung der Ukraine.
Über den Fortschritt der Haushaltsgespräche gibt es in Berlin sehr unterschiedliche Signale: Während Verteidigungsminister Pistorius zuletzt von verhärteten Fronten sprach, sagte SPD-Chefin Saskia Esken dieser Redaktion: „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die Haushaltsberatungen bis Anfang Juli erfolgreich abschließen.“
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