Berlin. Boris Pistorius will die Armee neu aufstellen. Die Jusos kontern, die Bundeswehr würde nicht durch „reihenweise Schulabgänger“ gestärkt.
Es wirkt wie eine Randnotiz, doch es dürfte das große Thema der Bundespolitik am Mittwoch werden. Auf der Tagesordnung für die Sitzung des Verteidigungsausschusses steht unter Punkt 10: „Bericht des Bundesministers der Verteidigung zum neuen Wehrdienst“. In der Ampelkoalition wird über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht schon länger diskutiert, nun werden die Pläne offenbar konkreter.
Wie am Mittwochmorgen bekannt wurde, plant der Minister, die Erfassung von Wehrfähigen neu aufzubauen. Dazu soll es einen für Männer verpflichtenden Fragebogen geben. Darin sollen sie Auskunft geben müssen ihre Bereitschaft und Fähigkeit zum Dienst zu geben und sich bei Auswahl einer Musterung zu stellen.
Verteidigungsminister Boris Pistorius wird, so erwarten es viele in der Koalition, am Mittwoch also neue Details verkünden, wie künftig junge Menschen zum Wehrdienst verpflichtet werden sollen. Die Rekrutierung dürfte jedoch deutlich weniger strikt ausfallen, als sie bis 2011 war, bevor die Wehrpflicht abgeschafft wurde. Pistorius argumentiert, dass die derzeitige sicherheitspolitische Lage eine stärkere Einbindung der Bevölkerung in die Landesverteidigung erforderlich mache.
Wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet, müsste für die Pläne des Verteidigungsministers das Wehrpflichtgesetz für junge Männer geändert werden. Offenbar gehen Planer bei der Bundeswehr davon aus, dass rund 400.000 Personen den Fragebogen ausfüllen, jedes Jahr. Es wird erwartet, dass ein Viertel von ihnen Bereitschaft bekunden dürfte. 40.000 Kandidaten sollen gemustert werden. Die Ausbildungskapazitäten sollen ausgebaut werden.
Wehrdienst soll gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern
Mit Blick auf die geopolitischen Spannungen, insbesondere in Osteuropa, betont Pistorius gern die Notwendigkeit, die Bundeswehr personell zu stärken und die gesellschaftliche Resilienz zu erhöhen. Der Wehrdienst soll dabei nicht nur die militärischen Fähigkeiten des Landes verbessern, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern.
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Aber wie soll es nun aussehen, das Modell, das Pistorius plant? Zunächst redet er gern von einer „Wehrform“ statt von einer „Wehrpflicht“. Das hört sich nicht so dramatisch an – und soll die politische Aufregung drosseln. Doch wie die Reform genau aussehen wird, sagt er bislang nicht. Sicher ist nur: Pistorius favorisiert das „schwedische Modell“, eine Mischung aus Wehrpflicht- und Berufsarmee. Hierbei werden nur so viele Freiwillige einberufen, wie die Armee tatsächlich benötigt. Zusätzlich betont er den Bedarf an mehr Personal sowohl für die reguläre Truppe als auch für die schnelle Aufstockung im Ernstfall.
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Bis zu 10.000 Rekruten jährlich sollen gewonnen werden
Innerhalb der Ampelkoalition kursieren erste Informationen, wie die künftige Reform aussehen soll. Alle 18-Jährigen könnten dann einen Fragebogen erhalten, um ihre Fitness und Interessen sowie ihre Bereitschaft für eine Karriere bei der Bundeswehr anzugeben. Während Frauen diesen freiwillig ausfüllen können, ist die Beantwortung für Männer Pflicht. Andernfalls drohen Bußgelder. Aus den Rückmeldungen sollen jene, die Interesse zeigen, zur Musterung einberufen werden. Intern heißt es, man hoffe, jährlich bis zu 10.000 Rekruten zu gewinnen.
In der Koalition werden die Pläne bereits hitzig diskutiert. Während manche Zustimmung signalisieren und die Notwendigkeit betonen, die Wehrpflicht als sicherheitspolitisches Instrument zu reaktivieren, lehnen andere den Vorstoß vehement ab. Sie kritisieren den Plan als rückschrittlich und warnen vor den sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen einer Wehrpflicht. Es komme, heißt es vor allem bei FDP und SPD, jetzt auf die konkreten Pläne von Pistorius an, ob man sich eine Unterstützung vorstellen könne. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagte dieser Redaktion: „Es gelingt uns im Moment nicht, ausreichend junge Menschen dafür zu motivieren, ihren Beitrag zur Verteidigungsfähigkeit des Landes zu leisten. Das müssen wir ändern.“ Man dürfe das Thema aber „nicht über die Köpfe der jungen Menschen hinweg diskutieren“. Junge Menschen müssten sich auch in Zukunft freiwillig und aus dem Bedürfnis heraus, Verantwortung zu übernehmen, für den Wehrdienst entscheiden.
Pläne spalten die Koalition – scharfe Kritik von Jusos
Scharfe Kritik kommt von der Jugendorganisation der SPD. Der Vorsitzende der Jusos, Philipp Türmer, hat bereits erste Pläne für eine Wehrpflicht kritisiert. Sie seien „aus der Zeit gefallen“. Dieser Redaktion sagte Türmer: „Wir stärken die Bundeswehr nicht, indem wir reihenweise Schulabgänger für ein paar Monate zur Truppe schicken.“ Die Bundeswehr benötige hoch spezialisierte und gut ausgebildete Soldaten, „keine 19-Jährigen, die gerade so ein Sturmgewehr halten können“.
Einfach wird es aber auch so nicht. Besonders kritisch ist das Fehlen eines verlässlichen Systems zur Erfassung von Wehrpflichtigen – also der notwendigen Daten von Menschen, die im Mobilisierungsfall benötigt würden. Zudem mangelt es an Kasernen und Ausbildern. Die Sitzung des Verteidigungsausschusses wird nicht öffentlich sein. Am Nachmittag wird Pistorius dann seine Pläne in der Bundespressekonferenz vorstellen. Spätestens dann wird klar, was der Verteidigungsminister genau vorhat.