Washington. Das Thema Migration beherrscht den Präsidentschaftswahlkampf in den USA. Präsident Biden kündigt jetzt einen drastischen Schritt an.
Mitten im US-Wahlkampf hat Präsident Joe Biden die Regeln für Migranten, die irregulär aus Mexiko in die USA einreisen, verschärft. „Ich tue, was die Republikaner im Kongress sich weigern zu tun: Ich unternehme die notwendigen Schritte zur Sicherung unserer Grenze“, sagte der Demokrat am Dienstag in Washington. Zuvor hatte das Weiße Haus ein Dekret des Präsidenten veröffentlicht, wonach es Betroffenen unter bestimmten Umständen nicht mehr möglich sein soll, einen Asylantrag zu stellen. Die Maßnahmen sollten in der Nacht auf Mittwoch in Kraft treten. Kritik kam sowohl von Menschenrechtlern als auch von den Republikanern.
Bidens Dekret sieht vor, dass Migranten, die illegal die Grenze übertreten, leichter und kurzfristiger abgeschoben werden können, wenn sie nicht ausdrücklich um Asyl bitten. Diejenigen, die dies tun, sollen von Grenzbeamten fortan strenger überprüft werden und müssen unter anderem „glaubwürdige Angst“ vor Verfolgung oder Folter in ihrer Heimat geltend machen können. Ihnen wird dann zwar Schutz gewährt, aber nicht unter denselben Standards wie Asylsuchenden. Wer hingegen regulär vorstellig wird, also zum Beispiel über eine eigens dafür eingerichtete App von außerhalb der USA aus einen Termin beantragt, soll eine faire Chance bekommen – so stellt es zumindest die Regierung dar.
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Biden wirft Trump Zynismus vor
Biden warf Ex-Präsident Donald Trump vor, eine dringend notwendige Gesetzgebung im Kongress zu torpedieren, um im Wahlkampf um das Präsidentenamt einen Vorteil daraus zu schlagen. „Das ist ein äußerst zynischer politischer Schachzug und lässt das amerikanische Volk im Stich, das von uns nicht erwartet, dass wir die Grenze als Waffe einsetzen, sondern, dass wir sie reparieren“, sagte Biden. Er hätte eine überparteiliche Zusammenarbeit für entsprechende Gesetzgebung bevorzugt, um die zuständigen Behörden personell und finanziell besser auszustatten. „Aber die Republikaner haben mir keine andere Wahl gelassen.“ Die Republikaner werfen Biden seit Wochen vor, angesichts der großen Zahl von Migranten die Kontrolle über den Schutz der Südgrenze verloren zu haben.
Ausnahmen von Bidens Dekret sollen für unbegleitete Kinder und Menschen gelten, die ernsthaft krank sind, sowie für Opfer von Menschenhandel und direkter Bedrohung. Alle anderen sollen entweder nach Mexiko oder in die jeweiligen Herkunftsländer zurückgeführt werden. Zuvor war es den meisten Asylsuchenden gemeinhin erlaubt gewesen, sich bis zu ihrem Gerichtstermin – der wegen überlasteter Behörden oft Jahre in der Zukunft liegt – im Land aufzuhalten.
Die neue Regelung gilt, sobald der Durchschnitt illegaler Grenzübertritte in einer Woche die Zahl von 2500 pro Tag übersteigt. Sie wird aufgehoben, wenn diese Zahl wieder unter 1500 fällt. US-Medien berichteten unter Berufung auf die Behörden, derzeit seien es über 4000. Seit Beginn des laufenden Haushaltsjahrs im Oktober gab es demnach rund 1,5 Millionen „irreguläre Begegnungen“ an der Südgrenze – also Fälle, in denen Menschen – meist kurzzeitig – festgenommen oder direkt abgeschoben wurden. Die Fallzahl lag somit höher als zum gleichen Zeitpunkt in den Vorjahren – und im Dezember 2023 gar höher denn je in einem einzelnen Monat. Die Behörden kommen bei der Bearbeitung der Asylgesuche kaum hinterher. Zudem fehlen Unterkünfte und andere Ressourcen für die Ankömmlinge.
Fragen nach Umsetzbarkeit und Kritik von beiden Seiten
Weil die neu gesetzte Schwelle überschritten ist, sollten die Maßnahmen direkt um Mitternacht in Kraft treten. Allerdings blieben etliche Fragen zur Umsetzbarkeit des Dekrets offen. So verlässt sich die US-Regierung etwa auf Mexiko, um abgeschobene Menschen aufzunehmen. Außerdem gibt es Zweifel daran, ob die aktuell bewilligten Gelder für die zusätzliche Arbeit des Grenzschutzes überhaupt ausreichen – entsprechende Hilfen vom Bund müsste der Kongress freimachen. Und auch der juristische Boden könnte wackelig sein: Die Bürgerrechtsorganisation ACLU hat bereits angekündigt, gegen das Dekret Klage einzureichen.
Die Vereinten Nationen betonten das Menschenrecht auf Asyl. „Jede Person, die angibt, eine begründete Angst vor Verfolgung in ihrem Herkunftsland zu haben, sollte Zugang zu sicherem Territorium haben und diesen Anspruch prüfen lassen, bevor sie abgeschoben oder ausgewiesen wird“, sagte Sprecherin Florencia Soto Nino in New York.
Kritik erntete Biden auch aus den Reihen seiner eigenen Partei. Die demokratische Abgeordnete Pramila Jayapal sprach von einem „gefährlichen Schritt in die falsche Richtung“. Das Recht, Asyl zu beantragen, sei in den US-Gesetzen und den internationalen Vertragsverpflichtungen des Landes verankert.
Der republikanische Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, bezeichnete Bidens Schritt als „politischen Stunt“ im Rennen um das Weiße Haus. Das Dekret sehe demnach keine neuen finanziellen Mittel für den Grenzschutz vor und auch keine Abschiebungen jener Menschen, die schon illegal in die USA gelangt seien. Auch an der Obergrenze illegaler Grenzübertritte als Kondition für das Dekret übte Johnson Kritik.
Migration als politischer Zankapfel
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Der Streit über eine Reform der Migrationsgesetze schwelt in den USA seit Langem, spielt aber im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf eine besonders große Rolle. Die Behörden stehen unter Druck. Das Justizsystem kommt bei der Bearbeitung der Asylgesuche kaum hinterher. Es fehlt zudem an Unterbringungsmöglichkeiten und anderen Ressourcen für die Ankömmlinge. Die Republikaner werfen dem Demokraten Biden vor, angesichts der großen Zahl von Migranten die Kontrolle über den Schutz der Südgrenze verloren zu haben. Trump spricht etwa von einer „Invasion“ in die USA.
Bei seiner Ansprache am Dienstag versuchte Biden offensichtlich, sich von der Rhetorik seines Vorgängers abzuheben. „Ich werde Einwanderer niemals dämonisieren“, betonte er. „Ich werde niemals sagen, dass sie das Blut eines Landes vergiften. Und ich werde niemals Kinder an der Grenze von ihren Familien trennen.“
Der Weg über Mexiko wird von vielen Menschen gewählt, die vor Armut, Gewalt und politischen Krisen in ihrer Heimat flüchten und auf ein besseres Leben in den USA hoffen. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration der Vereinten Nationen (IOM) ist es tödlichste Landmigrationsroute der Welt. Jährlich sterben demnach Hunderte auf dem strapaziösen und gefährlichen Weg nach Norden, etwa an Wassermangel und Hitzeschlägen. Wahrscheinlich ist die Zahl der Todesopfer aber weitaus höher, da viele nie offiziell statistisch erfasst werden.
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