Berlin. Berlin, Dresden, Münster: Der französische Präsident besucht ab Sonntag für drei Tage ein Land, das er bewundert und mit dem er hadert.
Berlin ist immer eine Reise wert. Das gilt für Partygänger, Kulturfreunde und Shopping-Fans. Und natürlich für französische Staatspräsidenten. Amtsinhaber Emmanuel Macron etwa war allein in diesem Jahr bereits zwei Mal in der deutschen Hauptstadt: Zum ersten Mal im Januar, als im Bundestag ein Staatsakt für den verstorbenen CDU-Politiker Wolfgang Schäuble stattfand und Macron eine Trauerrede hielt – in weiten Teilen auf Deutsch. Und das zweite Mal im März, als es im Kanzleramt ein Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem polnischen Premier Donald Tusk gab.
An diesem Sonntag kommt Macron wieder nach Berlin, gemeinsam mit Ehefrau Brigitte. Es wird in jeder Hinsicht eine besondere Visite. Denn es handelt sich um den ersten offiziellen Staatsbesuch eines französischen Präsidenten in der Bundesrepublik seit 24 Jahren. Protokollarisch ist das Ganze also sehr hoch aufgehängt – mit viel Pomp, vielen Terminen und viel Inszenierung. Eigentlich hatte all das schon im vergangenen Juli stattfinden sollen, wurde dann aber wegen einer innenpolitischen Krise in Frankreich verschoben.
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Nun wird Macron am Sonntagnachmittag gemeinsam mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Demokratiefest in Berlin besuchen, mit dem 75 Jahre Grundgesetzes und 35 Jahre Friedliche Revolution in der DDR gefeiert werden. Macron ist hierbei der einzige ausländische Staatsgast. „Der Präsident misst diesem Symbol große Bedeutung bei“, heißt es dazu im Pariser Elysée-Palast. Der eigentliche Staatsbesuch beginn erst am späteren Nachmittag im Schloss Bellevue. Am Montag geht es dann nach Dresden und am Dienstag nach Münster in Westfalen. Nach dem offiziellen Staatsbesuch wird es noch ein Treffen des deutsch-französischen Ministerrats in Meseberg nördlich von Berlin geben.
Macron in Deutschland: Zunächst geht es auf das Demokratiefest in Berlin
Emmanuel Macron und Deutschland – das ist eine Geschichte für sich. Es ist eine Geschichte von Bewunderung, Geduld und Unverständnis, von Hoffnungen und enttäuschten Erwartungen. Und natürlich ist es inzwischen auch eine Geschichte der politischen Routine. Denn ganz egal, wer gerade in Paris oder Berlin regiert: Ein Großteil der Arbeit besteht immer darin, sich mit der anderen Seite abzustimmen und die Europäische Union am Laufen zu halten.
Macron ist seit Mai 2017 Staatspräsident. Bis Ende 2021 hatte er es mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu tun, seitdem ist Scholz sein Ansprechpartner. Zwei nüchterne norddeutsche Kanzler, die stoisch ihre Agenda abarbeiten und ein französischer Staatschef, der die große Rede und den großen Auftritt liebt: ausgeprägter könnte der Kontrast kaum sein.
Präsident Macron: Seine Deutschkenntnisse sind eher bescheiden
Macron verschlingt Bücher, kennt die deutsche Literatur und Philosophie. Er spricht sehr gut Englisch, seine Deutschkenntnisse sind bescheiden. Für die Trauerrede zu Ehren Schäubles Anfang 2024 ließ er sich von einem Deutschlehrer in Paris coachen. Als Teenager war Macron in den 1990er Jahren zwei Mal als Austauschüler für kurze Zeit in Dortmund, der deutschen Partnerstadt seiner nordfranzösischer Heimat Amiens.
Es gab eine Zeit, in der der Politiker Macron fasziniert und voller Bewunderung nach Deutschland blickte. Ihm ging es da wie etlichen seiner Landsleute in jenen Jahren: Mitte des vergangenen Jahrzehntes hatte sich Deutschland nach der Finanz- und Eurokrise erstaunlich schnell wieder gefangen. Während sich anderswo in Europa die Wirtschaft nur langsam erholte, zogen in der Bundesrepublik das Wachstum und die Nachfrage nach Arbeitskräften wieder kräftig an. Hierzulande machte sich eine gewisse Hochnäsigkeit und Bräsigkeit breit. Aber das minderte erst einmal nicht die Strahlkraft Deutschlands.
Während in anderen Staaten große Haushaltslöcher die Regel blieben, verzeichnete der deutsche Staat ab 2014 Überschüsse. Den Begriff „schwarze Null“ für ein Budget ohne neue Schulden kannte damals jeder Zeitungsleser in Europa. Über all dem thronte die Dauerkanzlerin Merkel, während in Frankreich der blasse Präsident François Hollande regierte. Deutschland war ehedem das Maß aller Dinge und Merkel die Königin Europas.
Politiker: Aus einem Studien-Aufenthalt in Berlin wurde dann nichts
Macron diente Hollande zeitweise als Wirtschaftsminister. 2016 schmiss er entnervt hin – im Alter von erst 38 Jahren. Er plante danach, als Gastwissenschaftler nach Berlin zu gehen. Sein Ziel war, Deutschland besser zu verstehen. Die Vorbereitungen waren weit gediehen, sogar die Finanzierung stand schon. Doch dann entschied sich Macron, selbst fürs Präsidentenamt zu kandidieren.
Als er im Mai 2017 als Staatschef in den Elysée-Palast einzog, umgab sich Macron mit Leuten, die nicht nur Deutschland gut kennen, sondern auch die Sprache beherrschen. Sein erster Ministerpräsident wurde Edouard Philippe, der einen Großteil seiner Jugend in Bonn verbracht hatte. Macron ging es darum, Europa neuen Schwung zu verleihen und die Währungsunion zu vertiefen. Dafür brauchte er die Unterstützung Berlins.
Vielen Deutschen, auch im Politikbetrieb, erschien das allerdings suspekt. Sie argwöhnten, dass Macron es nur aufs deutsche Geld abgesehen habe. „Teurer Freund“, titelte damals der „Spiegel“. Und FDP-Chef Christian Lindner wetterte im Herbst 2017 im Bundestagswahlkampf, dass es in der Eurozone ja wohl nicht darum gehen dürfe, „eine Geld-Pipeline zu legen, die in andere Staaten Europas geht“. Als es nach der Wahl in Deutschland zu einer Neuauflage der Großen Koalition unter Kanzlerin Merkel kam und Lindners FDP außen vor blieb, öffneten sie in Paris die Champagner-Flaschen.
Trotzdem blieb es kompliziert: Der Präsident hatte unmittelbar nach der Bundestagswahl in der Pariser Sorbonne eine große Rede gehalten, in der er nicht weniger als die „Neubegründung“ eines souveränen Europa forderte. Von Merkel aus Berlin kam nur dröhnende Schweigen, später antwortete sie uninspiriert per Zeitungsinterview. Mit der Zeit fanden die beiden trotzdem zusammen. Sie mussten den Westen zusammenhalten, als in den USA Donald Trump regierte. Und sie mussten Europa zusammenhalten, als das Coronavirus wütete. Das verbindet.
Kanzler und Präsident: Neuerdings zu digitalen Späßen aufgelegt
Und Scholz? Auf den Sozialdemokraten hatte Macron einst große Hoffnungen gesetzt, insbesondere mit Blick auf mögliche Korrekturen in der europäischen Finanzpolitik. Erfüllt haben die sich nicht. Auch menschlich stimmt die Chemie nicht so recht. Gerade versuchen die beiden, Animositäten zu überwinden und über die Arbeit ins Spiel zu kommen.
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Die Unterstützung der Ukraine ist das zentrale Thema, die Verteidigungspolitik, Europas Wettbewerbsfähigkeit und technologische Autonomie. Unlängst gab es ein sehr privates Abendessen mit den Ehefrauen in Macrons Pariser Lieblingsrestaurant „La Rotonde“.
Sogar zu digitalen Späßen sind die beiden neuerdings aufgelegt: Kürzlich veröffentlichten sie einen Clip, in dem Macron eine Bürgerfrage beantwortet. Sie lautet: „Ist das deutsch-französische Tandem noch zeitgemäß?“ Überblendung zu Scholz ins Kanzleramt, der auf Französisch das bilaterale Verhältnis hochleben lässt. „Danke, Olaf“, antwortet Macron – auf Deutsch.
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