Berlin. Zur Verteidigung von Charkiw darf die Ukraine mit US-Waffen militärische Ziele in Russland angreifen. Die Kurskorrektur und die Folgen.
Erstmals stimmte US-Präsident Joe Biden zu, dass die Ukraine amerikanische Waffen für Angriffe auf russischen Boden nutzt. Allerdings vermied er einen Blankoscheck: Biden stellte Bedingungen. Die Erlaubnis beschränkt sich ausdrücklich auf die Region um Charkiw, die derzeit von den russischen Truppen angegriffen wird. Dagegen darf sich die Ukraine wehren, auch über ihre Staatsgrenzen hinweg.
Der Aufmarsch der Russen war auch für andere Rüstungslieferanten wie Deutschland oder Frankreich die Begründung für eine ähnliche Kurskorrektur. Die Waffen sollen nur zu Schlägen gegen militärische Ziele genutzt werden, die in Angriffe auf die Ukraine involviert sind. Trotz der Auflagen hat diese Änderung Folgen im Ukraine-Krieg:
- Das Kräfteverhältnis ändert sich zugunsten der Ukraine.
- Die Partner werden direkter in die Konfrontation mit Russland verwickelt;
- was politisch wie militärisch eine Eskalation bedeutet.
Russland reagierte mit atomaren Übungen
Bisher haben die USA die Ukrainer dabei unterstützt, ihr Land zu verteidigen. Sie sollen den Krieg nicht gewinnen, wohl aber mit anhaltendem Widerstand Kremlchef Wladimir Putin dazu bewegen, die Invasion abzubrechen. US-Präsident Joe Biden war darauf bedacht, eine Eskalation zu vermeiden; umso mehr, als Russland regelmäßig mit Atomwaffen gedroht und zuletzt demonstrativ nukleare Übungen in Grenznähe angeordnet hat.
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Die Amerikaner stellten bei Rüstungslieferungen sicher, dass ihre Waffen nur gegen russische Stellungen eingesetzt werden, aber beispielsweise nicht russische Ortschaften bedrohen. Andere Nato-Staaten folgten ihrem Beispiel. Dazu haben sie drei Hebel.
Erstens: die Reichweite. Die meisten vom Westen gelieferten Artilleriegeschosse fliegen weniger als 50 Kilometer weit. Bei den ersten Lieferungen der begehrten Atacms-Raketen bekamen die Ukrainer eine Version, die laut Hersteller nur 165 Kilometer fliegen konnte.
Zweitens: Auflagen. Präsident Wolodymyr Selenskyj musste sich verpflichten, Waffen niemals auf russisches Territorium abzufeuern. Das bedeutet faktisch, dass die ukrainischen Militärs die Zielkordinaten mit ihren Partnern abstimmen. Es blieb ihnen auch nichts anderes übrig, denn ein Großteil der Aufklärung kommt ohnehin von den Amerikanern.
Drittens: Kontrolle. Experten aus den USA, Großbritannien und Frankreich haben insgeheim darauf geachtet, dass sie das letzte Wort über den Einsatz ihrer Waffen haben. Bekannt wurde es, als deutsche Luftwaffenoffiziere abgehört wurden und weil Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Geheimhaltung missachtete.
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Besuch in Kiew brachte die Wende
„Wir wissen ja auch, daß da viele Leute mit amerikanischem Akzent in Zivilklamotten rumlaufen“, sagte Luftwaffen-Inspekteur ingo Gerhartz in einer vertraulichen Schaltkonferenz, die russische Medien veröffentlichten. Scholz bemerkte im Februar in einem Gespräch mit Chefredakteuren, „was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden“. Das war seine Begründung dafür, warum Deutschland keine Taurus-Marschflugkörper liefern werde. Wenig später sagte er bei einem Schulbesuch in Baden-Württemberg, „es kann nicht sein, dass man ein Waffensystem liefert, das sehr weit reicht, und dann nicht darüber nachdenkt, wie die Kontrolle über das Waffensystem stattfinden kann. Und wenn man die Kontrolle haben will und es nur geht, wenn deutsche Soldaten beteiligt sind, ist das völlig ausgeschlossen.“
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Laut „New York Times“ wurde die vorsichtige Kursänderung im Weißen Haus von Außenminister Antony Blinken nach seinem jüngsten Besuch in Kiew angestoßen. Fast könnte man von einer Affekt-Handlung sprechen, weil Blinken seine Position nach der Rückkehr wohl revidiert hat.
Ungleiche Kräfteverhältnisse
Typisch für diese militärische Konfrontation waren immer die ungleichen Verhältnisse. Die Russen greifen Rüstungsfabriken, Kasernen, Waffenlager, Logistik und zivile Infrastruktur fast an jedem Tag und an jedem Punkt in der Ukraine an. Selenskyjs Truppe wurde diese Vorgehensweise faktisch untersagt. Russland konnte weitgehend unbehelligt Waffen herstellen, lagern und bis an die Grenze transportieren; und nicht zuletzt ohne, dass die eigene Bevölkerung den Krieg spüren würde.
Das änderte sich erst, als die Ukraine anfing, selbst Drohnen im großen Stil herzustellen und Partisanen in Russland militärisch zu unterstützen. In letzter Zeit gelang es ihnen, den Krieg nach Russland hineinzutreiben, Treibstofflager, Flugplätze und zumindest Ortschaften in Grenznähe anzugreifen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sie zum Beispiel die Brücke zerstören wollen, die Russland mit der Krim verbindet.
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