Berlin. In zentralen Bundesstaaten liegt Trump in einer Umfrage weit vorn. Biden macht einen ungewöhnlichen Schritt, sagt Experte van de Laar.
Herr van de Laar, was war in den vergangenen Tagen der bemerkenswerteste Moment in den USA?
Julius van de Laar: Joe Biden hat am Mittwoch gesagt, er sei nun bereit für eine Debatte. Das ist erstaunlich, denn normalerweise finden die TV-Duelle im Herbst statt, kurz vor den Wahlen. Das Ganze jetzt auf den 27. Juni vorzuziehen, ist bemerkenswert. Dass er, Trump und CNN die Sache unter sich ausmachen und die eigentlich mit den Debatten betraute Kommission außen vor bleibt, ist ein Novum. Vereinbart ist unter anderem schon, dass kein Publikum anwesend sein wird — ein Faktor, von dem sich die Kampagne von Joe Biden einen Vorteil verspricht, da niemand zu Gunsten von Trump reinrufen kann.
Zur Person
Julius van de Laar ist ein international tätiger Politikstratege und Kommunikationsberater. Er lebte 7 Jahre in den USA. Nach dem Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaften an der Furman University in den USA arbeitete er in den US-Präsidentschaftswahlkämpfen 2008 und 2012 als hauptamtlicher Wahlkämpfer für Barack Obama.
Welches Signal will Biden damit senden?
Er weiß, dass er jetzt eine bestehende Dynamik des Wahlkampfes verändern muss. Schauen wir uns eine der jüngsten Umfragen an: Die „New York Times“ hat sie vor ein paar Tagen veröffentlicht, und sie zeichnet ein düsteres Bild für Joe Biden in den Swing States. Demnach liegt Biden in Nevada, Georgia, Michigan und Pennsylvania teilweise deutlich hinter Trump. Nur in Wisconsin liegt er zwei Punkte vorn. In Nevada ist Biden bei 38, Trump bei 50 Prozent der Stimmen. Es ist verheerend. Da gibt es nichts schönzureden. Die Biden-Kampagne setzt jetzt darauf, das TV-Duell vorzuziehen, um — verbunden mit einem hohen Risiko — einen Wahlkampf-Gamechanger einzuleiten. Das ist natürlich ein Drahtseilakt, sie setzen alles auf diese Karte.
Biden hat die Aufforderung an Trump ziemlich humorig verpackt: „Mach mich glücklich, Kumpel … ich habe gehört, du hast mittwochs frei.“ Was verrät uns dieser Stil über Bidens Strategie?
Der Wahltag ist zwar erst am 5. November. Doch schon ab 6. September können Wählerinnen und Wähler in verschiedenen Bundesstaaten zum early voting gehen, also vorab bereits ihre Stimme abgeben. Die erste TV-Debatte nach bisherigem Plan wäre erst am 16. September gewesen. Bidens Team hat die Sorge, dass ihnen die Zeit davonläuft, um das Ruder im Wahlkampf rechtzeitig herumzureißen. Biden ist also in der Defensive – aber seine Aufforderung an Trump sollte keinesfalls so wirken. Das großspurige Auftreten sollte eine Position der Stärke vermitteln.
Trump gilt als schlechter Redner, kann nie mit Details glänzen – warum ist er so scharf auf ein TV- Duell?
Trump ist ein Mann mit großem Ego. Wenn jemand ihn herausfordert, sagt er nicht Nein, sondern trumpft eher noch auf und sagt: Hey, warum nicht gleich vier Duelle? Sein ganzes Narrativ ist: Ich bin der Starke, Joe Biden ist der Schwache. Seinen Gegner herauszufordern, immer mit der Unterstellung, der traue sich ja doch nicht, zahlt auf diese Darstellung ein.
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Wie haben Sie den Auftritt von Stormy Daniels im Schweigegeldprozess empfunden?
Das war sehr plastisch, den Geschworenen und Donald Trump wurden keine Details erspart. Die Verteidigung hat versucht, im Kreuzverhör herauszuarbeiten, dass Stormy Daniels mit der Geschichte viel Geld verdient und Trump schlecht geredet hat. Daniels hat mehr als solide reagiert und genau dargelegt, wie unangenehm Trump der Sex-Skandal war und er vermeiden wollte, dass das an die Öffentlichkeit gerät.
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Gelingt die Strategie der Trump-Verteidigung, den früheren Anwalt Cohen als geldgierigen Lügner zu diskreditieren?
Das würde wahrscheinlich nicht ausreichen. Es muss ums Motiv gehen. Die Anklage will die Jury davon überzeugen, dass Cohen mit Trumps Einverständnis versucht hat, den Skandal vor der Öffentlichkeit zu verbergen und Trump ihn bewusst dafür bezahlt hat. Und zwar nicht, um seiner Familie die hässlichen Details zu ersparen, sondern um die Wahl zu beeinflussen. Trumps Anwälte argumentieren, Cohen habe schon oft gelogen – die Jury solle doch diesmal nicht glauben, es sei anders.
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Joe Biden hat angekündigt, höhere Sonderzölle auf Elektroautos und andere Waren aus China zu erheben. Ein reines Wahlkampfmanöver, wie Peking sagt?
Schauen wir mal auf die drei Jahre, die Biden jetzt im Amt ist: Er hat Trumps Politik von „America first“ in vielen Punkten fortgesetzt, wenn auch mit einer anderen Rhetorik. Letztlich geht es jedem amerikanischen Präsidenten darum, Jobs in den USA zu schützen. Dass Biden ausgerechnet 170 Tage vor der Wahl 100 Prozent Sonderzölle auf chinesische Elektroautos durchsetzt, ist dabei kein Zufall: Gerade in Bundesstaaten wie Michigan mit seiner starken Autoindustrie versucht Biden, damit ein klares Signal zu setzen – und zu zeigen, dass er bereit ist, US-Arbeitsplätze um jeden Preis zu verteidigen.
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