Berlin. Die Kölner Oberbürgermeisterin überlebte nur knapp einen Anschlag – und sieht eine Mitschuld für solche Vorfälle auch bei Politikern.

Der Angreifer sprach erst ganz freundlich mit Henriette Reker. Es war im Oktober 2015, Reker verteilte gerade Blumen auf einem Wochenmarkt. Am Tag darauf sollte die Kölner Oberbürgermeisterwahl stattfinden. Und dann, ganz plötzlich, stach der Mann mit einem Messer zu. Der Stich durchtrennte fast ihre ganze Luftröhre, Reker überlebte nur knapp.

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Immer wieder werden Politiker zum Opfer von Angriffen. In Dresden wurde am vergangenen Wochenende auf den SPD-Politiker Matthias Ecke ein Attentat verübt, er musste notoperiert werden. Am Dienstagabend hat ein Mann die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey angegriffen. Wie blickt Reker, die mittlerweile wiedergewählte Oberbürgermeisterin in Köln ist, auf die Angriffe gegen Politiker? Was sieht sie als Ursache dafür? Ein Interview.

Frau Reker, was haben Sie gedacht, als Sie die Meldungen über Herrn Ecke und Frau Giffey gelesen haben?

Henriette Reker: Ich war betroffen wie immer bei solchen Meldungen, denn auch wenn sich solche Übergriffe häufen, will ich mich nicht daran gewöhnen.

Ist seit dem Angriff auf Sie das Klima gegenüber Politikern gewalttätiger geworden?

Jedenfalls ist unsere Debattenkultur und damit auch unser Umgang untereinander weiter verroht, Hemmschwellen sind gesunken.

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Woran liegt das?

Ich bin keine Soziologin, aber die Aussage von Herta Müller kurz nach dem Attentat auf mich 2015 hat für mich nach wie vor Gültigkeit: „Erst gehen die Hassparolen spazieren, dann die Messer.“ Es ist vor allem die Lust an der permanenten Empörung.

Inwiefern?

Wir dürfen uns nicht wundern, dass wenn einige, auch politische Vertreter von ganz rechts, meinen, man kann sich stets und ständig despektierlich gegenüber den Vertreterinnen und Vertretern des Staates äußern, dass dies dann der ein oder andere Verirrte als Legitimation ansieht, auch übergriffig zu werden.

Mann attackiert SPD-Politikerin Franziska Giffey
Mann attackiert SPD-Politikerin Franziska Giffey

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    Ist eine Erhöhung der Sicherheitsmaßnahmen für Politiker aus Ihrer Sicht aktuell sinnvoll?

    Es darf jedenfalls kein Tabu mehr sein, darüber zu reden, ob auch Schutzmaßnahmen für Politikerinnen und Politiker außerhalb der Landes- und Bundespolitik notwendig sein können. Diese Debatte hat man ja bewusst vermieden, weil wir uns lange diese Gefährdung nicht eingestehen wollten.

    Was kann getan werden, damit solche Angriffe wieder eingedämmt werden?

    Neben Schutzmaßnahmen braucht es einen anderen Umgang. Und wieder mehr Respekt. Wir feiern bald 75 Jahre Grundgesetz, das wäre doch ein schöner Anlass, dass wir uns wieder darüber bewusst werden, was für eine großartige Demokratie wir haben, und dass wir stolz darauf sind. Und dazu gehört dann auch der Respekt gegenüber denjenigen, die sich jeden Tag für unsere Demokratie einsetzen.

    Können Sie das konkretisieren?

    Wie vor 75 Jahren bedarf es jetzt wieder großer politischer Ideen, die attraktiv und unterscheidbar sind. Ideen, die insbesondere die junge Generation begeistern. Ideen, die Gestaltungskraft erzeugen, die zum Einbringen motivieren. Visionen als Gegengift für das gesellschaftliche Klima!