Rom. Ein Schriftsteller will im Staats-TV Kritik an der Premierministerin Giorgia Meloni äußern – und wird ausgeladen. Das schlägt Wellen.

Italiens öffentlich-rechtliche TV-Anstalt Rai und Premierministerin Giorgia Meloni sind mit Zensurvorwürfen konfrontiert. Und dies ausgerechnet zum italienischen Nationalfeiertag der Befreiung am 25. April. An dem gesetzlichen Feiertag gedenkt das Land der Befreiung Italiens von den deutschen Besatzern und deren faschistischen Verbündeten nach den Aufständen der Partisanen im April 1945. Seit jeher spaltet der Feiertag die Nation.

Denn während sich Linksparteien und ihre Anhänger mit Enthusiasmus an den jährlichen Paraden in Andenken an den bewaffneten Kampf der antifaschistischen Partisanen beteiligen, feiern die Rechtsparteien nicht mit. Die Regierungspartei „Brüder Italiens“ um Premierministerin Meloni, die ihre postfaschistischen Wurzeln nie verleugnet hat, hält vom „Tag der Befreiung“ wenig und ignoriert ihn weitgehend. Auch in diesem Jahr scheiden sich um den „Tag der Befreiung“ die Geister.

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Zum Nationalfeiertag sollte der Schriftsteller Antonio Scurati auf dem staatlichen Sender Rai einen Monolog zum Thema Antifaschismus halten. Da sein Kurzessay Kritik an Meloni und ihrer mangelnden Distanzierung vom Faschismus beinhaltete, wurde er kurzfristig wieder ausgeladen.

Bekannter Autor ausgeladen wegen Kritik an Meloni?

Der 54-jährige Scurati, der unter anderem ein bekanntes Buch zu Mussolini veröffentlicht hat, hätte am Samstagabend in der Sendung „Chesarà“ (etwa: Was wird sein) des Senders Rai 3 einen Monolog aus Anlass des „Tags der Befreiung“ verlesen sollen. Dies löste eine hitzige Kontroverse aus. Rai beschloss die Auflösung von Scuratis Vertrag mit der Begründung, man wolle nicht 1.800 Euro für die Verlesung eines eine Minute langen Monologs zahlen. Daraufhin stellte Scurati der Moderatorin Serena Bortone sein Kurzessay kostenfrei zur Verfügung, die den Text dann in ihrer Sendung verlas.

Antonio Scurati ist in Italien ein bekannter Schriftsteller. Er fühlt sich drangsaliert.
Antonio Scurati ist in Italien ein bekannter Schriftsteller. Er fühlt sich drangsaliert. © Europa Press via Getty Images | Europa Press News

In seinem Text, der am Sonntag auch von zahlreichen Zeitungen veröffentlicht wurde, erinnert Scurati an die Ermordung des sozialistischen Politikers Giacomo Matteotti durch Mussolinis Faschisten am 10. Juni 1924, sowie an die Massaker italienischer Zivilisten seitens der Wehrmacht im Frühjahr 1944. Er beklagte, dass Meloni sich niemals „von ihrer neofaschistischen Vergangenheit gelöst“ habe. Sie und ihre „postfaschistische Partei“ würden stattdessen versuchen, „die Geschichte umzuschreiben“.

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Der Text des Monologs wurde später im Internet veröffentlicht und von Premierministerin Meloni auf ihrem Facebook-Profil geteilt. „In einem Italien mit so vielen Problemen sorgt die Linke wieder unnötig für Auseinandersetzungen. Die Linke beklagt Zensur, die Rai entgegnet, sie habe sich einfach geweigert, 1800 Euro (das Monatsgehalt vieler Angestellter) für einen einminütigen Monolog zu zahlen. Ich weiß nicht, wo die Wahrheit liegt, aber ich veröffentliche nun selber den Text des Monologs (für den ich hoffentlich nicht bezahlen muss)„, schrieb Meloni in sozialen Netzwerken.

Journalisten im Land treten in fünftägigen Streik

Scurati erwiderte, dass das Thema seines Honorars nur ein Vorwand sei, um ihn zum Schweigen zu bringen. Dies sei Gewalt, beklagte der Autor. „Es ist hart, ermüdend und schmerzlich: Plötzlich befinde ich mich als Schriftsteller im Zentrum einer heftigen, rücksichtslosen politisch-ideologischen Kontroverse, die aus verunglimpfenden persönlichen Angriffen besteht“, kritisierte der Autor. Er werde als „Profiteur, fast als Erpresser“ dargestellt. Die Journalistengewerkschaft Usigrai kritisierte, dass die „Kontrolle der Rai-Spitze über die Informationen von Tag zu Tag erdrückender“ werde und kündigte einen fünftägigen Streik an.

Auch in der Opposition löste die Ausladung Scuratis einen Sturm der Entrüstung aus. Elly Schlein, Chefin des sozialdemokratischen Partito Democratico, warf der Rechtsregierung „Zensur und Gewalt“ vor. Meloni wird seit Monaten beschuldigt, mehrere Spitzenpositionen in der Rai mit Vertrauensleuten besetzt zu haben. So hat die öffentlich-rechtliche TV-Anstalt einige ihrer Starjournalisten verloren, die zu Privatsendern abgewandert sind. Bianca Berlinguer, Moderatorin der populären Sendung Cartabianca und Tochter des langjährigen Generalsekretärs der Kommunistischen Partei Italiens, Enrico Berlinguer, verließ im Juli den Sender und wechselte zum Konkurrenten Mediaset, der TV-Gruppe des im Juni verstorbenen Ex-Premiers Silvio Berlusconi.

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    Wichtige Aushängeschilder wie die Starjournalisten Fabio Fazio, Lucia Annunziata, sowie der beliebte Showmaster Amadeus, der unter anderem 2020 bis 2024 das Sanremo-Festival moderierte, haben dem Sender ebenfalls den Rücken gekehrt. Die Abgänge haben in Italien starkes Echo ausgelöst. Die Opposition beschuldigt die Regierungschefin, die Rai in ein „Tele-Meloni“ umgewandelt zu haben, der Pluralismus bei der Berichterstattung sei in Gefahr. Die Rechtsregierung sei dabei, die öffentlich-rechtliche TV-Anstalt in ein „Fernsehen des Regimes“ umzumodeln.

    Meloni möchte „leistungsorientiertes Fernsehsystem“

    Die Rai verliere hoch qualifizierte Fachleute, ihr Weggang bedeute eine Verarmung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zugunsten der Konkurrenz, warnen Oppositionspolitiker. „Wir sind beunruhigt, weil die Regierung die Besetzung von Schlüsselpositionen bei der Rai vorantreibt. Es ist bedenklich, dass es an einer strategischen Perspektive mangelt“, warnte zuletzt Oppositionschefin Schlein. „Die Regierung ist nur vom Wunsch getrieben, das öffentliche Fernsehen zu kontrollieren.“

    Die seit Oktober 2022 amtierende Meloni sieht die Lage anders. „Ich möchte die italienische Kultur von einem intoleranten Machtsystem befreien, in dem man bisher nicht arbeiten konnte, wenn man sich nicht zu einer bestimmten politischen Partei bekannte. Ich möchte ein leistungsorientiertes und pluralistisches Fernsehsystem, das jeden vertritt und jedem Platz einräumt, basierend auf Leistung und Verdienst“, sagte Meloni jüngst.

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