Peking. Ist der Bundeskanzler bei seinem Besuch in Peking so erfolgreich wie beim letzten Mal oder bringt er nur Handelsverträge mit?

Erst einmal zum Positiven: Äpfel und Rindfleisch. Abfall und Autos. China hat zugesagt, wieder Rindfleisch sowie frische Äpfel aus Deutschland einzukaufen. Außerdem vereinbaren beide Länder einen Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft sowie eine Zusammenarbeit beim automatisierten Fahren.

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Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, Umweltministerin Steffi Lemke und Verkehrsminister Volker Wissing sind eigens nach Peking gereist, um die Dokumente zu unterzeichnen.

Ein seltenes Treffen mit Chinas Staatspräsident Xi Jinping

Während der Zeremonie sitzt Olaf Scholz vor deutschen und chinesischen Flaggen an einem schweren Tisch und schaut mit ernster Miene zu. Er hat einen langen Tag hinter sich, der im Staatsgästehaus Diaoyutai der chinesischen Regierung begann. Dort empfängt Staatspräsident Xi Jinping den deutschen Kanzler zunächst zum Gespräch mitsamt Beratern. Es folgen ein Austausch zu zweit bei einer Teezeremonie und ein Mittagessen im größeren Kreis.

Solche ausführlichen Termine mit dem chinesischen Machthaber sind für westliche Politiker selten, Scholz und seine Berater sehen darin eine wichtige Chance, dem starken Mann in Peking ihre Sichtweise der Weltlage zu schildern.

China hat zugesagt, wieder Rindfleisch sowie frische Äpfel aus Deutschland einzukaufen.
China hat zugesagt, wieder Rindfleisch sowie frische Äpfel aus Deutschland einzukaufen. © DPA Images | Michael Kappeler

Es ist der zweite Besuch des Kanzlers in Peking seit seinem Amtsantritt. Erstmals besuchte Scholz Chinas Präsidenten im November 2022. Aufgrund der damals noch strengen Corona-Auflagen absolvierte er den Kurztrip ohne Übernachtung vor Ort. Damals flog Scholz mit dem Erfolg zurück, dass Peking Wladimir Putin deutlich vor dem Einsatz von Atomwaffen warnte. Nun nahm der Kanzler sich drei Tage Zeit für das Land. Die politischen Gespräche in Peking sind der Abschluss.

Xi begrüßt den Bundeskanzler freundlich: „Ich heiße Sie herzlich willkommen zu einem erneuten Chinabesuch im Frühling. Ich freue mich sehr, Sie wiederzusehen.“ Beide sitzen sich mit ihren Beratern an langen braunen Holztischen gegenüber, zwischen ihnen ein buntes Blumenmeer. Solange Kameras mitlaufen, geht Xi nicht ins Detail, zeichnet große Linien. Chinas Staatschef zeigt den Willen zur Zusammenarbeit bei globalen Problemen.

Scholz spricht den wundesten Punkt in den deutsch-chinesischen Beziehungen an

„Wir sind in eine neue Epoche der Turbulenzen und Umbrüche eingedrungen. Die Risiken, vor denen die ganze Menschheit steht, nehmen zu“, sagt Xi. Es sei daher unabdingbar, dass zwischen den „Großmächten“ die Kooperation die Oberhand gewinne. „China und Deutschland sind weltweit die Volkswirtschaften Nummer zwei und drei“, fährt der Staatschef fort. „Gemeinsam können wir der Erde mehr Stabilität und Sicherheit einhauchen.“

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    Genau das wünscht sich Scholz von Peking. Die Bundesregierung wartet jedoch darauf, dass solchen Worten Taten folgen. „Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sowie die Aufrüstung Russlands haben ganz erhebliche negative Auswirkungen auf die Sicherheit in Europa“, spricht Scholz nach wenigen Begrüßungssätzen den derzeit wundesten Punkt in den deutsch-chinesischen Beziehungen an. „Sie beeinträchtigen unsere Kerninteressen unmittelbar.“ Mit Xi wolle er besprechen, „wie wir mehr zu einem gerechten Frieden in der Ukraine beitragen können“.

    Xi steht an der Seite des russischen Staatschefs Wladimir Putin und liefert seinem Verbündeten nach Erkenntnissen des Westens zwar keine Waffen, aber sogenannte Dual-use-Güter. Also Teile, die nicht nur in zivile Produkte eingebaut werden können, sondern auch in Raketen, Panzer und Flugzeuge. Ohne Pekings Hilfe könnte Putin seinen Krieg gegen die Ukraine so nicht führen, ist die Bundesregierung überzeugt. Scholz will, dass Chinas Machthaber diese Lieferungen stoppt und eine im Sommer in der Schweiz geplante Friedenskonferenz für die Ukraine unterstützt – und im besten Fall auch daran teilnimmt.

    Scholz verlangt faire Wettbewerbsbedingungen

    China ist außerdem Deutschlands wichtigster Handelspartner. Der von einer Unternehmerdelegation begleitete Scholz hat mit seinen Besuchen in den Wirtschaftszentren Chongqing und Schanghai deutlich gemacht, dass er trotz aller Debatten über die Risiken einer zu engen Verflechtung nichts dagegen hat, wenn das so bleibt. Aber Scholz hat Forderungen.

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    Er habe „eindrucksvoll erlebt, wie deutsche Unternehmen in China zu Wachstum, Innovation und Nachhaltigkeit beitragen“, betont Scholz. Er verlangt faire Wettbewerbsbedingungen für die mehr als 5000 deutschen Firmen, die in China produzieren, investieren und forschen. Scholz kritisiert zudem, dass Peking die Überproduktion seiner Industrie zu staatlich subventionierten Kampfpreisen auf den Weltmarkt wirft.

    Scholz schätzt Xi als Gesprächspartner. Der Chinese liest keine Sprechzettel ab, sagt seine Meinung, ist an der seines Gegenübers interessiert. Mehr als drei Stunden nimmt sich Xi Zeit für den Gast aus Deutschland, allein die Teezeremonie dauert 45 Minuten und damit deutlich länger als erwartet. Der Krieg in der Ukraine nimmt großen Raum ein. „Alle Länder müssen am Tisch sitzen. Keins darf auf der Speisekarte stehen“, wird Xi im Anschluss zitiert.

    China betont, nicht am Ukraine-Krieg beteiligt zu sein

    Eine Mahnung an Putin, dass er sich nicht die Ukraine einverleiben darf? Xi selbst kann man nicht fragen. Eine Pressekonferenz mit dem Präsidenten ist in dem auf der Rangliste der Pressefreiheit auf dem vorletzten Platz liegenden China nicht vorgesehen.

    Mehr Informationen gibt es später. Auf dem Ostplatz vor der Großen Halle des Volkes flattern rote Fahnen im Wind, Salutschüsse hallen von dem riesigen Gebäude zurück, eine Militärkapelle schmettert die Nationalhymnen. Ministerpräsident Li Qiang empfängt Scholz mit militärischen Ehren, später geben die beiden Statements vor den Medien ab – Fragen sind nicht erlaubt. Dies geschehe in „gegenseitigem Einvernehmen“, erklären die Gastgeber.

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    Li spricht wortreich davon, dass China die Wirtschaftsbeziehungen ausbauen wolle. Die Kritik der Wettbewerbsverzerrung durch die zu Dumpingpreisen verscheuerte Überproduktion weist der Ministerpräsident allerdings weit und deutlich von sich. Zu dem Vorwurf, dass China kriegsrelevante Güter an Russland liefere, äußert Li sich nicht. Das Außenministerium verbreitet jedoch eine Erklärung, in der betont wird, China sei keine Partei und kein Beteiligter an dem Krieg.

    „Wir leben auf unserem Planeten alle gemeinsam“

    Scholz zählt die Punkte auf, auf die er sich mit Xi einigen konnte. Gemeinsam warnen sie Putin erneut vor dem Einsatz von Atomwaffen und Angriffen auf Atomkraftwerke in der Ukraine. Sie fordern, dass durch den Krieg die Ausfuhr von Getreide nicht behindert werden darf, sowie einen Schutz der Zivilbevölkerung.

    Als Erfolg deutet die Kanzlerdelegation, dass China in einer schriftlichen Erklärung das Bekenntnis abgibt, sich „intensiv und positiv“ mit Deutschland über die „Ausrichtung einer hochrangigen Konferenz in der Schweiz“ und zukünftiger internationaler Friedenskonferenzen abzustimmen. Eine Zusage für eine Teilnahme ist das zwar nicht, aber immerhin.

    „Wir leben auf unserem Planeten alle gemeinsam“, sagt Scholz zum Ende des Auftritts von Ministerpräsident Li. „Deshalb ist es wichtig, dass wir miteinander sprechen, uns gegenseitig zuhören, gemeinsam handeln.“ Das, so scheint es, musste aus Sicht des Kanzlers in Peking noch einmal betont werden.