London. Seine Anwälte wehren sich erfolgreich gegen die Auslieferung von Assange. Indes sorgt ein Bericht über ein Angebot für Furore.
Aufatmen im Team von Julian Assange.
Der Whistleblower hat in seinem Kampf gegen die Auslieferung an die USA eine weitere Verschnaufpause erhalten
. Der High Court in London gab der US-Regierung in einer am Dienstagvormittag veröffentlichten Entscheidung drei Wochen Zeit, eine Reihe von Zusicherungen abzugeben. Sollten sich die USA weigern, würden die Richter Assanges Antrag gewähren, ein weiteres Mal in Großbritannien gegen seine Auslieferung in Berufung zu gehen.
„Werden diese Zusicherungen nicht abgegeben, dann wird die Erlaubnis zur Berufung erteilt und es wird dann eine Berufungsanhörung geben“, schrieben die Richter in einer Zusammenfassung ihres Urteils. Sollten die USA die Zusicherungen abgeben, „werden wir den Parteien die Möglichkeit geben, weitere Stellungnahmen abzugeben, bevor wir eine endgültige Entscheidung über den Antrag auf Erlaubnis zur Berufung treffen.“
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So soll sich Assange im Fall einer Auslieferung auf den Ersten Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten berufen können. Dieser schützt die Meinungsfreiheit. Die beiden Richter verlangten zudem Zusicherungen, dass Assange weder bei der Verhandlung noch bei der Verurteilung wegen seiner australischen Staatsangehörigkeit benachteiligt würde. Die USA müssten zudem zusichern, dass Assange im Fall einer Verurteilung nicht zum Tode verurteilt würde.
Assange sitzt seit Jahren im Hochsicherheitsgefängnis
Die Richter wiesen jedoch einige andere Argumente, die Assanges Anwälte vorgebracht hatten, zurück – etwa, dass Assange wegen seiner politischen Ansichten verfolgt werde. Die nächste Anhörung soll am 20. Mai erfolgen. Dann werden die Richter darüber entscheiden, ob die USA die geforderten Bedingungen erfüllt haben.
Assange drohen in den USA bis zu 175 Jahre Haft. Seine Enthüllungsplattform Wikileaks hatte 2010 und 2011 hunderttausende interne Dokumente des US-Militärs und geheime diplomatische Depeschen veröffentlicht. Die Dokumente enthielten Hinweise darauf, dass es sowohl in Afghanistan als auch im Irak mehr zivile Todesopfer durch amerikanische und Koalitionstruppen gab, als Washington öffentlich zugab. Die Papiere deuteten zudem darauf hin, dass die USA wussten, dass irakische Sicherheitskräfte Kriegsgefangene folterten. Die Enthüllungen sorgten für einen weltweiten Aufschrei und brachten Washington in Erklärungsnot.
Der kontroverse Aktivist war 2012 in die ecuadorianische Botschaft in London geflohen, um sich einer Auslieferung nach Schweden zu entziehen. Dort warfen ihm zwei Frauen sexuelle Übergriffe während eines Stockholm-Besuchs im August 2010 vor. Im April 2019 – und nach reichlich Streit mit den Gastgebern – gab die Regierung Ecuadors grünes Licht für Assanges Festnahme in der Botschaft. Ein Gericht verurteilte Assange zu 50 Wochen Haft, weil er gegen seine Kautionsauflagen verstoßen hatte. Der WikiLeaks-Gründer landete im Belmarsh-Hochsicherheitsgefängnis im Osten Londons. Dort sitzt er bis heute fest.
Im Fall einer Verurteilung drohen Assange 175 Jahre Haft
Denn nach seiner Festnahme machten die USA eine versiegelte Anklage aus dem Jahr 2018 öffentlich. Darin wurde Assange vorgeworfen, er habe sich an einer Verschwörung zum Eindringen in Computersysteme beteiligt. Am 23. Mai 2019 fügte eine US-Geschworenenjury 17 Spionageanklagen hinzu. Seitdem drohen Assange im Fall einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft. Die schwedischen Behörden ließen ihre Vorwürfe fallen, um eine Auslieferung an die USA zu ermöglichen. Im Sommer 2022 genehmigte die damalige britische Innenministerin Priti Patel Assanges Auslieferung an die USA.
Seine Anwälte versuchen seitdem, die Auslieferung vor britischen Gerichten zu stoppen. Hätten die Richter des Hight Courts den Antrag seiner Verteidiger am Dienstag auf eine weitere Berufung in Großbritannien zurückgewiesen, hätten Assanges Anwälte nur noch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg in einem Eilantrag darum bitten können, die Auslieferung zu stoppen. Doch die Regierung von Rishi Sunak hätte einer Entscheidung zuvorkommen können, indem sie Assange so schnell wie möglich in einen Flieger in Richtung USA setzt.
Die USA könnten den Aufschub, den die Richter Assange gewährt haben, nun auch dazu nutzen, um das scheinbar endlose juristische Hickhack abzukürzen und auf eine Auslieferung zu verzichten. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden steckt in Sachen Assange ohnehin in einem Dilemma: Präsident Barack Obama hatte während seiner Amtszeit aus Sorge um die Pressefreiheit darauf verzichtet, gegen Assange wegen der Leaks vorzugehen.
Gerüchte über ein Vergleichsangebot weisen Anwälte zurück
Die Trump-Regierung trieb hingegen eine Anklage unter dem kontroversen Espionage Act aus dem Jahr 1917 voran. Das entbehrte nicht einer gewissen Ironie: Schließlich hatte WikiLeaks 2016 mit der Veröffentlichung Tausender interner E-Mails des nationalen Organisationsgremiums der Demokratischen Partei der Kampagne der damaligen demokratischen Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton erheblichen Schaden zugefügt. Sicherheitskreise vermuten, dass russische Hacker hinter dem gewaltigen Leak steckten. Es ist gut möglich, dass dieser Leak Trump dabei geholfen hat, die Präsidentschaftswahl knapp zu gewinnen.
Nun scheint es innerhalb der Biden-Regierung Überlegungen zu geben, Assange ein Vergleichsangebot zu machen, das es ihm erlauben würde, sich des weitaus weniger schweren Vorwurfs schuldig zu bekennen, Geheimdokumente fahrlässig behandelt zu haben. Alle anderen Anklagepunkte sollten im Gegenzug fallengelassen werden, berichtete das Wall Street Journal. Assanges Haftzeit in London könnte auf seine Strafe angerechnet werden, und er könnte umgehend freikommen. Assanges Anwälte erklärten nach dem Bericht jedoch, sie wüssten nichts von einem solchen Vergleichsangebot.
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