Moskau. Promis tanzen nackt auf Partys in Moskau und St. Petersburg – Russlands Präsident vergleicht sie nun mit Soldaten an der Front.

„Fast nackt“ hieß das Motto der Party im Moskauer Nachtclub Mutabor. Eingeladen hatte die Bloggerin Nastja Iwlejewa – und alle kamen. „Fast nackt“ zeigte sich die Prominenz aus Russlands Showgeschäft. Der russische Rapper Vacio gar tanzte komplett nackt, nur eine Socke verhüllte seinen Penis. Schrille Events sind in Moskaus Partyszene nichts Ungewöhnliches. Doch diesmal ist alles anders.

Tagelang flimmerten die Videos aus den sozialen Netzwerken im russischen Staatsfernsehen. Vor allem die Ultrakonservativen im Land regten sich auf. Eine schrille Party in Zeiten, in denen Schwule und Lesben zunehmend diskriminiert werden, in denen die traditionelle Ehe und Familie propagiert wird?

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Videos von vermummten Soldaten, angeblichen Frontkämpfern, tauchten auf, die die Feier wegen der Kriegszeiten als anstößig verurteilten und Ermittlungen forderten. Nun hat sich die russische Medienaufsichtsbehörde eingeschaltet, man ermittelt wegen des Verdachts der „LGBT-Propaganda“. Die LGBT-Bewegung ist als „extremistisch“ eingestuft, Aktivisten der Szene werden strafrechtlich verfolgt.

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Putin hielt den Nackttänzern die Soldaten an der Front vor

Erstmals äußerste sich jetzt Russlands PräsidentWladimir Putin zur umstrittenen Party. Noch Ende Dezember wollte sein Sprecher den Vorfall nicht kommentieren. Journalisten sollten „die Einzigen im Land bleiben, die dieses Thema nicht diskutieren“. Jetzt verglich Putin die Nackttänzer mit den Soldaten an der Front. Der Nachrichtenagentur Tass zufolge hätten laut Putin Letztere die korrekten Lebenswerte, und nicht spärlich bekleidete, fröhliche Stars. „Man wird bei einer Veranstaltung nicht mehr ohne Hosen herumspringen können“, so der Kremlchef.

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Russland verbietet weltweite LGBT-Bewegung

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    Entsprechend hart die Konsequenzen. Der Nachtclub muss für 90 Tage schließen. Wegen des Verstoßes gegen „hygienische und epidemiologische Auflagen“. Ein Moskauer Gericht verurteilte die Organisatorin, die Bloggerin Nastja Iwlejewa, zu einer Geldstrafe von 100.000 Rubel, rund 1000 Euro. Wegen Verstößen „gegen die öffentliche Ordnung in Form von Nacktheit der Bürger und Verletzung der Menschenwürde, Propaganda nicht traditioneller sexueller Beziehungen und obszöner Sprache“. Doch Nastja Iwlejewa droht noch eine weit höhere Strafe. Laut der Nachrichtenagentur Ria läuft gegen sie eine Klage auf Schadenersatz wegen „moralischen Schadens“ in Höhe von einer Milliarde Rubel. Das wären zehn Millionen Euro.

    Russland: Einige der prominenten Gäste entschuldigten sich

    Und auch die „fast nackten“ Partygäste geraten zunehmend unter Druck. Die Parlamentsabgeordneten Sergej Mironow und Oleg Morosow schlugen vor, den Partygästen Auszeichnungen vorzuenthalten und ihnen zu verbieten, bei Auftritten in Russland Geld zu erhalten. Prominente Gäste wie der russischeESC-Gewinner Dima Bilan, Popstar Filipp Kirkorow und die bekannte Journalistin Xenia Sobtschak haben sich inzwischen öffentlich entschuldigt.

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    Stars wie die Sängerin Lolita Miljawskaja beklagen ein Quasi-Auftrittsverbot. Ihren Angaben zufolge sind seither mehrere Veranstaltungen abgesagt worden – unter anderem ihre Beteiligung am traditionellen Neujahrskonzert russischer Showgrößen. Filipp Kirkorow, dem „König der russischen Popszene“, droht laut Medien die Aberkennung des Titels „Volkskünstler“ durch das Kulturministerium. Der 56-Jährige habe sich mit seinen Anwälten getroffen, berichtete die Boulevardzeitung „Moskowski Komsomolez“. Seine Sprecherin beklagt, dass seine Internetseite blockiert sei. Der Rapper Vacio, der auf Bildern der Party nur mit einer Socke über den Genitalien zu sehen war, wurde zu 15 Tagen Gefängnis verurteilt und in ein Rekrutierungszentrum des Militärs vorgeladen.

    Behörden in Russland befürchten Nachahmer – nicht ohne Grund

    Harte Reaktionen gegen ein schrilles, aber eigentlich unbedeutendes Event. Die Behörden befürchten wohl Nachahmer, vielleicht sogar Protest gegen die neue Sexualmoral in Russland. Ein erstes Beispiel gibt es schon: Am 7. Januar trat Maxim Tesli, Leadsänger und Songwriter der Popgruppe Puppies, nur mit einer Socke bekleidet in einem Sankt Petersburger Club auf. Irgendwann fiel die Socke herunter, der Musiker hob sie auf, winkte dem Publikum mit den Worten „Danke, Petersburg“ zu und verließ die Bühne.

    Nach Augenzeugenberichten durchsuchte danach die Polizei den Club. Zwei Tage später wurde der Musiker am Petersburger Flughafen festgenommen. Wegen „geringfügigen Rowdytums und Verletzung der öffentlichen Ordnung“ verurteilte man Tesli zu zehn Tagen Haft.