Den Haag/Brüssel. Rechtsruck in Europa: Wird der Islamfeind Geert Wilders Regierungschef? Seine Ziele, seine Taktik und die Gründe für den Erfolg.
Er will die Grenzen für Asylbewerber dichtmachen, den Koran verbieten, alle Moscheen schließen – jetzt könnte er Regierungschef der Niederlande werden: Der Rechtspopulist Geert Wilders hat in einem Erdrutschsieg die Parlamentswahlen in den Niederlanden gewonnen. Wilders erhob noch in der Nacht den Anspruch auf das Ministerpräsidentenamt und rief die anderen Parteien auf, über ihren Schatten zu springen. Seine Freiheitspartei könne nun „nicht mehr ignoriert werden“, sagte er vor Anhängern. „Die Niederländer hoffen, dass die Menschen ihr Land zurückbekommen und dass wir dafür sorgen, dass der Tsunami von Asylbewerbern und Einwanderern reduziert wird.“ Dass der 60-Jährige tatsächlich Ministerpräsident wird, scheint zunächst nicht wahrscheinlich, dem Land steht eine lange Regierungsbildung bevor.
Nach den Hochrechnungen kommt Wilders‘ Partei für die Freiheit (PVV) auf 35 der 150 Sitze im Parlament – doppelt so viele wie bei der letzten Wahl und deutlich mehr, als die rechtsliberale Volkspartei VVD von Dilan Yesilgöz erzielte. Die VVD hatte bisher mit Mark Rutte den Ministerpräsidenten gestellt, nun büßt sie ein Drittel ihrer Sitze ein und kommt noch auf 24 Mandate. Das vom früheren EU-Kommissar Frans Timmermans angeführte Bündnis aus Grünen und Sozialdemokraten kommt auf 25 Sitze. Die erst vor wenigen Wochen gegründete Partei NSC des ehemaligen Christdemokraten Pieter Omtzigt wird in der Prognose auf 20 Sitze taxiert.
Niederlande: Wilders profitiert von taktischem Schwenk der Rechtsliberalen – Kritik von Opposition
Wilders‘ Erfolg hatte sich in den Umfragen zuletzt schon abgezeichnet. Er profitierte von zwei Entwicklungen im Wahlkampf: Zum einen war das Thema Migration, das er ins Zentrum seiner Kampagne rückte, im Wahlkampf auch bei anderen Parteien und in den Debatten das Topthema. Vor allem die Rechtsliberalen setzten massiv auf Vorbehalte gegen weitere Zuwanderung. Yesilgöz hat zwar selbst einen Migrationshintergrund, sie wurde in Ankara geboren, ihre Eltern flohen wegen eines Militärputsches aus der Türkei – aber im Wahlkampf machte sie sich für eine Eindämmung von Migration stark. Möglicherweise spielte das am Ende Wilders in die Karten.
Wilders profitierte zudem von einem taktischen Schwenk der Rechtsliberalen: Yesilgöz hatte eine Koalition mit Wilders nicht ausgeschlossen – anders als die VVD bisher. Damit sei Wilders salonfähig gemacht worden, beklagten Oppositionsparteien. Für Wähler sei eine Stimme für Wilders attraktiver geworden, weil damit eine Machtperspektive einherging – zum ersten Mal, nachdem Wilders mit seiner Partei bereits seit zwei Jahrzehnten an Wahlen teilnimmt. Der 60-Jährige warb damit, dass eine Stimme für ihn die beste Wahl für alle Niederländer sei, die eine rechtsorientierte Regierung wollten.
Niederlande: Wilders trat zuletzt deutlich gemäßigter auf
Der Wahlsieger hatte zugleich eine Charme-Offensive gestartet und war deutlich gemäßigter aufgetreten als bisher, weshalb ihm Medien den Spitznamen „Geert Milders“ gaben. Vor allem im rhetorischen Kampf gegen den Islam hatte er abgerüstet und erklärt, dieses Thema habe erst mal keine Priorität mehr. Wilders war ursprünglich Mitglied der Rechtsliberalen, überwarf sich aber 2004 mit ihnen und gründete dann seine eigene Partei für die Freiheit, deren einziges Mitglied er ist. Im Parlament sitzt er seit 25 Jahren, dort polarisiert er mit Hetzreden gegen Migranten oder die EU. Zentral ist sein Feldzug gegen den Islam: Er forderte schon eine Steuer für Musliminnen mit Kopftuch oder verglich den Koran mit Hitlers „Mein Kampf“. Für radikale Islamisten ist er deshalb zum Feindbild geworden, nach Todesdrohungen steht Wilders unter ständigem Personenschutz.
Mit seinem Erfolg setzt sich ein Rechtsruck in Europa fort: Zuletzt waren rechtsnationale Parteien in Finnland und Schweden in die Regierung eingezogen, in Italien wurde Georgia Meloni von der postfaschistischen Partei Fratelli d´Italia sogar Ministerpräsidentin. Bei den Wahlen in Österreich im kommenden Jahr könnte die rechtspopulistische FPÖ laut Umfragen auf Platz eins landen. In Polen hatte dagegen die rechtsnationale PiS-Partei die Wahl im Oktober verloren. Rechte Parteien aus Europa gratulierten Wilders noch in der Nacht: Die
AfD-Vorsitzende Alice Weidel
sprach von einem großen Erfolg, auch der ungarische Premier Viktor Orbán, der italienische Vize-Regierungschef Matteo Salvini und Marine Le Pen aus Frankreich überbrachten Glückwünsche.
Niederlande: Für eine Regierungskoalition braucht Wilders mindestens zwei Partner
Damit Wilders nun tatsächlich Ministerpräsident werden kann, braucht er mindestens zwei Koalitionspartner. Rechnerisch wäre ein Rechtsbündnis möglich, das von Wilders geführt würde. Aber es ist zunächst nicht in Sicht: Yesilgöz hatte eine Zusammenarbeit zwar nicht ausgeschlossen, lehnt aber eine Regierungsbeteiligung unter einem Ministerpräsidenten Wilders ab. Wilders hatte 2010 schon einmal eine Minderheitsregierung unter Premier Mark Rutte toleriert, die Zusammenarbeit scheiterte aber zwei Jahre später.
Der Konservative Pieter Omtzigt mit seiner Parteineugründung NSC hat eine Zusammenarbeit mit Wilders ursprünglich abgelehnt, da dieser verfassungsfeindliche Positionen vertrete – doch in der Wahlnacht deutete Omtzigt an, dass dies nicht das letzte Wort gewesen ist. Frans Timmermans, Chef des linken Bündnisses, schloss eine Koalition hingegen erneut aus: „Jetzt ist es an der Zeit, die Demokratie zu verteidigen“, sagte Timmermans.
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