Washington. In den Vereinigten Staaten wird der Protest gegen die Unterstützung Israels immer lauter – erst recht im Lager der Demokraten.

Polizisten in Kampfausrüstung, die mit Schlagstöcken aggressive Demonstranten in Schach halten, hatte man in Washington zuletzt beim blutigen Umsturzversuch Tausender Fans von Ex-Präsident Donald Trump im Januar 2021 gesehen.

Am Mittwochabend nun waren in einem ganz anderen Kontext Trumps Nachfolger Joe Biden und die ihn tragende Partei das Ziel wütender Proteste, die mithilfe der Staatsgewalt aufgelöst wurden. Rund 150 Teilnehmer einer von jüdischen Pro-Palästina-Gruppen wie „Jewish Voice for Peace“ organisierten Demonstration wollten in Rufweite des Kapitols in die Parteizentrale der Demokraten eindringen, um ihrer Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand im Gaza-Steifen Nachdruck zu verleihen und die Israelpolitik des US-Präsidenten zu kritisieren.

Washington: Pfefferspray gegen wütende Demonstranten

Die Polizei setzte Pfefferspray ein, es kam zu einem Handgemenge. Etliche Personen, darunter sechs Beamte, trugen leichte Verletzungen davon. Dutzende wurden vorübergehend verhaftet. Einige prominente Kongress-Abgeordnete, die zu dieser Zeit im Gebäude an der South Capitol Street waren, wurden vorsorglich evakuiert.

Die Szenen am Hauptquartier der Demokraten stehen beispielhaft für die immer hitziger werden Debatte in der Frage, wie weit die US-Unterstützung für die israelische Regierung von Benjamin Netanjahu noch gehen darf. Israels Premier lässt Gaza seit Wochen durchkämmen und zerstören – als Reaktion auf die Terror-Anschläge der radikal-islamischen Hamas Anfang Oktober, der mehr als 1.400 Israelis zum Opfer fielen.

UN-Sicherheitsrat fordert
UN-Sicherheitsrat fordert "humanitäre Pausen" für Gazastreifen

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    Für Joe Biden steckt darin ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl Sprengstoff. Knapp 50 Prozent der demokratischen Wählerschaft halten seine Israelpolitik für falsch. Bei einer der größten Demonstrationen, die Washington in den vergangenen Jahrzehnten gesehen hat, ergriffen vor knapp zwei Wochen über 200.000 Menschen das Wort für ein „freies Palästina“.

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    Sie beklagten das Leid der Zivilbevölkerung in Gaza. Nach palästinensischen Zahlen, die von der US-Regierung als seriös betrachtet werden, starben seit dem 7. Oktober mehr als 11.000 Menschen im Gazastreifen, darunter 40 Prozent Kinder. Joe Biden wurde bei dem Protest in der Nähe des Weißen Hauses als „Genozid-Joe“ gegeißelt, der Israel zu viel freie Hand lasse. Arabischstämmige Amerikaner, die in Bundesstaaten wie Michigan eine wichtige Wählergruppe darstellen, wollen ihm am 5. November 2024 an der Wahlurne die Quittung dafür ausstellen. Das kann Biden entscheidende Stimmen kosten.

    In dieser Woche konterten gut 250.000 Unterstützer beim „Marsch für Israel“ auf der „Mall“ in Washington das Bild und stellten sich vehement hinter die Aussage, dass Israel jedes Recht besitze, sich gegen die existenzielle Bedrohung durch die Hamas zur Wehr zu setzen.

    Doch Bidens bisherige Linie – er schließt sich den Forderungen eines Waffenstillstands nicht an, solange die Hamas nicht neutralisiert ist – trifft auch in der eigenen Regierung auf massiven Widerspruch. In einem offenen Brief, den über 500 Angestellte quer durch alle Ministerien unterschrieben haben, heißt es: „Wir appellieren an Präsident Biden, dass er dringend eine Feuerpause fordert sowie die Deeskalation des derzeitigen Konflikts durch die sofortige Freilassung der israelischen Geiseln und willkürlich verhafteter Palästinenser. Ebenso die Wiederherstellung der Wasser- und Stromversorgung und anderer Grundversorgung wie auch der mit Benzin. Ebenso die Lieferung adäquater Hilfsgüter in den Gaza-Streifen.“

    In Regierungskreisen in Washington wird inoffiziell eingeräumt, dass man sich von der Regierung Netanjahu mehr „Entgegenkommen in humanitären Fragen“ wünsche. Biden persönlich skizzierte bereits mehrfach den Kontrast zu seinem israelischen Gesprächspartner. Am Rande des Treffens mit Chinas Präsident Xi Jinping in der Nähe von San Francisco sagte der Präsident am Mittwoch sinngemäß, dass der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern nur durch eine Zwei-Staaten-Lösung beigelegt werden könne. Genau das, sagen Bidens Berater, habe Netanjahu bisher torpediert.

    US-Präsident Joe Biden
    US-Präsident Joe Biden © Getty Images via AFP | JUSTIN SULLIVAN

    Über Kreuz liegen die beiden Staatsmänner auch, was die Zukunft des Kriegsgebietes anbelangt. „Ich habe den Israelis klargemacht, dass es meiner Meinung nach ein großer Fehler ist, zu glauben, sie würden Gaza besetzen und Gaza behalten“, sagte Biden.

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    Dagegen schwebt Netanjahu nach Ende des Krieges für unbestimmte Zeit eine starke militärische Präsenz vor, um ein etwaiges Wiederaufleben der Hamas zu unterbinden. Man dürfe kein Vakuum hinterlassen, sagte er. Ähnlich äußerte sich Präsident Jitzchak Herzog.

    Unterdessen hat sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erstmalig auf eine Resolution zum Gaza-Krieg verständigt. Das wichtigste UN-Gremium forderte in der von Malta choreografierten Entschließung eine mehrtägige Feuerpause. Zudem sollen Fluchtkorridore im Gazastreifen eingerichtet werden, um humanitäre Hilfe schneller zu den Betroffenen zu bringen. Außerdem wurde die umgehende und bedingungslose Freilassung aller rund 240 von der Hamas verschleppten Geiseln gefordert.

    Die USA, Russland und Großbritannien, die im Sicherheitsrat Veto-Recht besitzen, enthielten sich der Stimme. Die übrigen zwölf Mitglieder stimmten dafür. Trotz der Enthaltung der USA erklärte die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield: „Die Maßnahmen der Hamas verringern nicht die Verantwortung Israels, unschuldige Menschen in Gaza zu schützen.“

    Der Satz korrespondiert mit dem, was Biden sagt – in der Hoffnung, die Kritiker in den eigenen Reihen besänftigen zu können. Das israelische Militär müsse in Gaza „unglaublich vorsichtig“ sein und die Zivilbevölkerung so weit wie möglich verschonen.