Berlin. Mit einer klaren Ansage zu Antisemitismus und Israel erntet der grüne Vizekanzler viel Applaus und entfacht eine schwelende Debatte neu.
Es ist Robert Habeck wichtig zu betonen, dass das Anliegen für ihn auch ein persönliches ist: Seine „politische Identität“, sagt der Vizekanzler vor Journalisten, sei auch geprägt dadurch, dass er sich mit der Geschichte Deutschlands immer wieder beschäftigt habe. Und Teil dieser politischen Identität sind erkennbar die Gedanken zu Israel, zu Staatsräson und Antisemitismus, die Habeck in dieser Woche in einem Video zusammengefasst hat. Das Ergebnis traf offenbar einen Nerv und beschäftigt auch Tage nach der Veröffentlichung die Öffentlichkeit.
Der Anspruch des 10-minütigen Videos, das am Mittwochabend hochgeladen wurde, war denkbar groß angesichts des komplexen Themas und der schwierigen Diskussion darum: „Die öffentliche Debatte ist seit dem Angriff aufgeheizt, mitunter verworren“, sagte Habeck da. Er wolle mit dem Video einen Beitrag dazu leisten, sie zu entwirren.
Habeck: Viel Zuspruch für seine klaren Worte – und ein Lob vom Kanzler
Aus der deutschen Geschichte, aber auch seinen persönlichen Erfahrungen leitete der Grünen-Politiker da ab, was die Formulierung von der Sicherheit Israels als deutscher Staatsräson und Deutschlands historische Verantwortung bedeuten: Dass Deutschland verpflichtet sei zu helfen, dass das „Schutzversprechen an die Jüdinnen und Juden“ erfüllt werden könne, und dass Jüdinnen und Juden in Deutschland frei und sicher leben können müssten. Er betonte, dass hier lebende Muslime Anspruch haben auf Schutz vor rechtsextremer Gewalt – und diesen selbst jetzt einlösen müssten gegenüber jüdischen Menschen, in dem sie sich von antisemitischer Gewalt distanzieren. Und er adressierte Teile der politischen Linken: „Antikolonialismus darf nicht zu Antisemitismus führen“. Unter anderem Greta Thunberg darf sich angesprochen fühlen. Gleichzeitig hob Habeck das Leid der Zivilbevölkerung in Gaza hervor.
Hintergrund:Habecks Antisemitismus-Ansage an die eigene Klientel
Für die klaren Worte gab es Zuspruch weit über die Grenzen der eigenen Partei hinaus. Auch der Bundeskanzler lobte bei einem Bürgerdialog in Mannheim seinen Stellvertreter – und das, obwohl mehr als ein Beobachter der Auffassung ist, eine Rede wie Habecks hätte eigentlich von Scholz selbst kommen sollen. War Habeck als Galionsfigur des Heizungsgesetzes in der öffentlichen Beliebtheit in diesem Jahr steil abgestürzt, fällt jetzt plötzlich wieder das K-Wort. Reicht eine Rede, um eine Kanzlerkandidatur des Wirtschaftsministers wieder realistisch scheinen zu lassen?
K-Frage bei den Grünen: Einige werden sich wohl an dieses Video erinnern
Trotz aktuell 13 bis 15 Prozent in den Umfragen sind die Grünen entschlossen, 2025 noch einmal einen Anlauf zu wagen und eine Kandidatin – oder einen Kandidaten – für das Kanzleramt aufzustellen. Und sowohl Habeck als auch AußenministerinAnnalena Baerbock werden noch immer Interesse an diesem Job nachgesagt. Nach außen hin halten sich beide zu diesem Thema extrem bedeckt.
Aber auch in Baerbocks Umfeld dürfte man registriert haben, dass das Echo auf Habecks Rede in scharfem Kontrast stand zur Kritik, die die Außenministerin für ihren Israel-Kurs zuletzt hatte einstecken müssen. Deutschland hatte nicht gegen eine UN-Resolution zum Konflikt in Nahost gestimmt, sondern sich enthalten.
Die grüne Partei jedenfalls will es bei der Auswahl besser machen als beim vergangenen Mal, als Habeck und Baerbock die Frage nach der Kandidatur unter sich ausgemacht hatten: Statt einer Festlegung im Hinterzimmer sollen die Mitglieder entscheiden. Einige werden sich dann wohl an dieses Video erinnern. tma