Berlin. Die Bundesregierung hat sich auf ein erstes Migrationspaket geeinigt. Für Freitag ist ein Spitzengespräch mit dem Kanzler geplant.
Wenige Tage nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen kommt Bewegung in die Debatte über eine Neuausrichtung der deutschen Migrationspolitik. Wie Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch mitteilte, hat sich die Regierung auf ein erstes Migrationspaket verständigt. Flüchtlinge, die sich bereits in Deutschland befinden, sollen leichter eine Arbeit aufnehmen können. Zudem plant die Ampel ein Gesetz, das Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber erleichtern soll.
Die Koalition sucht bei ihrem Kurs den Schulterschluss mit Opposition und Bundesländern: Für Ende der Woche plant Kanzler Olaf Scholz (SPD) ein Spitzengespräch mit CDU-Chef Friedrich Merz (CDU) und Vertretern der Länder. Es handelt sich um das erste Treffen zum so genannten „Deutschlandpakt“, den Scholz im vergangenen Monat vorgeschlagen hatte, um drängende Probleme zu lösen. Die Länder werden repräsentiert von den Regierungschefs Boris Rhein (Hessen, CDU) und Stephan Weil (Niedersachsen, SPD), die zurzeit der Ministerpräsidentenkonferenz vorsitzen.
Migration: Habeck sieht Chance für Unternehmen
Alle 16Länder-Chefs tagen ohne Beteiligung des Kanzlers bis einschließlich Freitag in Frankfurt am Main. Das Treffen mit Scholz soll anschließend in Berlin stattfinden. Regierung, Opposition und Länder eint das Ziel, die die irreguläre Migration nach Deutschland zu begrenzen. Allein von Anfang des Jahres bis Ende September nahmen die deutschen Behörden rund 234.000 Asyl-Erstanträge entgegen, deutlich mehr als im gesamten Vorjahr. Die wichtigsten Herkunftsländer sind Syrien und Afghanistan. Hinzu kommen die Asyl-Altfälle sowie rund eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Diese fallen aber nicht unter das Asylrecht. Vielen Kommunen gelingt es nicht mehr, die Menschen angemessen zu versorgen und unterzubringen.
Vizekanzler Habeck sagte am Mittwoch, bessere Beschäftigungsmöglichkeiten für Geflüchtete seien angesichts des Fachkräftemangels auch eine Chance für Unternehmen. „Raus aus dem Sozialsystem, rein in die Beschäftigung muss doch die Devise sein. Wer arbeitet, kann selbst seinen Lebensunterhalt verdienen und seinen Beitrag zum Gemeinwesen leisten.“ Das Arbeitsverbot während des Aufenthalts in Erstaufnahmeeinrichtungen soll einheitlich nach sechs Monaten enden. Das gilt aber nicht für Personen aus sicheren Herkunftsländern, bei offensichtlich unbegründeten Asylanträgen sowie bei Identitätsverweigerung.
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Flüchlingsgspolitik auch Thema in der Ministerpräsidentenkonferenz
In Bezug auf eine erleichterte Abschiebung will die Regierung erreichen, dass künftig weniger Rückführungen im letzten Moment scheitern. Die Höchstdauer des so genannten Ausreisegewahrsams soll von 10 auf 28 Tage verlängert werden. Zudem soll es leichter werden, Schleuser und Straftäter abzuschieben. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat zu diesem Komplex einen Gesetzentwurf erarbeitet, der nach Ministeriumsangaben in Kürze vom Bundeskabinett beraten werden soll.
Das weitere Vorgehen in der Flüchtlingspolitik wird auch das zentrale Thema bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Frankfurt am Main sein. Bund und Länder streiten weiter über die Kostenverteilung bei der Flüchtlingsfinanzierung. Wie am Mittwoch aus Länderkreisen verlautete, dürften hier aber erst im November konkrete Entscheidungen fallen.
Länder uneinig über schnellere Arbeitsaufnahme für Geflüchtete
Zur Debatte stehen mehrere Vorschläge, wie die irreguläre Migration nach Deutschland begrenzt werden könnte. So drängen die Länder unter anderem auf einen wirksameren Schutz der EU-Außengrenzen und verstärkte Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien. Auch die Einführung von bundesweit gültigen Bezahlkarten anstelle von Bargeld ist in weiterhin in der Debatte.
Im Kreis der Länder gibt es noch keine einheitliche Position zur Frage, ob es Flüchtlingen schneller gestattet werden soll, eine Arbeit aufzunehmen. Die SPD-geführten Länder sind dafür, in der Union gibt es große Vorbehalte. In der Debatte ist auch, ob arbeitsfähige Geflüchtete in Zukunft womöglich sogar systematisch zu gemeinnützigen Tätigkeiten herangezogen werden könnten – und zwar in dem Augenblick, in dem sie aus den Erstaufnahme-Einrichtungen an die Kommunen überwiesen werden. Schon bisher ist es möglich, Asylbewerber zu Arbeiten bei staatlichen, kommunalen oder gemeinnützigen Trägern zu verpflichten, und zwar für 80 Cent pro Stunde. Lehnen sie diese Jobs ab, können die Behörden die Leistungen kürzen. In der Praxis werde von all dem aber wenig Gebrauch gemacht, hieß es in Länderkreisen.
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Städtetag unterstützt Vorhaben der Ampel
Für ihren Plan, Flüchtlingen schneller eine Arbeitsaufnahme zu gestatten, erhielt die Regierung am Mittwoch Rückendeckung vom Deutschen Städtetag. Deren Vizepräsident Burkhard Jung sagte unserer Redaktion: „Wir sollten Geflüchtete möglichst schnell in Arbeit bringen können. Das sorgt auch für bessere Integration. Dafür müssen vor allem bürokratische Hürden abgebaut und berufliche Qualifikationen aus dem Heimatland einfacher anerkannt werden.“
Der Leipziger Oberbürgermeister zeigte sich aber skeptisch, ob eine Pflicht zu gemeinnütziger Arbeit der richtige Weg ist. Wenn es dazu käme, müsste dies „möglichst unbürokratisch geregelt“ werden, sagte Jung. „Tatsächlich entlastet würden die Städte dann, wenn Geflüchtete in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung kommen und so bestimmte Sozialleistungen nicht mehr gezahlt werden müssten, weil die Geflüchteten dann zum Beispiel gesetzlich krankenversichert wären.“
Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, sagte unserer Redaktion: „Zu uns kommende Menschen sollten schnellstmöglich eine Arbeitserlaubnis erhalten, denn nicht zuletzt ist Arbeit auch eine Form der Teilhabe.“ In Zeiten von Fach- und Arbeitskräftemangel könne die deutsche Wirtschaft derzeit jede helfende Hand gebrauchen.
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