Berlin.

Der Staatspräsident von Guinea bringt es auf den Punkt: „Die mangelnde Infrastruktur in Afrika ist eine Herausforderung“, sagt Alpha Condé. Mangelhafte Straßen, fehlende Eisenbahnlinien und ein langsames Internet seien ein Problem. Sie seien aber auch „eine Chance für Investoren“. Afrika müsse sich „industrialisieren“, ruft der Präsident dem Publikum in Berlin zu. Private Investitionen seien dafür nötig, die Bevölkerung auf dem Land brauche Perspektiven. Nur so könne man „Migrationsströme reduzieren“, sagt Condé, der auch Chef der Afrikanischen Union ist, einem Bündnis fast aller Staaten Afrikas.

Zusammen mit neun anderen Staats-und Regierungschefs ist Condé am Montag nach Berlin gekommen, um an einer großen Konferenz zur Zukunft Afrikas teilzunehmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sie eingeladen. Als amtierende Vorsitzende der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrieländer (G20) hat Merkel das Thema ganz oben auf die Agenda gesetzt. Afrika wird deshalb auch beim G20-Gipfel im Juli in Hamburg im Mittelpunkt stehen. Eine bessere wirtschaftliche Entwicklung soll die dort lebenden Menschen davon abhalten, sich auf den Weg nach Europa zu machen – darum geht es im Kern.

Hilfe und Unterstützung für Afrika gibt es schon seit Jahrzehnten. Die Ergebnisse dieser Entwicklungszusammenarbeit sind höchst durchwachsen. Die G20 probieren es unter der Führung der Bundesregierung nun mit einer neuen Strategie: Sie heißt „Partnerschaft für Afrika“ („Compact with Africa“) und basiert darauf, dass sich afrikanische Staaten verstärkt um private Investoren bemühen sollen. Konkret: Afrikanische Länder identifizieren Wirtschaftsbereiche wie etwa Energie, Landwirtschaft oder Tourismus, auf denen sie sich weiterentwickeln wollen. Sie verpflichten sich zu wirtschaftsfreundlichen Reformen. Im Gegenzug wollen die G20-Staaten ihnen zusammen mit internationalen Finanzinstituten wie der Weltbank helfen, Investoren zu finden.

Auf der Konferenz in Berlin werden diese Kontakte erstmals angebahnt. Unternehmen wie Bosch, KiK, Allianz, Schaeffler oder die Commerzbank loten dort ihre Chancen aus, mehr Geschäft in Afrika zu machen. Weil die Afrikaner bestimmte volkswirtschaftliche Kriterien erfüllen müssen, damit sie an dem Programm teilnehmen können, sind zunächst nur Staaten dabei, die relativ weit entwickelt sind. Deutschland zum Beispiel hat Partnerschaften abgeschlossen mit Tunesien, der Elfenbeinküste und Ghana. Unternehmen, die dort investieren, bekommen ihre Geschäfte über günstige staatliche Bürgschaften abgesichert. Die drei Länder selbst erhalten zusammen bis zu 300 Millionen Euro, wenn sie die vereinbarten Reformen erfüllen. Insgesamt haben die G20-Staaten fünf afrikanische Länder ausgewählt, zwei weitere stehen auf der Warteliste.

„Wir brauchen eine Initiative, die nicht über Afrika spricht, sondern mit Afrika spricht“, sagte Kanzlerin Merkel am Montag zur Eröffnung der Konferenz. „Indem wir gemeinsam mit ihnen für ihre Länder arbeiten, schaffen wir auch wieder mehr Sicherheit für uns“, fügte sie hinzu und spannte damit den Bogen zur Flüchtlingskrise. Deutschland wolle mit der G20 einen Beitrag leisten, mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze in Afrika zu schaffen.

Dass es daran mangelt, zeigen neueste Zahlen der OECD und der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB). Danach sackte das Wirtschaftswachstum des Kontinents im Jahr 2016 auf 2,2 Prozent ab. Im laufenden Jahr soll die Wirtschaft im Durchschnitt aller afrikanischen Länder wieder um 3,4 Prozent wachsen, 2018 sollen es 4,3 Prozent sein. Das Wachstum wäre größer, wenn es mehr private Investitionen gäbe, urteilten die beiden Organisationen. Bislang aber spielt Afrika für Deutschland und die meisten Indus­trieländer nur als Rohstofflieferant eine Rolle: Nur zwei Prozent der Exporte des Kontinents gehen nach Deutschland. Umgekehrt bezieht die Bundesrepublik gerade einmal 1,7 Prozent ihrer Importe von dort.

Afrikanische Länder müssen keine Standards erfüllen

Entwicklungsorganisationen loben zwar den Plan der Bundesregierung, Afrika zum großen Thema zu machen. Den konkreten Weg sehen sie aber kritisch. „Man sollte bei dem Programm nicht zu hohe Erwartungen hegen“, sagte die Präsidentin der evangelischen Organisation „Brot für die Welt“, Cornelia Füllkrug-Weitzel, dieser Redaktion. Die geplanten Projekte und Programme würden sich einseitig auf Auslandsinvestitionen fokussieren. Diese könnten zwar ein wichtiges Element für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Afrika sein, sie dürften aber nicht das einzige sein. Lokale Strukturen und Märkte müssten gestärkt werden, sagte Füllkrug-Weitzel. Sie beklagte, dass afrikanische Staaten nicht verpflichtet würden, Menschenrechte sowie Standards für Umwelt- und Arbeitsschutz einzuhalten.

Auch die Opposition im Bundestag zeigte sich unzufrieden. Linken-Chefin Katja Kipping sagte, auch dieser Afrika-Gipfel verbessere kaum die Bedingungen vor Ort, sondern nur die Profite von Investoren. Die Grünen bemängelten, es sei zu wenig, in erster Linie privates Kapital zu mobilisieren.