Berlin.

Als „Eintrittskarte in ein selbstbestimmtes Leben“ bezeichnete Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) die Integration der Flüchtlinge in Schulen, Universitäten und Ausbildung einmal. So gesehen hat sich die Ministerin selbst unter Zugzwang gestellt – schließlich ist es ihr Ressort, das Geflüchteten bei eben dieser „Eintrittskarte“ zu Betrieben, Schulen und zum Studium helfen muss.

Im Februar startete die Bundesregierung unter Wankas Federführung daher eine Initiative, um junge Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Der gemeinsame Plan mit der Bundesagentur für Arbeit und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks: Innerhalb von zwei Jahren sollen 10.000 junge Asylbewerber in eine Ausbildung etwa als Tischler, Elektromechaniker oder Friseur vermittelt werden. 20 Millionen Euro stellt die Regierung 2016 dafür zur Verfügung. Für mehr als 6000 Flüchtlinge stehen bereits Plätze in dem Bundesprogramm bereit: Sie haben eine Chance auf einen Ausbildungsplatz.

2015 flohen mehr als eine Million Menschen aus Krisengebieten nach Deutschland. Es war das Jahr, in dem die Behörden Hunderttausende in kurzer Zeit registrieren, unterbringen und versorgen mussten. Vieles lief chaotisch. 2016 wird das Jahr der Integration dieser Menschen. Und Experten sagen: Diese Herausforderung wird noch größer sein als die Erstversorgung.

Aber auch das Potenzial für die deutsche Wirtschaft, die nach qualifizierten Arbeitskräften lechzt, ist groß: Die Hälfte der Geflohenen war 2015 laut Bundesregierung jünger als 25 Jahre – ein großes Reservoir an möglichen neuen Auszubildenden. Doch die Hürden sind hoch: Vor allem sprechen die jungen Menschen anfangs kaum Deutsch, oft sind sie ohne Zeugnisse geflohen. Manche waren Tischler oder Mechaniker in Afghanistan oder Syrien – doch genügt das für Deutschland?

Erst der Integrationskurs, dann der Ausbildungsplatz

2016 können die deutschen Jobzentren 2800 zusätzliche Mitarbeiter zur Bewältigung der Integration der Flüchtlinge einstellen. Und jetzt sollen auch noch Wankas 20 Millionen Euro helfen. Ihr Projekt läuft in drei Stufen ab: Die Flüchtlinge besuchen zunächst einen Integrationskurs, lernen die deutsche Sprache und Kultur. Als nächstes ermittelt die Bundesagentur für Arbeit (BA) die Kompetenzen der Syrer, Iraker oder Afghanen – was haben sie in ihrer Heimat gelernt und was war ihr Job? Danach lernen die Flüchtlinge gemeinsam mit deutschen Azubis in den Bildungszentren des Handwerks. Von hier aus will die Behörde die Flüchtlinge an die Ausbildungsstätten vermitteln. Das jedenfalls ist der Plan.

Eine erste Zwischenbilanz zeigt nun, dass den Flüchtlingen deutschlandweit bislang 6056 Plätze in den überbetrieblichen Bildungsstätten der Handwerkskammern zur Verfügung stehen. Die Daten sind vorläufig, noch nicht alle Plätze sind schon vom Ministerium bewilligt. Üblicherweise werden die Bildungsstätten von den Betrieben finanziert. Für Flüchtlinge zahlt jetzt der Staat. Die Geflüchteten lernen dort wie die deutschen Azubis Fertigkeiten wie Schweißen oder Feilen und bleiben mindestens drei Monate in den Zentren. Läuft es nach Plan, unterschreiben sie danach einen Ausbildungsvertrag. Spätestens 2017 sollen die ersten geförderten Berufseinsteiger aus Syrien oder dem Irak eine Ausbildung beginnen.

Und die Nachfrage ist groß: 322.000 Flüchtlinge waren im Juli laut BA auf der Suche nach Arbeit – davon waren 141.000 Menschen aus Staaten wie Syrien, dem Irak, Afghanistan, aber auch Somalia und Eritrea schon länger ohne Job. Das sind 80.000 mehr als 2015. Die Arbeitslosigkeit unter den Geflüchteten hat sich also innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt. Das überrascht erstmal nicht, denn im vergangenen Jahr kamen mehr als eine Million Menschen aus Krisenregionen nach Deutschland. Doch es zeigt auch: Die Integration in den Arbeitsmarkt dauert.

Vor allem Betriebe aus Nordrhein-Westfalen haben bei Wankas Ministerium bereits freie Kapazitäten für das staatlich geförderte Ausbildungsprogramm angemeldet – 2836 Plätze. Es folgen Schleswig-Holstein mit 648 Plätzen und Niedersachsen (554). In Berlin sind es 156 Plätze, Schlusslicht ist das Saarland (12).

Die Bewerber müssten zwischen 18 und 25 Jahre alt sein und ihre Schulausbildung beendet haben. Auch wer in Deutschland nur geduldet ist und eine Arbeitserlaubnis hat, darf teilnehmen – auch wenn nicht klar ist, wie lange der Asylbewerber bleiben darf. Geflüchtete aus sogenannten sicheren Herkunftsländern wie Serbien oder Albanien sind von dem Programm ausgeschlossen.

Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) zieht eine positive Zwischenbilanz: „Ich freue mich, über die gute Resonanz beim Handwerk, das bereits mehrere Tausend Teilnehmerplätze für unser gemeinsames Programm bereitstellt“, sagt sie dieser Redaktion.

Und doch: Die erste Resonanz der Betriebe war offenbar geringer als erwartet. Eigentlich galt für die Anträge auf Förderung eine Frist bis zum 20. Mai. Jetzt denkt das Ministerium darüber nach, diese Frist zu verlängern. Dabei ist der Mangel an Auszubildenden eigentlich groß – 2015 konnten in den Handwerksbetrieben insgesamt 17.000 Lehrstellen nicht besetzt werden, in den beiden vorhergehenden Jahren blieben jeweils 20.000 Stellen unbesetzt. Doch offenbar ist auch die Skepsis der Firmen gegenüber einem Auszubildenden aus Syrien oder Afghanistan groß.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) übt Kritik an den Firmen: „Betriebe dürfen nicht warten, bis sie passgenau einsetzbare Geflüchtete vermittelt bekommen. Sie müssen mehr tun, um Geflüchteten eine Chance für den Einstieg zu geben“, sagt Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach dieser Redaktion. Die Programme und das Geld dafür seien da, hebt Buntenbach hervor. Dafür hat auch die Politik gesorgt. Und doch kritisiert sie die Politik: „Es gibt viel zu wenig flächendeckende Angebote für Sprach- und Integrationskurse sowie Brücken zu Aus- und Weiterbildung.“ Läuft die Integration schief, sieht Buntenbach vor allem eine Gefahr: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Geflüchtete zum billigen Jakob des Arbeitsmarkts gemacht werden.“

Mittlerweile hat der Bund ein neues Integrationsgesetz beschlossen, das den Einstieg für Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt, aber auch in Schule und Sprachkurse erleichtern soll. Ein Ausbildungsplatz ist nun geschützt, ein Flüchtling kann nicht mehr abgeschoben werden, wenn die Lehre begonnen wurde. Auf diese Änderung hatten vor allem die Unternehmen gedrängt.

„Anders als früher bieten wir diesen Menschen schon während ihrer Verfahren Einstiegsmöglichkeiten in den Arbeitsmarkt, damit sie nicht zum Herumsitzen gezwungen sind“, sagt die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), dieser Redaktion. Und sie hebt hervor: „Wir wissen, dass am Ende ein fester Arbeitsplatz einer der wichtigsten Ansätze ist, um hier heimisch zu werden und Akzeptanz zu finden.“ Und immerhin: 24.000 Menschen aus den Krisenstaaten waren im Mai 2016 mehr in Arbeit als noch im Vorjahr und zahlen in die Sozialkassen ein – ein Plus von mehr als 30 Prozent.