Hamburg. Polizei sucht Zeugen der Angriffe in der Silvesternacht und verschärft die Kontrollen auf dem Kiez. Im Fokus: Junge Männer mit Migrationshintergrund
Das Ausmaß der sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht scheint in Hamburg zwar nicht so verheerend gewesen zu sein wie in Köln – doch die Vorgehensweise der Täter in beiden Städten ähnelt sich stark. In Köln wie in Hamburg gaben die Opfer an, sie seien sexuell belästigt, ausgeraubt oder bestohlen worden – von jungen Männern mit Migrationshintergrund. „Wir sehen auch die Auffälligkeit, dass es zeitgleich in zwei Städten zu sehr ähnlichen und eher außergewöhnlichen Taten gekommen ist“, sagte Polizeisprecher Jörg Schröder.
Die Ermittler beider Städte stünden im direkten Austausch. Eine wichtige Frage sei, ob es vor den Übergriffen Absprachen gab. „Wir suchen unter anderem in den sozialen Netzwerken nach entsprechenden Aufrufen.“ Die Kölner Kollegen würden derzeit Handyfotos und Videos auswerten. Schröder: „Wir fangen nun auch damit an.“ Bis Dienstagabend hatten 27 junge Frauen, von denen vier in Hamburg leben, Anzeige erstattet, nachdem sie in der Silvesternacht von Männern auf der Großen Freiheit oder am Hans-Albers-Platz unsittlich berührt worden waren, Anzeigen vom Jungfernstieg liegen laut Polizei nicht vor. Zehn Taten seien ausschließlich als sexuelle Belästigung zu werten, in 17 weiteren Fällen seien die Opfer bestohlen worden.
Eine junge Frau, die anonym bleiben will, schilderte dem Abendblatt das Horrorszenario: Nach einer Party im „Shooters“ sei sie gegen 1.30 Uhr mit zwei Freundinnen auf die Große Freiheit gegangen. Dort seien sie plötzlich von „unzähligen Männern mit ausländischem Aussehen“ umringt worden. „Wir dachten uns erst nichts dabei, bis die ersten unter unsere Röcke gegriffen haben.“ Die Frauen wollten sich den Weg durch das Gedränge bahnen. Doch immer wieder hätten sie die Männer zwischen den Beinen berührt und versucht, ihnen die Handtaschen zu entreißen. „Es war wie im Alptraum, da man aus dieser Meute nicht raus kam.“
Zu den Tätern sind bei der Polizei bisher rund 50 Hinweise eingegangen. Ermittelt wird wegen sexueller Beleidigung, Raubes und räuberischen Diebstahls. „Dieses Phänomen haben wir in dieser Form in Hamburg noch nicht gehabt“, sagte Polizeisprecher Holger Vehren. Der erste Fall war eine Stunde nach der Tat auf der Davidwache angezeigt worden. Dass es sich um ein zusammenhängendes Phänomen handelt, sei erst am Montagabend klar gewesen, nachdem sich an verschiedenen Kommissariaten Anzeigen gehäuft hätten, sagte Vehren. „Die Ermittler benötigen aufgrund der bislang nur vagen Personenbeschreibungen dringend weitere Zeugen.“ Von Interesse seien Fotos, die zwischen 0.30 und 2 Uhr im Bereich des Beatles-Platzes/Große Freiheit entstanden sind. Als Reaktion auf die Übergriffe kontrolliert die Polizei jetzt auf dem Kiez „relevante Tätergruppierungen“, die „offensiv und präventiv“ angesprochen werden sollen.
Der Landeschef der deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders, sprach von „widerwärtigen Taten. Es geht nicht an, dass Menschen aus anderen Kulturkreisen Frauen behandeln wie Freiwild. Täter müssen mit aller Härte des Gesetzes verfolgt werden.“ Ähnlich äußerte sich der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Dennis Gladiator. „Wenn diese Form systematischer sexueller Gewalt und Übergriffe gegen Frauen Ausdruck anderer kultureller oder religiöser Wertvorstellungen sein sollte, muss diesem Treiben mit einer Nulltoleranzstrategie begegnet werden.“ Er sprach sich dafür aus, dass Flüchtlinge bei jeglicher Verurteilung zu Geld- oder Freiheitsstrafe abgeschoben werden können, und nicht erst ab einer Strafe von drei Jahren.
Innensenator Michael Neumann (SPD) meldete sich via Twitter: „Die Ereignisse in Köln und Hamburg dürfen nicht für Fremdenfeindlichkeit missbraucht werden! Klar ist aber: Wer in Deutschland Zuflucht sucht, muss unsere Gesetze achten.“ Die Vorsitzende der Linksfraktion in der Bürgerschaft, Cansu Özdemir, warnte vor einer Stigmatisierung von Menschen mit Migrationshintergrund. Das spiele nur hetzerischen, rechten Kräften in die Hände. „Auf keinen Fall sollten jetzt Flüchtlinge in Sippenhaft genommen werden, nach dem Motto: Die Ausländer haben doch eh keinen Respekt vor deutschen Frauen.“ Gleichwohl sei sexuelle Gewalt gegen Frauen in „jedem Fall hart zu verfolgen“.
Hinweise an die Hamburger Polizei unter der Rufnummer 040/4286-56789.