Rom/Hamburg. Enzyklika „Laudato si“ verbindet Umweltschutz und soziale Ethik
Mit einem Zitat aus dem „Sonnengesang“ des Franziskus von Assisi (1181/82–1226) beginnt die neue Enzyklika von Papst Franziskus. „Laudato si“ (Gelobt seist du) – so lautet der Titel des weltweiten Lehrschreibens, das der Vatikan am Donnerstag veröffentlicht hat. „Lest die Enzyklika mit offenem Herzen“, rief der Pontifex den Gläubigen zu. Drei Tage zuvor hatte die italienische Zeitung „La Repubblica“ das von einem indiskreten Kirchenfunktionär lancierte päpstliche Dokument ohne offiziellen Segen ins Netz gestellt – ein neuer Fall von „Vatileaks“.
Das 220 Seiten starke Papier ist von der großen Sorge um den Planeten, das „gemeinsame Haus“, und damit um Gottes Schöpfung getragen. Damit greift ein Papst erstmals dezidiert das Thema Ökologie und Umweltschutz auf. Es geht um schmutziges Trinkwasser genauso wie um Artensterben im Amazonas, Wegwerfkultur und den Klimawandel. Franziskus folgt prinzipiell der wissenschaftlichen Mehrheitsmeinung, dass die Erderwärmung „vor allem“ von Menschen gemacht sei.
Und er findet drastische Worte für die Ausbeutung der Erde: „Niemals haben wir unser gemeinsames Haus so schlecht behandelt und verletzt wie in den letzten beiden Jahrhunderten“, schreibt er und fügt hinzu: „Wenn jemand die Erdenbewohner von außen beobachten würde, würde er sich über ein solches Verhalten wundern, das bisweilen selbstmörderisch erscheint.“
Doch „Laudato si“ ist mehr als eine „grüne Enzyklika“, die schöpfungstheologisch argumentiert. Weil, wie der Papst weiter schreibt, „alles miteinander verbunden“ ist, korrespondiert die Frage nach der Bewahrung der Schöpfung unmittelbar mit dem weltweiten Thema der sozialen Gerechtigkeit. Mit deutlichen Worten geißelt der Heilige Vater in dem Dreischritt von „Sehen, Urteilen, Handeln“ insbesondere den westlichen Lebensstil. „Da der Markt dazu neigt, einen unwiderstehlichen Konsummechanismus zu schaffen, um seine Produkte abzusetzen, versinken die Menschen schließlich in einem Strudel von unnötigen Anschaffungen und Ausgaben“, schreibt er. Es gebe in den reichen Industrienationen eine „ökologische Schuld“, weil sie die natürlichen Rohstoffe der weniger entwickelten Länder rücksichtslos ausbeuteten. Ursache sei ein allein auf Profit ausgerichtetes Wirtschaftssystem.
Dazu komme die übersteigerte Macht der digitalen Medien. „Wirkliche Weisheit“ erlangten die Menschen aber nicht durch die bloße Anhäufung von Daten, sondern durch Begegnung, Reflexion und Dialog. Um die Probleme zu lösen, setzt das Oberhaupt der katholischen Kirche auf den globalen Dialog – etwa zwischen Politik und Wirtschaft – und eine „Ethik der internationalen Beziehungen“. Am Ende kann jeder damit selbst anfangen, dass die Welt ein bisschen besser wird. Der Rat des Papstes: „Das Beispiel der heiligen Therese von Lisieux lädt uns ein, den ,kleinen Weg‘ der Liebe zu beschreiten, keine Gelegenheit für ein freundliches Wort, für ein Lächeln, für irgendeine kleine Geste zu verpassen, die Frieden und Freundschaft verbreitet.“
In einer ersten Reaktion hat der Club of Rome die Enzyklika als Messlatte für die Klimakonferenz in Paris bewertet. Der Berliner Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) würdigte den päpstlichen „Weckruf“, das Konsumieren nachhaltig zu verändern. Der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan nannte das Lehrschreiben des Papstes „moralisch und ethisch stark“. Und Hamburgs Erzbischof Stefan Heße sagte, die Enzyklika sei ein wertvoller Impuls für eine weltweite ökologische Neuorientierung.“ Notwendig sei ein radikaler Mentalitätswandel.
Seite 2 Hört auf den Papst