Berlin. Hamburger Beauftragter sieht darin „Aushöhlung demokratischer Grundrechte“
Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hat angesichts der Ausspähaffären und der Diskussion um ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vor einer Aushöhlung demokratischer Grundrechte gewarnt. „Grundlegende Rechtsansprüche werden eigentlich systematisch unterwandert“, sagte Caspar am Montag auf einem Datenschutzkongress in Berlin. Das geschehe längst nicht nur durch ausländische Geheimdienste. Caspar forderte in der Diskussion um einen besseren Datenschutz mehr Transparenz ein. Der Staat habe eine Schutzpflicht gegenüber den Bürgern. Gesetzgeber und Regierung müssten jetzt aktiv werden. Stattdessen würden die Rechte der Bürger durch eine Ausweitung von Ermittlungsbefugnissen abgebaut. Die von der Bundesregierung geplante Vorratsdatenspeicherung nannte Caspar eine „Placebo-Maßnahme“. Der Zweck der Regelung werde weithin massiv in Frage gestellt. „Haben wir dann mehr Sicherheit? Diese Frage kann man mit Fug und Recht bestreiten.“ Es werde darüber inzwischen seit zwei Jahren diskutiert. „Wir drehen uns im Kreis.“
Markus Koths, Sprecher des Bundeskriminalamts, warnte dagegen davor, auf hinreichende Rechtsgrundlagen für die Bekämpfung von Kriminalität zu verzichten. Jedem Bürger müsse klar sein, was es bedeuten würde, wenn die Polizei nicht mehr auf diese Daten zugreifen könne. Die Rechtsansprüche auf Freiheit und Sicherheit der Bürger müssten sorgfältig austariert werden, sagte Koths. Beim Zugriff auf digitale Daten durch Ermittlungsbehörden werde aber heute bereits in der Praxis häufig über die rechtlichen Regelungen hinaus „massiv Druck aufgebaut“, sagte Rechtsanwalt Jens Eckhardt von der auf Telemedienrecht spezialisierten Kanzlei Juconomy. „Die Strafverfolgungsbehörden wollen, was möglich ist.“ Dabei gebe es häufig keine Abwägung der Verhältnismäßigkeit. „Wenn wir die Sicherheitsbefugnisse jedoch so weit ausdehnen, dass kaum noch etwas übrig bleibt, hat der Aggressor eigentlich schon gewonnen.“
Die SPD-Spitze will strengere Datenschutzregeln für Unternehmen
Ein besserer Schutz vor Kriminalität und Spionage wäre schon mit einer besseren Ausstattung der Nachrichtendienste möglich, sagte Caspar. Beim Budget von maximal einer Milliarde Euro seien die deutschen Geheimdienste im Vergleich zu den US-Behörden, die auf 52 Milliarden Dollar zugreifen könnten, „bestenfalls die kleinen Brüder der US-Geheimdienste“. Bei dem Abhängigkeitsverhältnis herrsche „mehr Dankbarkeit als Kontrolle“.
Die SPD-Spitze will unterdessen mit strengeren Datenschutzregeln für Konzerne der kritischen Parteibasis ein Ja zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung abringen. Das SPD-Präsidium beschloss am Montag einstimmig einen eigenen Antrag mit Kompromisslinien, über den beim Parteikonvent in Berlin abgestimmt werden soll. Dort erwartet SPD-Chef Sigmar Gabriel und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) Widerstand. Sie müssen fürchten, dass der gerade in den Bundestag eingebrachte schwarz-rote Gesetzentwurf bei den Funktionären durchfällt.