Berlin. Alles spricht für Bartsch und Wagenknecht. Die beiden Politiker sind nicht gerade ein Traumpaar. Schwinden Aussichten für Rot-Rot-Grün?
Nach dem angekündigten Rückzug vonFraktionschef Gregor Gysi will die Linkspartei die Nachfolge schnell klären. Voraussichtlich wird die Parteiführung kommende Woche ihre Kandidaten für die künftige Doppelspitze der Bundestagsfraktion benennen. Nach Informationen aus Parteikreisen läuft alles darauf hinaus, dass die Fraktion ab Oktober gemeinsam von Gysis bisherigen Stellvertretern Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht geführt wird.
Bartsch und Wagenknecht sind auch im persönlichen Umgang nicht gerade ein Traumpaar. Aber für das Modell, dass neben dem ostdeutschen Reformer Bartsch eine Vertreterin des linken Flügels aus einem westdeutschen Landesverband die Fraktion führt, sind aussichtsreiche Alternativen zu Wagenknecht nicht in Sicht; die 45-Jährige ist in Jena geboren, zog aber über die Landesliste NRW in den Bundestag.
Bei SPD und Grünen wird nun diskutiert, was der Wechsel in der Linken-Fraktionsspitze für die Chancen eines rot-rot-grünen Bündnisses bedeutet. Der charismatische Gysi hatte am Wochenende noch massiv für eine Regierungsbeteiligung in Berlin geworben – seine mutmaßliche Nachfolgerin Wagenknecht dagegen ging stark auf Distanz zu einem Bündnis mit SPD und Grünen. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte dem Abendblatt: „Ich wünsche mir, dass es 2017 Alternativen gibt und die Linke Gysis Empfehlung folgt. Der Ball liegt jetzt im Spielfeld der Linken. Sie muss sich entscheiden, ob sie das Land tatsächlich mit linker Politik verändern oder weiter nur Fundamentalopposition machen will.“ Inhaltlich hätten SPD, Grüne und Linke in vielen Feldern eine ähnliche Stoßrichtung, meinte Hofreiter. Aber: „Die Linke muss mit ihrem linken Flügel klären, ob sie zu Kompromissen bereit ist – sonst bleiben alle inhaltlichen Gemeinsamkeiten theoretisch.“
Weil Wagenknecht vor allem die SPD scharf attackierte, kommentierten führende Sozialdemokraten die Linken-Personalien verschnupft nach dem Motto „guter Gregor, böse Sahra“. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi etwa würdigte erst „Witz und Klugheit“ von Gysis Bundestagsreden – um dann zu warnen, die Möglichkeiten für Gespräche und eine inhaltliche Annäherung von SPD und Linken würden mit Gysis Amtsverzicht schlechter. SPD-Vize Ralf Stegner sagte, die Linke werde jetzt wohl in Richtung Fundamentalopposition abdriften. Eine Zusammenarbeit mit der „Wagenknecht-Linkspartei“ sei nicht möglich.
Doch andere Politiker der SPD-Linken widersprechen: „Wenn Rot-Rot-Grün nur von Gregor Gysi abhängen würde, dann stünde das Bündnis auf tönernen Füßen“, sagte die Vorsitzende der im „Forum Demokratische Linke“ zusammengeschlossenen SPD-Linken, Hilde Mattheis. Tatsächlich gebe es aber viele Gespräche auch mit der zweiten, dritten und vierten Reihe der Linkspartei: „Rot-Rot-Grün auf Bundesebene ist eine Option für 2017“, sagte Mattheis. So sieht es auch der Sprecher des SPD-linken Strategiezirkels „Denkfabrik“, Frank Schwabe: „Gysis Rückzug ist jetzt eine Chance, dass die Linkspartei die Frage der Regierungsbeteiligung für sich klärt. Auch Frau Wagenknecht muss sich in der neuen Funktion die Frage stellen, ob Opposition auf Dauer eine vernünftige Strategie ist.“